MFG - Auf den Spuren der Oldies
Auf den Spuren der Oldies


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Auf den Spuren der Oldies

Text Ruth Riel
Ausgabe 03/2011

Unter jungen Leuten eilt ihnen ein schlechter Ruf voraus: Discos und Bars, in denen sich ältere Semester treffen, um zu tanzen und zu feiern. Wir schickten drei Jungspunde ins Rennen, um sich selbst ein Bild zu machen und dem Geheimnis des Erfolges der berühmt-berüchtigten „Oldiesabende“ auf den Grund zu gehen.

First Stop
Oldiesabend in der „Pizzeria Hausleitner“, Wilhelmsburg

Wenn man Mittwochabends nichtsahnend in der Pizzeria Hausleitner gemütlich ein Abendessen zu sich nimmt, wird man Zeuge eines eigenartigen Schauspiels.  Sukzessive stehen immer Leute auf und verschwinden im Keller. Des Rätsels Lösung:  Es ist OIdies Night. Vom oberen Teil des Lokals führt eine enge Stiege in den Keller hinab und dient sozusagen gleich als Laufsteg, denn kaum betritt man den Raum, wird man fürs erste einmal von oben bis unten gemustert.
Auffallend zu Beginn: Die Männer stehen in der einen Ecke des Raumes, die Frauen in der anderen. Mit zunehmendem Alkoholkonsum vermischen sich aber langsam die Gruppen und es wird alsbald getanzt, getanzt und – getanzt. Schlager, Oldies, Rock`n`Roll, Klassiker, kurzum alles, was nur irgendwie paarweise tanzbar ist, dröhnt aus den Lautsprechern.
Gerüchteweise sollen beim Hausi ja schon viele Pärchen zueinander gefunden haben. Begonnen hat alles 1973, als der „Hausleitner“ in Wilhelmsburg eröffnete, damals nur als kleine Bar mit Tanzmusik im Keller. Irgendwann kam die Pizzeria dazu. Der Keller hat sich aber als Tanzlokal gehalten und öffnet nach wie vor jeden Mittwoch seine Pforten zur Oldies Night. Ebensolange ist Kellnerin Christl schon mit an Bord. „Die Christl gehört schon zum Inventar!“, heißt es. Viele kommen nicht zuletzt wegen ihr sowie aufgrund der familiären Atmosphäre. So auch Petra, geborene Wilhelmsburgerin und jetzt wohnhaft in Wien, die mindestens einmal im Monat extra aus Wien anreist, um beim Hausi das Tanzbein zu schwingen. „Wenn wir kommen, ist immer ein Platz an der Bar für uns reserviert, und die Getränke stehen bereits da. Das macht halt das spezielle Flair aus. Außerdem trifft man hier viele Freunde“, erzählt sie. Und möglicherweise auch sein Herzblatt. „Viele kommen, wenn sie jung sind, zur Brautschau. Dann sieht man sie einige Zeit nicht, da sind sie verheiratet, und irgendwann kommen sie wieder, wenn sie geschieden sind“, verrät Christl.
Gitti, die Chefin des Hauses, zeigt uns eine Gruppe Männer mittleren Alters: „Die könnt ihr fragen, das sind Stammgäste!“ Einer in der Runde ist Manfred (44). Heute sei er nur zufällig mit zwei Freunden da, wenn, dann gehe er eher öfters Essen zum Hausi. Zu den Oldies-Abenden komme er selten: „Naja, ich bin hier alle zwei bis drei Jahre.“ Ob das wirklich stimmt, sei dahingestellt – das Lachen der Freunde scheint verräterisch. Allgemein gefällt Manfred die Atmosphäre im Lokal. „Aber Oldies-Abende gehen eh überall gut“, meint er. Geflunkert wird gleich einmal beim Beziehungsstatus. „Wir sind alle Single“, behauptet er anfangs verschmitzt. Im Laufe des Gesprächs rückt er aber raus: „Wir zwei sind verheiratet, einer ist frisch geschieden.