MFG - Who's afraid of...Maron & Maron?
Who's afraid of...Maron & Maron?


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Who's afraid of...Maron & Maron?

Text Thomas Fröhlich
Ausgabe 09/2009

Ein Nachname, zwei schillernde Persönlichkeiten. Die Malerin Nina Maron und ihr Vater, der Liedermacher Sigi Maron, besuchen am 18. September im Doppelpack das St. Pöltner StockWerk. Thomas Fröhlich stellte einige Fragen – und erhielt im Gegenzug eine Unterrichtsstunde in Sachen politischer Bildung, kollektiven Arschleckens und des aufrechten Ganges in Zeiten eines gesprengten Casino-Kapitalismus.

Ihn, den Singer/Songwriter, den Vater, verbindet mit St. Pölten nicht gar so viel. Eine Erinnerung vielleicht: ein Kracherl beim Bahnhofsbuffet als Zehnjähriger zur Überbrückung der Wartezeit auf dem Weg von Krems ins Gymnasium im oberösterreichischen Stift Schlierbach. Und jetzt sehe er gelegentlich gerade einmal die Silhouette der Stadt, aus der Sicht des Autobahnbenützers.
Sie, die Malerin, die Tochter, hingegen hat St. Pölten schon auf sehr positive Weise kennen gelernt. Nämlich durch Alois Stöckl und dessen gemeinsam mit Maria Budweiser geleitete und kuratierte Kunstgalerie StockWerk im Thalia. Dort hatte sie vor einigen Jahren eine ziemlich erfolgreiche Ausstellung. Sie. Nina Maron.
Und nicht zuletzt aufgrund der hohen Akzeptanz, die ihr hier entgegen gebracht wurde, findet dieses Jahr die Vernissage zu einer weiteren Werkschau im StockWerk statt,  diesmal unter dem Titel „Who’s afraid of Virginia Woolf?“. Und dazu holt sich Nina Maron prominente Unterstützung durch – erraten! – ihren Vater Sigi Maron.
Sie stellt aus, und er liest aus seinem neuen Buch „fahrrad gegen mercedes“ und gibt einige seiner Lieder zum Besten. Unterschiedlich ist ihre jeweilige künstlerische Herangehensweise, gemeinsam der subversive Touch, der allerdings nie zum Selbstzweck verkommt.
„Leckt’s mi’ aum Oasch!“
Der derzeit von der Generation FM4 wieder entdeckte Sigi Maron war nie einer, der sich um den sogenannten Massengeschmack (oder irgendeine „Quote“) kümmerte. Musikalisch weit entfernt von allem, was irgendwelche Hipness-Gurus vorschreiben, tut er das auch heute nicht, weder in Form noch Inhalt. Ganz im Gegenteil, wie er – gewohnt markig – äußert: „Ich bin nicht ruhiger geworden im Laufe der Jahre, sondern noch aggressiver. Meine Wut, dass es so unendlich schwer ist etwas zu verändern, hat sich mit den Jahren gesteigert. So radikal wie heute war ich nicht einmal mit zwanzig. Der Trottelspruch ‚Wer mit zwanzig kein Revolutionär ist, ist ein Arschloch, wer es mit sechzig noch immer ist, ist auch eines‘ hat mich in meiner Jugend schon an’zipft und tut’s heute noch viel mehr. Wer seine Illusionen und Utopien bis ins Alter bewahren kann, ist kein Idiot, sondern ein Mensch, der noch immer Hoffnung hat. Denjenigen, die ihre Utopien der Realpolitik geopfert  haben, rufe ich zu: ‚Leckt’s mi’ aum Oasch!‘“
Und nicht zuletzt diese zeitlebens gehandhabte Konsequenz ist mit dafür verantwortlich, dass Sigi Maron gleichsam den Soundtrack zur heimischen Variante von ’68 beisteuerte, die bei uns ja erst im darauf folgenden Jahrzehnt stattgefunden hat.
David gegen Goliath
Sigi Maron, 1944 in Wien geboren und schon lange in Baden bei Wien lebend, war in den 70ern eine der treibenden Kräfte in der österreichischen Liedermacherszene, die den Aufbruch gar nicht so weniger aus einer erstarrten Nachkriegs-Gesellschaft  (Arena-, Anti-AKW-, Friedensbewegung etc.) musikalisch begleitete. Maron, 1956 an einer Kinderlähmung erkrankt, absolvierte tausende Auftritte  – vom „Rock’n’Roll“-Stuhl aus und mit der Gitarre im Anschlag – und nahm bis dato insgesamt 16 LPs bzw. CDs auf, die deftige Protestsongs genauso beinhalten wie verhalten Zärtliches. Zwei Seiten einer Medaille, die in den 80ern auch zehn Wochen lang mit der Selbstmordballade „Geh no ned furt!“ die österreichische Hitparade knackte, ansonsten ja eher kein Hort übertriebener Kreativität. Sigi Marons Lieder sind inzwischen allesamt Klassiker, deren Themen  heute noch aktuell sind.
