MFG - Kunstfehler
Kunstfehler


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Kunstfehler

Text Thomas Fröhlich
Ausgabe 05/2023
Kunst kann … im Grunde alles: wachrütteln, zum Staunen anregen, zum Lachen oder Weinen bringen, neue Perspektiven eröffnen, trös­ten. Und doch gibt es mitunter Situationen, in denen Kunst auch für einen ansonsten kunstaffinen Menschen gar nichts mehr kann. Dann nämlich, wenn der respektive die Betreffende einen Fehler gemacht hat. Und zwar nicht irgendeinen Fehler, sondern einen, der nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der Partnerin oder des Partners zum Schlechten verändert. Nachhaltig. Weil man zu sehr ausschließlich der eigenen Gefühlswelt vertraut und diese zum Maß aller Dinge erhoben hat, jene des geliebten Menschen allerdings ein wenig „übersehen“ hat. Unaufmerksam war. Zu wenig oder auch zu viel Liebe geschenkt hat. Und damit für ein Ungleichgewicht gesorgt hat, dem nur noch mit einer Trennung beizukommen war. Und dann steht man da, geht vielleicht in eine Ausstellung, sieht sich einen Film an und stellt fest, dass da gar nichts mehr durchkommt. Dass das eigene Versagen vor allem steht, was davor noch wertvoll und schön war. Sich selbst zu vergeben forderte die Autorin Louise Hay als Angelpunkt eines guten Lebens. Doch das ist schwierig, wenn man der eigenen Person gegenüber ehrlich bleiben möchte. Auch der Protagonist in Thomas Bernhards letztem Prosawerk „Alte Meister“, Reger, erkennt letztendlich, dass sein der Malerei und Kunstgeschichte gewidmetes Leben ohne seine geliebte Frau im Grunde nichts bedeutet. 
Wir alle kennen den letzten Ausweg aus einem Alptraum: Schreien. Doch wenn’s kein Traum ist, hilft alles nichts. Kunst kann …?