MFG - Dorfkaiser, Gratulant, Spekulant
Dorfkaiser, Gratulant, Spekulant


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St. Pöltens gute Seite

Dorfkaiser, Gratulant, Spekulant

Text Michael Müllner
Ausgabe 03/2024

Günter Schaubach ist erfolgreicher Unternehmer und Politiker. Als Bürgermeister von Pyhra steht er nun in der Kritik, bei privaten Grundstücksgeschäften habe er seine Machtposition ausgenutzt und entgegen seines Amtseids nicht uneigennützig agiert.

Keine zehn Autominuten von St. Pölten entfernt liegt Pyhra. Rund 3.500 Einwohner zählt der Ort. Seit 2017 ist Günter Schaubach Bürgermeister, seine ÖVP-Fraktion stellt mit 15 der insgesamt 23 Gemeinderäten die absolute Mehrheit. „Der Schaubach ist ein Macher-Typ“, erzählt man im Ort. Er stehe gerne im Mittelpunkt, kenne Gott und die Welt. Seit März kennt man den Schaubach aus Pyhra in ganz Österreich – die Wiener Zeitung berichtete über seine zahlreichen Grundstücksdeals. 
Kaum steht eine Liegenschaft oder eine Immobilie zum Verkauf, schlägt der Bürgermeister zu. „Jeder im Ort weiß: Der Bürgermeister kauft zusammen, was auf den Markt kommt“, erzählt ein Gemeindebürger. Viele Käufe sollen ihren Ausgangspunkt bei Anlässen nehmen, die Schaubach als Bürgermeister besucht. Runde Geburtstage, Eiserne Hochzeiten – da soll er systematisch seine Bürger wissen lassen: Falls jemand ans Verkaufen denkt, bitte einfach melden. Ein Wissensvorsprung, der hilfreich sein kann, insbesondere wenn man als geschäftstüchtiger Unternehmer das nötige Cash hat, um rasch zuzuschlagen. Im Privatberuf ist Schaubach in der Logistikbranche tätig, den Großteil seines Umsatzes macht er laut Recherchen der Wiener Zeitung mit Steuergeld aus öffentlichen Aufträgen. Doch was genau wirft man ihm nun vor? 

Tagesordnungspunkt 3
Im Mittelpunkt der Kritik am Bürgermeister steht folgende Transaktion: Der Unternehmer Franz Marchat betreibt im Ortskern von Pyhra eine Selbstbedienungstankstelle. Am Grundstück sind auch Wohnungen und Geschäftslokale untergebracht. Ein 2.500 Quadratmeter großer Teil des Grundstücks ist unbebaut und war einer Bauklasse gewidmet, die nur die Errichtung von zweigeschoßigen Häusern vorsah. Marchat will sich beim Bauamt der Gemeinde erkundigt haben, ob eine Umwidmung in eine höhere Bauklasse möglich sei. Nach ein paar Tagen sei er dazu von einem Gemeindemitarbeiter zurückgerufen worden. In den nächsten zehn Jahren sei an eine Umwidmung nicht zu denken – man habe sich bei der Landesregierung zwecks Raumordnung extra erkundigt. Schade, denkt sich Marchat und beschließt, das Grundstück dennoch zu verkaufen. Eine Wohnbaugesellschaft („Gedesag“) und Günter Schaubach bieten ungefähr gleich viel. „Da habe ich mir gedacht, verkauf ich es halt dem Bürgermeister. Ich hatte ja bisher nie ein Problem mit ihm. Aber kaum war die Tinte trocken, stellte Schaubach schon den Antrag auf Umwidmung“, erzählt Marchat. Was zuvor angeblich unmöglich sei, wurde binnen Wochen durch den Gemeinderat gewunken. Die Änderung des Bebauungsplans steigerte den Wert des Grundstücks massiv. Nach rund einem Jahr veräußerte Günter Schaubach die Liegenschaft im November 2021 an die Wohnbaugesellschaft. Kolportierter Gewinn, 222.100 Euro – vor Steuern. 
Nun hat ein Bürgermeister kein Berufsverbot. Er kann als Privatperson Grundstücke kaufen und verkaufen. Problematisch ist aber, dass er als Amtsträger faktisch Einfluss auf die Frage hat, ob ein Grundstück umgewidmet wird – und sich damit massiv an Wert erhöht. Schaubach sieht darin kein Problem. Unsere Einladung zu einem Gespräch sowie schriftlich übermittelte Fragen ließ er bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Im Gespräch mit der NÖN meinte er aber, diese „Anschuldigungen bremsen meine Freude und meinen Enthusiasmus für dieses Amt“, die Anschuldigungen seien nur „politisch motivierte Attacken“ um seine „gute Arbeit im Gemeinderat zu schädigen“. Auch die Staatsanwaltschaft sah in dem Sachverhalt, der im Oktober 2023 Gegenstand einer anonymen Anzeige war, keinen Anfangsverdacht. Grundsätzlich ist auch für diese Berichterstattung festzuhalten, dass es derzeit keinen Anhaltspunkt gibt, dass strafrechtlich relevante Handlungen gesetzt wurden. Doch kann das Strafrecht bekanntlich nicht der einzige Gradmesser für Politik sein.

