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St. Pöltens gute Seite

Pro Futuro

Text Johannes Reichl
Ausgabe 10/2007

Stadtzukunft, die x-te! St. Pölten nimmt wieder einmal Anlauf, um pro futoro gewappnet zu sein. Diesmal heißt das „Baby“ Visionengruppe. Wir plauderten mit Andreas Steinle vom Zukunftsinstitut über falsches Denken, die Globalisierung sowie Mut zur Veränderung.

Ist es in einem starren Apparat wie einer Kommune nicht ein Ding der Unmöglichkeit, frei Visionen zu entwickeln?
Es ist zumindest schwieriger, weil es verschiedene Mitwirkende mit unterschiedlichen Interessen im Prozess gibt. In einem Unternehmen mit einem Chef an der Spitze kann dieser leichter und rascher seine Vorstellungen durchsetzen. In einer partizipativen, demokratischen Struktur wie einer Kommune hingegen muss man den Konsens suchen, hat einen öffentlichen Auftrag zu erfüllen.
Ihr Institut spricht von „alternativen Zukünften“. Was ist darunter zu verstehen?
Wir neigen dazu, die Zukunft linear zu betrachten. Läuft z. B. eine Volkswirtschaft gut, so gehen wir auch von positiven zukünftigen Entwicklungen aus. Läuft sie schlecht, malen wir die Zukunft schwarz. In Wahrheit gibt es aber Auf und Abs. Dieses linear-kausale Denken muss also durchbrochen werden, weil es von falschen Annahmen ausgeht. Man muss immer verschiedene Möglichkeiten ins Kalkül ziehen.
Was passiert, wenn man dies nicht tut?
Man verschläft Entwicklungen und gerät ins Hintertreffen. Ein Beispiel dafür ist der Ruhrpott, wo man zu lange am Muster der Vergangenheit festgehalten hat, bis eine Änderung – unter größeren Entbehrungen – unausweichlich war. Den Wandel kann man aber nicht aufhalten!
Andererseits ist es aber – gerade in einer Stadt –  gar nicht so leicht, etwas zu ändern. Die Leute sind ja Gewohnheitstiere.
Es ist sicher auch eine Frage des Mutes, unbequeme Wahrheiten zu sagen. Man setzt sich damit Konflikten aus. Als Politiker riskiert man, dass man beim nächsten Mal abgewählt wird. Diesbezüglich kommt es auf den Politiker-Typ an: Möchte ich einen wirklichen Umschwung herbeiführen, auch auf die Gefahr einer Abwahl hin, oder halte ich lieber an alten Mustern aus Gründen des Machterhalts fest.
Nehmen wir an, man ist mutig. Hat man da als kleine Stadt nicht gegenüber Metropolen einen Nachteil?
Wir leben in einer global vernetzten Welt. Standortvorteile sinken zusehends – ob kleine oder große Stadt spielt keine Rolle mehr! Thomas Friedmann hat das einmal treffend ausgedrückt: „Die Welt ist flach.“ Das heißt, wir agieren alle auf demselben Spielfeld, auf gleicher Augenhöhe, konkurrieren um die klügsten Köpfe. Der globale Wettstreit hat die Grenzen aufgelöst. Und egal wie groß man ist, man ist per se in den Möglichkeiten nicht eingeschränkt! Sich als Teil der Welt zu begreifen, ist natürlich ein gedanklich großer Schritt. Aber diese Chance muss man erkennen und in Folge aktiv nutzen.
Was heißt das im Konkreten?
Dass auch kleine Städte sich z. B. mit chinesischen Investoren treffen, internationale Netzwerke aufbauen, Topuniversitäten ins Leben rufen können. Die Grundfrage ist für alle letztlich gleich: Wie können wir von der Globalisierung profitieren? St. Pölten ist da im übrigen auf einem guten Weg, wenn ich daran denke, dass man mit Wuhan eine chinesische Partnerstadt hat, die 90 mal so groß ist!
Auf die Größe kommt es also nicht an? Zugleich sagen Sie aber, dass Regionen an Bedeutung gewinnen werden. Warum?
Ganz einfach, weil man gemeinsam stärker ist, Kräfte bündeln kann, dieselbe Sprache spricht. Man steht als Region sozusagen auf mehreren Stelzen. Es geht um Clusterbildung. Nehmen wir die Region Mailand: Diese hat sich zum absoluten Designcluster entwickelt, der immer neue, immer bessere Designer anzieht. Das ist ein sich selbstverstärkender Prozess: Exzellenz zieht Exzellenz an.
Stichwort Cluster. Soll man diese auf historisch gewachsene Images aufbauen oder gänzlich Neues entwickeln?
Das kommt darauf an. Wenn es Images gibt, die in Zukunft starke Bedeutung haben werden, sollte man das selbstverständlich nutzen. Images hingegen, die problematisch sind, sollte man zu überwinden versuchen.
Aber ist das nicht auch eine Frage des Geldes, was man aufbauen kann?
Nicht unbedingt. Berlin etwa ist sehr arm. Es ist durch die Teilung in Ost- und West auch nicht homogen gewachsen. Dennoch ist die Stadt eine der attraktivsten Europas mit einer spannenden Szene. Bürgermeister Wovereit hat es perfekt auf den Punkt gebracht: „Berlin ist arm, aber  sexy!“
Ein guter Slogan. Kann man daraus schließen, dass es v. a. auch auf gutes Marketing ankommt, wie man sich verkauft und präsentiert?
Primär muss natürlich das Produkt stimmen, dann kann auch das Marketing reüssieren. Aber es macht schon Sinn. Hamburg etwa hat untersucht, warum es in ausländischen und inländischen Reiseführern viermal weniger vorkommt als Berlin bzw. wie über die Hansestadt prinzipiell berichtet wird. Das Ergebnis: In zahlreichen Reiseführern war noch immer vom dreckigen Hafenviertel, der überbordenden Prostitution und hoher Kriminalität die Rede – Images, die überholt sind, während die neuen Luxusläden, gediegenen Geschäftsviertel etc., die mittlerweile entstanden sind, gar nicht erwähnt wurden. Da lohnt es sich natürlich schon, sich das genauer anzusehen und dann gezielt ins Marketing zu investieren, um das überholte, negative Image nicht ewig fortzuschreiben.
 
Das betrifft die Außenwirkung. Welche Rolle spielen umgekehrt die Bürger, wenn man als Kommune die Zukunft gestalten, etwas verändern möchte?

Eine eminent wichtige! Wenn man es schafft, dass die eigenen Bürger den Weg mittragen, werden zusätzliche, neue Kräfte entwickelt, wird der Prozess beschleunigt. Die Menschen müssen sich identifizieren, müssen stolz sein, müssen wissen, wofür sie stehen – Wovereit hat das perfekt geschafft und vorexerziert!