MFG - Die Wandlungsfähige
Die Wandlungsfähige


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Die Wandlungsfähige

Text Thomas Fröhlich
Ausgabe 06/2016

Aktmalerei, Insekteninvasionen, die Ästhetik des 15. und 16. Jahrhunderts, Verletzungen, Vernetzungen und die Gefahren, die von Küchentischen ausgehen: Die Künstlerin Maria Budweiser erklärt im MFG, wie das alles zusammenhängt.

2016 ist das Jahr der Renaissance. Eine Aussage, die Kunsthistoriker wohl zu mildem Entsetzen bis brachialem Ganzkörpersausen verleiten könnte. Für die St. Pöltner bildende Künstlerin Maria Budweiser stellt dies allerdings eine aktuelle Handlungs- beziehungsweise Rechercheanleitung im Hier und Jetzt dar. „Nach meinem Acrylbild ‚Leonardo‘, einer Hommage an da Vinci, das 2015 im Sonnenpark zu betrachten war, befinde ich mich derzeit in einer – wenn du so willst – künstlerischen Zwischenphase. Auf gut deutsch: einer Pause. Ich beschäftige mich derzeit sehr intensiv mit der Kunst der Renaissance, ihrer Ästhetik, ihrer Schönheit. Und lote für mich Möglichkeiten aus, all das aufs Heute anzuwenden.“ Sie ergänzt: „Der Output wird sich herausstellen.“ Das ist etwas, was an Budweiser sofort auffällt: Sie gestattet sich selbst ein kreatives innehalten, nimmt auch leise Zweifel in Kauf.
Über ein Zuwenig an Budweiserschem Output konnten sich Kunstinteressierte allerdings in den letzten Jahren wohl nicht beklagen. 2008 bis 2015 waren ihre Insektendarstellungen, angefangen vom E.G.O.N. über Höfefest und Sonnenpark bis hin zum Landesmuseum, wohl nicht aus dem Stadtbild wegzudenken: übergroße Ameisen, Bienen und Mücken jeglicher Art, wobei viele – zumindest für den mit einschlägigem Filmgut sozialisierten Schreiber dieser Zeilen – auch immer etwas Fremdes, Alienartiges an sich hatten. Gegenständliches, mit heftigem Pinselstrich auf die Leinwand gebracht, befindet sich da an der Kippe zur Fast-Abstraktion. „Mich fasziniert dieses Kleinteilige an Insekten. Und inhaltlich ging‘s mir auch um Themen wie das Bienensterben, die Natur und ihre Bedrohung durch uns alle.“

Die große Freiheit

Das künstlerische Schaffen von Budweiser wandelte sich schon ein paar Mal. Geboren 1962 in St. Pölten begann sie bereits im Kindesalter zu zeichnen und zu malen. Sie besuchte die Designschule in der Wiener Spengergasse: „Die große Freiheit ...“, erinnert sie sich, „... war mir im Endeffekt wohl etwas zu frei.“ Sie brach ab und ging nach St. Pölten zurück, wo sie auf der HBLA weiter machte. Noch vor der Matura brachte sie allerdings schon ihre beiden Kinder zur Welt: „Das war auch zugleich der Startschuss zu einer vorzeitigen Malpause“, die 15 Jahre dauern sollte.
  Doch die Lust auf Kunst ließ Budweiser nicht los: „Ich hab‘ mit Aquarellen wieder angefangen. Sehr viel Aktzeichnungen, auch an der Akademie der Bildenden Künste; das Maß, der menschliche Körper, Proportionen – das hat mich irrsinnig fasziniert. Irgendwann bin ich dann zur Acrylmalerei gekommen.“ All das habe sie auch durch schwierige Zeiten wie die ihrer Scheidung getragen: „Ein bissl ein Rückzug, wo ich auch meinen Stimmungen freien Lauf lassen konnte.“ Sie goss das alles in eine künstlerische Form, die es ihr ermöglichte, auch Schmerz und Verletzungen zu reflektieren und für Betrachter gleichsam lesbar zu machen, womit sie vielerorts Interesse weckte: 2000 etwa mit ihren großformatigen „Kopfklischees“ im Stadtmuseum St. Pölten, 2002 auf der Ausstellungsbrücke „mit großen schablonenhaften Akten“, im selben Jahr im E.G.O.N. mit ihren Acrylbildern „Köpfe“. 2006 folgten Ausstellungen mit „Frauen­skulpturen“.
„Auch dadurch, dass meine Kinder halt so früh da waren, lebte ich in einer Art Korsett. Und, wie schon Virginia Woolf in ‚A Room Of Her Own‘ meint, Verwirklichung geht nur, wenn du Raum hast – du kannst nicht ewig am Kuchltischl malen.“ Im von ihren Eltern übernommen Haus in Spratzern richtete sie sich im Laufe der Zeit ein Atelier ein. Und diese Entspannung ihrer persönlichen Lebensverhältnisse führte letztendlich auch dazu, dass sich Budweiser, inzwischen ein Fan klassischer Musik, nun auch mit anderen Dingen künstlerisch beschäftigen wollte und konnte: „Die Verletzungen, das Schmerzvolle meiner früheren Werke gelangten mehr und mehr in den Hintergrund.“ Neben ihrer Zuwendung zur Natur entstanden Bilder wie die großformatigen Mischtechnik-Siebdrucke fürs Räderwerkfest 2010, „die einfach pure Lebensfreude ausstrahlten.“
Eine Menge Herzblut
Und nebenbei förderte sie auch immer wieder Kollegen, obwohl sie „künstlerisch eher eine Einzelgängerin“ sei. 2005 gründete sie mit ihrem nunmehrigen Lebensgefährten Peter Kaiser das sogenannte STOCKWERK in den Räumlichkeiten einer St. Pöltner Buchhandlung, in dem Ausstellungen, (szenische) Lesungen, Performances uvm. möglich waren. „Florian Nährer, Markus Polivka, Nina Maron, Alois Junek, Kurt Schönthaler oder Mark Rossell stellten dort aus, manche erstmalig. Und das alles mit sehr wenig Geld.“ Auf Dauer zu niedrige Zeit- und Geldbudgets zwangen nach drei Jahren zum Abbruch des Projekts. „Sowas fehlt heute, vor allem für die Jungen. So gut St. Pölten als Kunst-Biotop im Gesamten ist, so sehr fehlen Möglichkeiten für Junge im Bereich der bildenden Kunst. Und dass die Landesregierung für ein neues Museum in Krems der Landeshauptstadt die bildende Kunst ausräumt, während man ein vorhandenes Museum wie die Sammlung Essl skandalöser Weise vor die Hunde gehen lässt, also, das ist da auch nicht sehr hilfreich.“ Doch Maria Budweiser lässt sich davon nicht beirren.
Um noch einmal auf Virginia Woolf zurück zu kommen: „Die Klarheit und Schönheit ihrer Sprache hat mich immer beeindruckt.“ Und wahrscheinlich ist es auch das, was Budweisers Bilder und Objekte ausmacht: Klarheit, Schönheit … und eine Menge Herzblut.