MFG - Die bunten Hunde von STP
Die bunten Hunde von STP


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Die bunten Hunde von STP

Text Althea Müller
Ausgabe 09/2009

Der Körper, eine Leinwand: Tätowierungen können alles sein und nichts-Identifikationszeichen, Liebesbeweis, Zugehörigkeitsmerkmal, Jugendsünde, reiner Komplex, Brandmarkung, simpler Spaß oder großflächiges Lebenswerk. Seit den 90ern nimmt der Hype um Tattoos beständig zu. Studios schießen wie Pilze aus dem Boden. In St. Pölten gibt es seit sieben Jahren nur eine wirklich fixe Adresse für alle, die nach Farbe lechzen: das Tattoostudio in der Wiener Straße.

Seit 2002 betreibt Inhaber Mini das Studio, das an diesem Augusttag 2009 in sauberem Orange-Schwarz erstrahlt, stilecht dekoriert mit Animal Prints und Totenschädeln. Hier arbeiten er, Tätowierer Dominik und Piercerin Tami, alle zwischen Mitte und Ende Zwanzig, als Selbständige zusammen. Während Tami im Raum nebenan ganz relaxt mit spitzen Nadeln durch Unterlippen und Ohren sticht, schnappen wir uns Mini für ein kurzes Interview.
Wie kamst du eigentlich auf die Idee mit dem Tattoostudio in St. Pölten? Gibt es hier genug Kundschaft?
Ich bin gebürtiger Niederösterreicher, hab dann aber einige Zeit in Graz gewohnt. Dort hab ich quasi das Tätowieren gelernt. Danach wollte ich ein eigenes Studio. In Graz oder Wien undenkbar, da gab es schon zu viele. So hab ich mir St. Pölten ausgesucht, weil hier die Konkurrenz eher gering war.
Und du hast es nicht bereut?
Nein. St. Pölten ist ein dankbares Pflaster, ein guter Markt. Ich hatte von Anfang an ausreichend Kundschaft. Erst, um gut über die Runden zu kommen, immer schneller und schneller aber sogar in dem Ausmaß, dass mittlerweile monatelange Wartezeiten normal geworden sind. Trotz des zweiten Tätowierers, der seit einigen Jahren mit im Boot ist.
Du hast das Handwerk „gelernt“. Was muss man können, um Tätowierer zu werden?
Erstens, du musst sehr, sehr gut zeichnen können und zwar, seit du so (wachelt mit der Hand 30 cm über dem Boden, Anm.) warst. Zweitens, du musst die Technik beherrschen (zeigt auf die Tätowiermaschine, Anm.) – du lachst, aber damit muss man wirklich umgehen können. Ja, und dann solltest du wen finden, der dich eben „ausbildet“, wo du ihm längere Zeit auf die Finger schauen kannst, Feedback von ihm kriegst etc.
Und wie ist die österreichische Tätowierer-Szene so?
Der Konkurrenzgedanke überwiegt.
Es gibt die Legende, dass Tätowieren süchtig macht, also, dass es nie nur bei einem bleibt. Was sagst du dazu?
Ich glaube, der wahre Kern dabei ist, dass du nach dem ersten Tattoo meist merkst, dass es gar nicht sooo schmerzhaft, heftig, was auch immer ist, und darum die Hemmschwelle fürs zweite schon mal niedriger liegt – und so fort.
Und was meinst du zum Anti-Tattoo-Argument Nummer 1: „Wenn du alt bist, schaut das schirch aus?“
Wenn ich alt bin, schau ich als Ganzes nicht mehr so toll aus, wahrscheinlich. Davon abgesehen werden dann meine ebenfalls alten Mitmenschen genauso aussehen wie ich, also was soll’s?
Stimmt – es gibt heute ja fast niemanden mehr, der kein Tattoo hat. Bei all dem Hype, was rätst du vor allem den Kids und Teenagern?
Nie vor 18 tätowieren lassen! Tattoostudios, die gegen das Gesetz handeln und jemanden „Unter 18“ tätowieren, sind meist extrem auf das Geld angewiesen, sonst würden sie es nicht tun – und entsprechend schaut dann oft das Ergebnis aus. Am Ende muss erst ein seriöser Tätowierer nochmals drüber gehen, weil es ein Pfusch ist.
Du sprichst aus Erfahrung?
Mein erstes Tattoo habe ich mir viel zu jung stechen lassen, und ja, es war ein Pfusch. Heute ist es komplett überdeckt von einem anderen Motiv.
Welche Motive sind denn gerade „in“?
Letztes Jahr waren es noch Sterne, heuer sind es Blumen. Daneben gibt es aber natürlich laufend andere Wünsche – Porträts, Comics, Schriften…
Was tust du, wenn ein Kunde was haben möchte, das echt nicht zu ihm passt?
Ich sage und zeige ihm, wie ich es mir für ihn besser vorstellen könnte, zum Beispiel das gewünschte Motiv, aber eckig statt rund… Ein guter Tätowierer schaut sich immer auch den Menschen an, nicht nur das Tattoo.
Ich kann nicht glauben, dass ich das jetzt frage, aber spürt ihr eigentlich was von der Wirtschaftskrise?
(Gelächter von allen, inklusive den Personen im Nebenraum, Anm.) Nein, das Geschäft nimmt sogar zu. Beim Piercen ist es mit der Laufkundschaft wie im Einzelhandel: zum Monatsende hin weniger. Beim Tätowieren sind wir, wie gesagt, auf Monate ausgebucht. Also für uns gibt es keine Wirtschaftskrise.

