Der große St. Pölten-Faktencheck
Text
Beate Steiner
, Johannes Mayerhofer
Ausgabe
11/2025
Ist das Wohnen in St. Pölten wirklich zu teuer? Schmeißt die Stadt zu viel Geld für Kunst und Kultur beim Fenster raus? Und muss man sich auf den Straßen St. Pöltens fürchten? MFG hat all diese Fragen einem Faktencheck unterzogen.
THEMA LEBEN IN ST. PÖLTEN
„St. Pölten ist hinsichtlich der Wohnsituation vergleichsweise billig.“
Gregor Unfried, SPÖ-Gemeinderat
Die Aussage ist korrekt. „Die Angebotsmietpreise sind in St. Pölten im Vergleich zu den anderen Landeshauptstädten am niedrigsten“, bestätigt Immobilienexperte Mario Winkler von Immocentral. „Die Durchschnittspreise für neue Mietwohnungen liegen in Eisenstadt bei etwa 10 Prozent und in Linz um circa 20 Prozent höher als in St. Pölten.“ In Wien lägen die angebotenen Durchschnittsmieten für Neubauten gar um 55 Prozent höher als in St. Pölten. Für eine Mietwohnung von unter 40 Quadratmeter zahlt man in St. Pölten 15,78 Euro, in Österreich durchschnittlich 20,47 Euro pro Quadratmeter. Bei Wohnungen bis 90 Quadratmeter sind es 11,57 und 16,18 Euro, darüber 10,65 und 18,08 Euro.
Wie sieht es im Bereich des Wohneigentums aus? „Die Kaufpreise für gebrauchte Eigentumswohnungen sind in den letzten fünf Jahren um bis zu 40 Prozent angestiegen, für neue Eigentumswohnungen um bis zu 30 Prozent“, erklärt Winkler. Laut dem Finanzmagazin „finanz.at“ beträgt der durchschnittliche Quadratmeterpreis bei Wohnungen in St. Pölten 2.345 Euro, bei Häusern 2.065 Euro.
Damit ist St. Pölten weit billiger als die meisten anderen Landeshauptstädte. Wer etwa in der Stadt Salzburg Wohneigentum erwerben will, muss tief in die Tasche greifen. Wohnungen sind hier für 5.260, Häuser gar für 8.197 Euro pro Quadratmeter zu bekommen. Einzig Eisenstadt ist preislich mit St. Pölten vergleichbar, hier sind es 2.489 und 2.405 Euro.
„Wäre schön mal mehr Schulen zu bauen als unnötig überteuerte Wohnungen.“
„Es sind genug freie Wohnungen vorhanden.“
Facebook
So nicht richtig laut Mario Winkler: „Im Juli 2022 gab es auf der Plattform willhaben.at 750 Mietwohnungen in St. Pölten zum Angebot. Stand November 2025 sind es nur noch 330 Wohnungen. Das neu hinzugekommene Wohnungsangebot wird also tatsächlich benötigt.“
„St. Pölten ist zu schnell gewachsen. Die Infrastruktur ist noch nicht so weit. Stichwort: Gesundheitssystem, Fachärztemangel, immer wieder unbesetzte Planstellen.“
Klaus Otzelberger, FPÖ-Stadtrat
Eine ausreichende ärztliche Versorgung ist ein heikler Punkt in der kommunalen Infrastruktur. „In St. Pölten gibt es 24 Planstellen für Allgemeinmedizin. Davon sind 23 besetzt, neun in den beiden Primärversorgungszentren“, bestätigt die ÖGK. Im fachärztlichen Bereich gibt es 49 Planstellen in St. Pölten, „davon sind 48 versorgt“, heißt es weiter. Über Jahre herrschte in St. Pölten ein Ärztemangel bei der Kinderheilkunde. Mittlerweile sind drei Planstellen durch das Kinder-PVZ abgedeckt. Die einzige unbesetzte Facharzt-Planstelle betrifft den Bereich Gynäkologie. Von einem signifikantem Ärztemangel kann zumindest nach ÖGK-Maßstab nicht gesprochen werden.