Soeben hat er im Verlag Bibliothek der Provinz den Band „fahrrad gegen mercedes“ herausgebracht, in dem er Gedichte, Gedankensplitter und Kurzprosa versammelt und dessen Cover von seiner Tochter Nina Maron gestaltet worden ist. Bereits der Buchtitel verweist auf ein zentrales Motiv im Gesamtwerk Marons: Fahrrad gegen Mercedes. Also David gegen Goliath. Und man muss wohl nicht erläutern, auf welcher Seite er steht: „Steter Tropfen höhlt den Stein, die Hoffnung, dass sich irgendwann etwas verändert, habe ich nie aufgegeben, egal wie lange es dauern wird.“
Die derzeitige Krise als Chance?
Da bleibt Sigi Maron skeptisch: „Der größere Teil der Betroffenen wird sich nach dem Motto: ‚Was kann ich schon ausrichten‘ in sein Schicksal ergeben oder – beziehungsweise und – sich den Faschisten zuwenden.“ Und Maron setzt nach und malt ein recht düsteres Zukunftsbild: „Die Faschisten, Steigbügelhalter des Kapitals, haben zwar keine Lösungen, aber große Worte. Es folgen: das Ende des Arbeitslosengeldes und des Notstandsgeldes. Es bleiben: Obdachlosigkeit, Hunger, Alkoholprobleme, Krankheit, Suizid.“
Tochter Nina, Jahrgang ’73, sieht’s ähnlich: „Ich befürchte, dass die Krise nicht im positiven Sinne Dinge verändert hat, sondern dass sich Rechtsradikalismus und  Ausländerhass dadurch noch verstärken. Mein Eindruck ist, dass der Kapitalismus ein niedriges Bildungsniveau anstrebt und dadurch bei vielen eine unreflektierte Meinung zu ihrer eigenen schlechten Situation resultiert.“
Auch Nina Marons Standpunkt ist klar umrissen. Doch anstatt vordergründig schnelle Lösungen anzubieten, malt sie Bilder, die komplexe Sachverhalte dermaßen auf die Spitze treiben, dass deren absurder Charakter freigelegt wird. Ob es sich um neue, rückwärts gewandte Gesetze für (besser gesagt, gegen) die Frauen in Afghanistan oder die Arbeitnehmerinnendiskriminierung bei so mancher Diskonter-Kette in Österreich handelt, oder ob Nina Maron die Persönlichkeit der in den 40er Jahren höchst populären Hollywood-Schauspielerin und Nazigegnerin Hedy Lamarr (gleichsam hinter dem Glamour) freilegt – sie ergreift den zuweilen quietschbunten Farbpinsel, um auf Düsteres, Unaufgearbeitetes hinzuweisen. Oft tut sie das mit leichter Hand, mit Humor, Selbstironie und einer zeitweise brachial anmutenden Comics-Ästhetik, was den Betrachtenden ein relativ unbefangenes Herangehen an die mitunter recht expressiven Werke ermöglicht.
Wieso eigentlich „Virginia Woolf“?
„Der Titel des Stückes beziehungsweise meiner Ausstellung, der die Schriftstellerin Virginia Woolf erwähnt, ist eine Anspielung auf das Kinderlied ‚Who‘s afraid of the big bad wolf?‘. Im Stück von Edward Albee geht es vorwiegend um die Auseinandersetzungen eines Ehepaares und ihre Geschlechterrollen. Virginia Woolf hat sich schon sehr früh mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft beschäftigt und ist meiner Meinung nach eine Vorreiterin des Feminismus. Sie in den Vordergrund zu stellen und diesen Titel zu wählen bedeutet für mich, dass sich die Frau ihre Stellung immer erneut erkämpfen muss. Denn wenn sie dies nicht tut, wird immer wieder der Versuch gestartet, sie in ihre veraltete patriarchal verankerte Struktur zurückzudrängen.“
Dass derlei für manche Zeitgenossen wahrscheinlich nach forciertem 70er-Alternativ-Speech klingen mag, kann schon sein. Doch ändert das wohl nichts an der Gültigkeit der Aussagen und des jeweils von Tochter und Vater eingeschlagenen Weges. Und auch wenn der Weg das Ziel ist, so lautet das Ziel: Gleichberechtigung, Freiheit des Individuums bei gleichzeitiger gesellschaftlicher Solidarität. Für Maron und Maron keine Quadratur des Kreises sondern eine längst überfällige Einforderung fundamentaler Lebensbedingungen, die im Zeitalter eines privaten wie auch öffentlich-rechtlichen Casino-Kapitalismus weiter entfernt zu sein scheinen denn je.
Denn, so Sigi Maron: „Verhalte dich immer so, dass du dich am Morgen in den Spiegel sehen kannst, ohne dich anzuspeiben.“ Dem ist eigentlich schwerlich was hinzuzufügen.