Sehr schlechte Optik
Während Schaubach also an seiner Opferrolle bastelt, formiert sich Widerstand. In einem Jahr sind im ganzen Land Gemeinderatswahlen. In der eigenen Partei braucht man somit einen weiteren „Problem-Bürgermeister“ wie den sprichwörtlichen Kropf. Niederösterreichs ÖVP hat mit Hannes Koza in Vösendorf und dem besonders prominenten Fall des Grafenwörther Bürgermeisters Alfred Riedl, der ebenso mit Immobilienspekulationen aufgefallen ist (Stichwort: „Sonnenweiher“), auch so genug zu tun. Die ÖVP-Führung sprach von „sehr schlechter Optik“, warnte vor einem Generalverdacht gegen „großartig arbeitende Bürgermeister im Land“ und verwies auf eine Prüfung der Gemeindeaufsicht. Deren Leiterin Anna-Margaretha Sturm bestätigt, dass eine „sehr genaue Prüfung der gesamten Amtszeit des Bürgermeisters bereits eingeleitet wurde.“ Basierend auf den geltenden Gesetzen wird die Gemeindetätigkeit im Zusammenhang mit Grundstückskäufen geprüft. Verkauft aber der Bürgermeister als Privatperson etwas an Dritte, so kann dies nicht Gegenstand der Prüfung sein. Soweit bekannt, hat sich Schaubach auch an alle formalen Regularien gehalten. Als etwa der Antrag auf Umwidmung des besagten Grundstückes im Gemeinderat beschlossen wurde, verließ er aus Gründen der Befangenheit die Sitzung. 
Lebensnah betrachtet ist das für die Problematik selbst aber völlig unerheblich. Kenner der Gemeinde berichten, dass er seine Fraktion fest im Griff hat: „Die stimmen natürlich dafür, wenn der Bürgermeister etwas auf die Tagesordnung setzt. Völlig egal, ob er im Raum ist oder nicht.“ Christian Watzl von den Neos, die mit drei Mandataren im Gemeinderat vertreten sind: „Wir haben uns bei dieser Abstimmung enthalten. Der Antrag bestand aus mehreren Punkten, einer davon war die Umwidmung des Grundstücks. Wir haben das damals schon als problematisch erkannt und deswegen nicht zugestimmt.“ Neben der ÖVP stimmten auch Mandatare von SPÖ und FPÖ zu. Hätten sie nicht spätestens dann hellhörig werden müssen, als der Bürgermeister für die Abstimmung den Raum verließ? Gerüchten zufolge wurde in den Fraktionen vor der Abstimmung durchaus über die Umwidmung diskutiert. Somit steht nun auch die Frage im Raum, ob die Oppositionsparteien ihrer Kontroll­aufgabe überhaupt nachkommen? 
Abgesehen von der Frage, ob hier ein mächtiger Politiker seinen Informations- und Machtvorteil eigennützig eingesetzt hat, steht auch die Frage im Raum, ob die zuständigen Gremien und die handelnden Personen den nötigen „moralischen Kompass“ für eine Amtsführung im Sinne der Bürger haben. Manche lösen das Ganze pragmatisch: „Die Sauerei ist, dass er sich den Umwidmungsgewinn selber eingesteckt hat. Wenn er ihn schon nicht dem Marchat vergönnt war, dann hätte er das Grundstück als Gemeinde kaufen, umwidmen und später teurer weiterverkaufen müssen“, ärgert sich einer.
Am Abend des 11. März 2024 sah es nach einem Showdown aus. Der Bürgermeister hatte um 19:00 Uhr zur Gemeinderatssitzung ins Gemeindeamt geladen. Punkt 3 der Tagesordnung: „Stellungnahme des Bürgermeisters“. Im Vorfeld gingen die Meinungen auseinander. „Der hat in Pyhra alle in der Hand, der tritt niemals freiwillig zurück“, sagten die einen. „Die ÖVP-Zentrale spricht ein Machtwort und er nimmt freiwillig den Hut, mit so einem Spitzenkandidaten kannst du niemals in eine Wahl gehen“, wollten andere wissen. Kurz vor Sitzungsbeginn sagte Schaubach diese mit der Begründung ab, man wolle vor einer nächsten Gemeinderatssitzung die Prüfergebnisse der Gemeindeaufsicht abwarten. Da derartige Prüfungen in der Regel Monate dauern, wohl eher ein taktisches Manöver um Zeit zu gewinnen. Ein strategischer Plan sieht wohl anders aus. 