„St. Pölten hat noch viel Grünraum und eine ländliche Struktur.“
Klaus Otzelberger, FPÖ-Stadtrat
Stimmt. St. Pölten besteht überwiegend aus Grünraum. Landwirtschaftliche Flächen und Wälder machen rund 70 Prozent der 108,5 Quadratkilometer umfassenden Stadtfläche aus, 18 Prozent davon sind Erholungsräume, Parks und Wälder. Ein Blick in den Statistischen Jahresbericht zeigt: Im Städteranking steht die niederösterreichische Landeshauptstadt gut da. So liegen Innsbruck mit 56 und die Stadt Salzburg mit 54,2 Prozent Grünflächen deutlich darunter, auch in Linz sind es nur 53,2 Prozent, Wien besteht rund zur Hälfte aus Grünflächen. Auf dem „grünen“ Platz 1 befindet sich Eisenstadt. Wälder, Äcker, Weingärten, Parks und Erholungsgebiete machen dort 85,5 Prozent der Stadtfläche aus.
„Über 70 Prozent der Sozialhilfebezieher in St. Pölten sind Ausländer.“
Martin Antauer, FPÖ-Spitzenkandidat
Die Behauptung der FPÖ zu einem ihrer Stammthemen ist nicht überzeichnet. Von 1.321 Sozialhilfebeziehenden sind 987 keine österreichischen Staatsbürger. Mit 74,4 Prozent machen diese sogar einen höheren Anteil aus, als von der FPÖ beklagt. Der Anteil von Nicht-Österreichern an der St. Pöltner Bevölkerung liegt laut Statistischem Jahresbericht 2024 allerdings bei nur 23 Prozent. Weiteres interessantes Detail: Unter den Sozialhilfe beziehenden Ausländern befinden sich fast ausschließlich Drittstaatsangehörige, nämlich 919 von 987. Ein pauschaler Fingerzeig auf „die faulen Ausländer“ ist aber nicht angebracht. Denn 92,8 Prozent der 13.718 St. Pöltner ohne Staatsbürgerschaft sind nicht im Sozialhilfebezug.
THEMA FINANZEN
„St. Pölten ist pleite, mit 7.500 Euro Schulden pro Haushalt.“
Klaus Otzelberger, FPÖ-Stadtrat
„Wer Verantwortung trägt, muss rechnen können – nicht schönreden. Wenn wir die steigende Verschuldung nicht endlich in den Griff bekommen, droht ein finanzielles Debakel. Am Ende zahlen das die St. Pöltnerinnen und St. Pöltner mit höheren Gebühren und Abgaben.“
Bernd Pinzer, NEOS-Spitzenkandidat
Die Landeshauptstadt kämpft wie die meisten österreichischen Kommunen mit dem Budget und hat einen Konsolidierungsplan erstellt. Der wirkt: Der Schuldenstand soll 2026 dank geringerer Investitionen wieder sinken, und zwar von rund 186 Millionen Euro auf rund 182 Millionen Euro. „Es wird im kommenden Jahr möglich sein, die laufenden Kosten und die normalen Investitionen abzudecken“, verspricht St. Pöltens Finanzchef Thomas Wolfsberger, dass St. Pölten nicht pleite ist und die Verschuldung nicht steigt. Die Pro-Kopf-Verschuldung beträgt 2.960 Euro, in Wiener Neustadt zum Vergleich 2.267 Euro. Wenn man mit der durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,17 Personen rechnet, kommt man auf 6.423,20 Euro Schulden pro Haushalt.