“ Und die Frauen? „Na die haben wir natürlich zuhause gelassen“, lacht er. Sein Freund Christian (40) stammt aus der Nähe von Wilhelmsburg. Er kommt nur wegen der Oldies-Night zum Hausi. Was so Besonderes daran ist? „Eigentlich nichts. Es ist seit 20 Jahren dasselbe. Hier weißt du einfach, was dich erwartet.“ Tanzen gehe er aber nicht. „Hier kannst nur saufen.“ Bekennender Oldies-Abend-Fan ist Martin (42) aus Wilhelmsburg: „Ich bin sicher einmal pro Monat hier, einfach damit ich rauskomme.“ Martin ist Single. Ein Anziehungspunkt sei selbstverständlich auch das weibliche Geschlecht, bei dem er ab und zu auch Erfolge verbuchen kann, wie er verrät. Zum ersten Mal ist Walter hier. Der 20-jährige besucht prinzipiell selten Lokale: „Am liebsten bin ich bei Freunden eingeladen.“ Er vermisst ein größeres Disko-Angebot in der Hauptstadt. „Wohin willst du in St. Pölten noch gehen? Ab einem gewissen Alter interessiert dich das LaBoom auch nicht mehr!“ Beim „Hausi“ finde er alles, was er zum Fortgehen braucht: „Spaß mit meinen Freunden, gemütliche Atmosphäre, gute Musik – und keine Raufereien.“ In die gleiche Kerbe schlägt Thomas, der heute seinen 39. Geburtstag feiert: „Ich mag die Kellnerinnen und das gute Essen.“ Seine Prioritäten liegen eindeutig auf dem Tanzen, jemanden „abzuschleppen“ interessiere ihn hingegen nicht.
Um 2 Uhr morgens machen wir uns wieder auf den Weg und sind durchwegs begeistert vom Oldies-Abend. Für einen Mittwoch jedenfalls eine super Location zum Partymachen!
Next Stop
„La Luna” - Tanzbar, St. Pölten
Wir finden uns Samstagabend um halb zehn Uhr in der Disco „La Luna“ ein. Sitzplatz finden wir keinen mehr, fast alle Plätze sind besetzt oder reserviert. Glaubt man der Gerüchteküche, dann ist das „La Luna“ ein Stammlokal der älteren Semester, und tatsächlich scheint der Großteil der Gäste jenseits der 40 Jahre zu sein. „Früher waren die Gäste älter, jetzt sind sie ab 30 aufwärts. Ich würde sagen 45/50 ist der Schnitt“, so Alex, der heute Kellner ist. Er arbeitet seit vier Jahren im La Luna. Die Disco hat Freitag und Samstag ab 21 Uhr geöffnet, im Winter auch donnerstags, und sie grenzt an das Lokal „Fasslboden“ an, in dem man gut essen kann. Im Sommer lädt ein Gastgarten zum gemütlichen Verweilen ein. „Die meisten hier sind Stammgäste“, erklärt Alex. Die Musik ist dem Geschmack der Gäste angepasst. Oldies, die 70er, die 80er, Fox u. ä. erklingen. Viele Gäste kommen nur zum Tanzen, und weil sie gemütlich beisammensitzen möchten, wie z. B. Fatima (32) und Christine (18). Sie lieben im La Luna die „gute Atmosphäre und das nette Publikum“, wollen beim Fortgehen nur „Gaudi haben und tanzen“. Der älteste Besucher ist Josef „Pepi“. Der 82-Jährige nennt sich auch selbst „Disco-Opa“ und überzeugt trotz seines Alters mit feurigem Temperament: „Ich gehe überall fort – Krems, St. Pölten, jeder kennt mich. Am wichtigsten ist mir aber gute Tanzmusik, ich will ja schließlich noch tanzen“, erzählt er und begibt sich sogleich auf die Tanzfläche.