Facts about Tatoos
what?
Tätowieren (von polynesisch „Tatau“ = Zeichen) ist das
Einbringen permanenter Farbstoffe unter die Haut.
how?
Es gibt verschiedene Methoden, die gebräuchlichste ist die
mittels Tätowiermaschine (ca. 800-8000 Bewegungen pro
Minute). Das macht dann ein wunderbares Geräusch, ähnlich
wie beim Zahnarzt, nur viiieeel lässiger.
who?
Tätowieren, in einem Studio arbeiten und/oder ein eigenes
Studio eröffnen darf jeder, der den Gewerbeschein
 (Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure, s. http://wko.at/fkm) hat.
Tätowiert werden darf jeder ab 18 Jahren.
how much?
Wieviel ein Tattoo kostet, hängt immer von Motiv, Körperstelle,
Tätowierer und Studio ab. Manche arbeiten nach Stunden, andere verrechnen eine Pauschale. Fragen!
why?
Das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Die 3 goldenen Regeln
1.Tätowierungen gehen nicht mehr ab, nein. Sie sind für immer. Du kannst nur ein Heidengeld in Laserbehandlungen und/oder Cover Ups stecken, um sie zu entfernen und/oder überdecken. Wie früher wird’s aber trotzdem nie mehr.
2.Tätowierer haben Mappen. Mit Fotos. Lass dich nie von jemandem tätowieren, der dir keine bisherigen Arbeiten zeigen kann oder will. Fuck off then und such dir einen andren Laden – es ist schließlich DEINE Haut.
3.Tattoostudios sind sauber, riechen gut bis steril, es rollen keine Betrunkenen über den Boden und wenn du was fragst, wirst du nicht angeschrien. Solltest du andere Erfahrungen machen, geh. Das Leben ist zu kurz.
Meinungen zum Thema:
Nach den Experten will ich’s aber auch vom Volk wissen: Wieder auf der Straße, frage ich mich darum bei St. Pöltner Passanten durch mit der Frage:
WARUM BIST DU TÄTOWIERT?
(w (22), Oberarm, Steiß, Bauch):

„Ich hab mal damit angefangen und kann jetzt nicht mehr aufhören.“
(m (25), beide Oberarme, Unterarm, Hals):
„Ohne wäre ich nackt.“
(w (31), Dekolleté):
„Aus Spaß.“
(w (46), Unterarm (self-made)):
„Ich war jung und verliebt – das waren andere Zeiten damals.“
(m (28), Oberarm, Unterschenkel):
„Weil’s geil ausschaut.“
(w (34), Knöchel, Oberarm, Nacken):
„Jedes Tattoo unterstreicht einen anderen Teil meiner Persönlichkeit.“