THEMA INNENSTADT
Wenn’s ums Parken geht, wünschen sich viele Facebook-Nutzer die gute alte Zeit zurück:
„In St. Pölten hast du die Arschkarte gezogen! Wie in Wien werden die Parkplätze immer weniger!“
„Ich kann mich noch so gut erinnern, als Rathausplatz und Domplatz die größten Parkplätze der Stadt waren. Man kam wunderbar zu den Geschäften und in der Stadt war Leben...“
Facebook
„Der weitere Abbau von Parkplätzen in der Innenstadt muss gestoppt werden.“
Florian Krumböck, ÖVP-Spitzenkandidat
„Immer mehr Geschäfte kämpfen ums Überleben. Der Grund: Autos werden systematisch aus der Innenstadt verbannt. Auch offizielle Frequenzmessungen täuschen darüber hinweg. Gezählt werden vielfach Schülerströme zwischen Bahnhof und Schulen – doch diese jungen Passanten sind keine Käufer. Der tatsächliche Kundenverkehr sinkt drastisch. Kein Wunder, dass ein Geschäft nach dem anderen zusperren muss.“
Martin Antauer, FPÖ-Spitzenkandidat
„Die Bewohner selbst tragen zu einer autofreien Innenstadt bei. Die Politik hat es in St. Pölten noch nicht verstanden, diesen Trend zum Beispiel durch Carsharing-Angebote zu unterstützen.“
Walter Heimerl-Lesnik, Spitzenkandidat Grüne
Fakt ist, dass seit 2020 drei Mal so viele Stellplätze gekommen wie verschwunden sind. Aktuell stehen mehr als 3.800 Stellplätze in Tiefgaragen rund um die Innenstadt zur Verfügung, von denen 632 in den vergangenen fünf Jahren entstanden sind. Oberflächenstellplätze sind rund 550 vorhanden, weggefallen sind die 150 Domplatz-Parkplätze und 50 an anderen Stellen, etwa der Promenade. Die Stadt verweist auf die Ergebnisse der Mobilitätserhebung: Der Kfz-Verkehr wird weniger in St. Pölten, die Öffi-Nutzung steigt.
Fakt ist auch, dass die Innenstadt von St. Pölten mit 3,6 Prozent eine der geringsten Leerstandsquoten unter vergleichbaren Städten aufweist – der Österreich-Durchschnitt ist 5,5 Prozent. Die Verkaufsfläche ist 2021 mit der Schließung des Leiner-Hauses von 58.000 m2 auf 42.100 m² gesunken und seither konstant geblieben. Auch die Anzahl der Geschäfte ändert sich nicht.
Fakt ist weiters, dass sich die Frequenz in der St. Pöltner Innenstadt von 2024 auf 2025 um 4,8 Prozent gesteigert hat, auf eine durchschnittliche Wochenfrequenz von 692.000. Dabei werden unter 18-Jährige, also Schüler, in der Statistik nicht angeführt. Hannes Lindner von der Beratungsgesellschaft Standort + Markt kennt den Grund, warum die hohe Frequenz nicht mit erhöhter Konsumfreudigkeit einhergeht: „Das Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung ist angeschlagen. Man geht zwar gern in die Stadt, genießt Kaffee im Schanigarten, kauft aber weniger. Das liegt nicht an der Stadt selbst, sondern am knapper gewordenen Haushaltsbudget.“
Fakt ist außerdem, dass der Domplatz an rund hundert Tagen im Jahr mit dem Markt und mehrmals im Jahr mit Veranstaltungen belegt ist.
Und: es gibt kein Carsharing-Angebot der Stadt, allerdings solche von den ÖBB und privaten Anbietern.
THEMA KULTUR UND TOURISMUS
Das Festival „Tangente“ hat die Gemüter der St. Pöltner erhitzt: Zum Beispiel auf Facebook.
„Die Stadt hat dafür einen Haufen Schulden gemacht! St. Pölten hat kein Geld mehr, aber damit wieder was reinkommt, kommen wir Bürger dran – Steuern, Steuern, Steuern.“
Facebook
„Überall muss gespart werden und beim Kunstprojekt ‚Tangente‘ wurden 17 Millionen Euro hinausgeblasen. Dank dieser fragwürdiger Millionen-Kunstprojekte hat die Landeshauptstadt nun ein Budgetloch.“
Klaus Otzelberger, FPÖ-Stadtrat
„Die Tangente hat uns leider gezeigt, wie es nicht geht. Zwar können wir von vielen Initiativen, wie der Revitalisierung der ehemaligen Synagoge, profitieren. Aber das Festival hätte deutlich besser funktionieren können, wenn wir mehr auf regionale Künstlerinnen und Künstler geschaut hätten.“
Florian Krumböck, ÖVP-Spitzenkandidat
„Wenn alle Niederlagen so große Chancen für die Stadt eröffnen, dann gerne mehr davon. Das Festival Tangente hat nicht nur mehr Aufmerksamkeit auf die Stadt gelenkt, sondern auch eine Vielzahl an bleibenden Dingen geschaffen, am anschaulichsten das KinderKunstLabor, mit über 50.000 Besucher:innen in einem Jahr, die Renovierung unserer Synagoge, den Sonnenpark und den Löwinnenhof.“
Gregor Unfried, SP-Gemeinderat
Die Zahlen: 17,6 Millionen Euro flossen in das Festival, Stadt St. Pölten und Land NÖ teilten die Kosten und steuerten jeweils 8,125 Millionen Euro bei. Das ist ein Teil dessen, was das Kulturjahr 2024 gekostet hat, wie eine finale Studie zeigt: 110 Millionen Euro investierten Stadt und Land 2024 in den Kulturbereich. Von diesen flossen rund 55 Millionen Euro als einmalige Kosten in Projekte wie das KinderKunstLabor, den Grillparzer Musik- und Kunstschulcampus, und die Sanierung der ehemaligen Synagoge. 15 Millionen Euro wurden für Infrastrukturprojekte wie die Neugestaltung des Domplatzes, den Europaplatz und den Promenadenring aufgewendet. Dazu kommen rund 40 Millionen Euro an Kulturförderungen. Die aus all diesen Ausgaben generierte Bruttowertschöpfung beläuft sich auf 114,7 Millionen Euro. Die öffentliche Hand habe außerdem von 43,6 Millionen Euro an Steuern und Abgaben profitiert, sagen die Studienautoren.