Unparteiisch, uneigennützig 
Gerät der Dorfkaiser ins Trudeln? Gegenüber der Wiener Zeitung merkte er an, er habe den Gewinn aus dem strittigen Grundstücksdeal der örtlichen Kirche gespendet. Doch tut das überhaupt was zur Sache? Grundsätzlich nicht. Es steht jedem frei einen Gewinn zu spenden. Die relevante Frage ist ja, wie es zum Gewinn kam. Hat der Bürgermeister in seiner Amtsführung stets unparteiisch und uneigennützig gehandelt – so wie es das Gelöbnis vorsieht, das Mandatare am Beginn ihrer Amtszeit leisten? 
Zurück zur Spende. Auf Nachfrage bestätigt Markus Heinz, der Moderator der Pfarre Pyhra, dass Günter Schaubach im Dezember 2021 eine zweckgebundene Spende für die Sanierung der Pfarrkirche überwiesen hat. Es sei dies das erste Mal in der zweieinhalbjährigen Amtszeit des Monsignores gewesen, dass der Bürgermeister in dieser Größenordnung gespendet hat. „Er ist jedoch allgemein als großzügiger Spender bekannt.“ Die konkrete Spende wurde grundsätzlich anonym gehalten – Schaubach wollte dies so. Im Pfarrkirchenrat, dem für Finanzen zuständigen Gremium, sei die Spende aber bekannt gewesen. Schaubach ist auch dort Mitglied. Wollte er mit der Spende präventiv Kritik an seinem Gewinn abfedern? Der Versuch könnte nach hinten losgehen. Vom kolportierten Gewinn vor Steuern von 222.100 Euro, schafften es nur 40.000 Euro auf das Kirchenkonto. Als Unternehmer setzt Schaubach die Spende wohl von der Steuer ab, bleiben 20.000 Euro, die ihm seine Mildtätigkeit effektiv gekostet hat. Recherchen der Wiener Zeitung zufolge, wurden von ihm auch zahlreiche Grundstücke an seine Frau verschenkt. Auch hier dürften steuerliche Überlegungen eine Rolle gespielt haben. Auch diesbezüglich wird deutlich: Niemand wirft dem Bürgermeister die Übertretung von Vorschriften oder Gesetzen vor – es geht um moralische Fragen und das grundsätzliche Dilemma, dass man nicht jedes Fehlverhalten mit einer Norm eindeutig regeln kann. 
Ob der geschickte Günter Schaubach die ÖVP Pyhra in die nächste Gemeinderatswahl führen wird, ob der Rückhalt in den eigenen Reihen hält, scheint derzeit jedenfalls fraglich. Spannend wäre es allemal, dann wüsste man, wie die Gemeindebürger die Bilanz des Bürgermeisters an der Wahlurne beurteilen.