Prinzipiell fließt, wie zahlreiche Studien belegen, jeder Euro, der in Kultur investiert wird, 1,5- bis 4-fach in Form von Wertschöpfung zurück. Besucher:innen konsumieren in der Gastronomie, im Handel. Kulturinstitutionen ziehen Dienstleister nach sich, aus der Bauwirtschaft, aus den Medien, der Werbung. Und Kultur schafft Arbeitsplätze und Nachfrage in lokalen Unternehmen. Kultur ist also ein beachtlicher wirtschaftlicher Faktor.
Daten am Beispiel des Kulturjahres 2024: 300.000 Menschen haben Kulturaktivitäten der Stadt besucht. „Es konnte eine Wertschöpfung von 75 Millionen Euro erzielt und 1.163 Arbeitsplätze in unserem Bundesland geschaffen werden“, heißt es aus dem Magistrat.
THEMA SICHERHEIT
„Frauen und Mädchen fühlen sich in St. Pölten nicht mehr sicher. Gang-Rivalitäten, Massenschlägereien und Kriminalitäts-Hotspots tragen zur Verunsicherung bei. Ich werde die Kriminalität aus der Stadt kärchern.“
Martin Antauer, FPÖ-Spitzenkandidat
„Nicht zuletzt geht es uns darum, Angsträume abzubauen und Frauen ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Das gilt für den Bahnhof, den Sparkassen- und den Sturm 19-Park, aber auch andere Ecken der Stadt.“
Florian Krumböck, ÖVP-Spitzenkandidat ÖVP
„Die veröffentlichten Zahlen zeigen, dass St. Pölten objektiv eine sichere Stadt ist.“
Walter Heimerl-Lesnik, Spitzenkandidat Grüne
„St. Pölten ist sicher. Das lässt sich aus den Kriminalstatistiken ablesen, die seit 20 Jahren sinkende Kriminalität bescheinigen.“
Gregor Unfried, SPÖ-Gemeinderat
Die Aussagen von FPÖ und ÖVP fallen unter die Kategorie „subjektives Empfinden“, während die beiden letzten Zitate korrekt sind - das beweisen alle statistischen Zahlen, und auch der St. Pöltner Stadtpolizeikommandant Franz Bäuchler führt im Hinblick auf die aktuelle Situation aus: „In St. Pölten gab es in letzter Zeit keine Massenschlägereien. Im Sturm 19 Park ist die Polizei sehr präsent. So werden fast täglich Fußstreifen durch den Park absolviert. Gerichtlich strafbare Handlungen konnten dort nicht wahrgenommen werden und wurden auch nicht angezeigt.“
In den letzten zehn Jahren hat es zudem einen erheblichen Rückgang in der Kriminalstatistik in St. Pölten gegeben, auch einen Rückgang der Gewaltdelikte. „Wie das subjektive Sicherheitsgefühl einzelner Personen einzustufen ist, kann ich nicht beurteilen. Da es sich um ein subjektives Gefühl handelt, beruht dies häufig nicht auf Tatsachen. Mit Meldungen über nicht stattgefundene Straftaten wird dies aber sicherlich nicht positiv beeinflusst werden“, sagt Franz Bäuchler.



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