Nach einer Weile gesellt sich Wolfgang (39) zu uns. Mit einem Spritzer in der Hand beobachtet er das Geschehen. Er ist heute zum zweiten Mal hier. „Was ich so gehört habe, war das früher ja eine tiefe Box, z. B. bist als Mädl reingekommen und sofort mit den Augen ausgezogen worden. Aber anscheinend geht’s jetzt aufwärts.“ Er findet das Lokal jedenfalls „einfach leiwand, weil man hier viele Leute im mittleren Alter trifft.“ Wolfgang kommt aus Gföhl. Nachdem in Krems das „Hanger“ zugemacht hat, würden jetzt viele aus aus seiner Gegend ins La Luna fah-ren, „weil hier kennt dich keiner! Das ist ein Geheimtipp. Ich bin ein Typ mit Frau, mich muss nicht jeder kennen.“ Single ist Wolfgang also keiner. „Sie weiß, dass ich hier bin. Es ist gerade nicht so einfach bei uns.“ Während des Gesprächs hält er Ausschau nach potentiellen Tanzpartnerinnen:„Man muss die Frauen aber aktiv ansprechen, sonst wird das nichts!“, meint er und macht sich auf den Weg. So wie wir. Hier fühlen wir uns doch irgendwie im falschen Revier.
Last Stop
Oldiesabend im Fliegerbräu mit Chris Heart, St. Pölten
Donnerstag, 23 Uhr. Wir betreten das Fliegerbräu und werden, wie in allen Lokalen zuvor, von den Besuchern beäugt. In einer Ecke finden wir ein kleines Tischerl, der Rest des Lokals ist gut gefüllt. Kellner Hüseyin meint jedoch: „Sonst ist viel mehr los!“ Jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat gibt es den Oldiesabend mit Chris Heart, an dem Schlager und Oldies am Programm stehen. Jeden 2. und 4. Donnerstag wird bei der „Dance Night“ abgetanzt. „Da spielt es dann moderne Musik, z. B. war letzte Woche ein Salsa-Abend“, erzählt Hüseyin. Die Besucher heute Abend beschreibt er als 25+. Sie kommen zum Tanzen und Leute kennenlernen her. Viele sind Stammkunden, wie z. B. auch Boris und Franz. Dass die beiden just zur Oldies Night geraten sind, sei Zufall. „Wie ich das bemerkt habe, wollte ich erst gar nicht reingehen, weil da normalerweise zu viel los ist. Aber heute geht’s“, so Franz. Man merke aber schon deutlich, dass heute mehr ältere Leute anwesend sind. „Aber die Musik gefällt mir.“ Neben ihnen entdecken wir ein älteres Pärchen, das soeben von der Tanzfläche zurückgekommen ist. Die Frau erzählt:„Wir kommen speziell zum Oldiesabend. Sonst kann man ja nirgends tanzen gehen in St. Pölten.“
Unter den Gästen lernen wir einen Tiroler kennen: Der 50-Jährige Rudi ist beruflich in St. Pölten. Auf das Fliegerbräu wurde er durch das eigens gebraute Bier aufmerksam. Vom Lokal sowie der Oldiesnight ist er begeistert. „Das Essen ist wahnsinnig gut. Es hat sich wirklich ausgezahlt herzuschauen.“ Auch Hans (35) und Kurt (32) genießen ihren „exklusiven Männerabend“. „Wir wollen Spaß haben und lieben die lockere Atmosphäre. Nachdem wir aber vergeben sind, ist höchstens die Optik der Frauen interessant“, scherzen sie.
Werner (43) ist mit einer gemischten Gruppe hier. „Ich gehe gerne auf Oldiesabende, z. B. auch ins Herrenhaus oder nach Rabelsbach“, erklärt er, und fügt, auf seinen Freund deutend, hinzu: „Wir hatten vor fünf Jahren gleichzeitig eine Scheidung. Nachher war ich oft hier, meistens am Freitag.“ Zum Aufriss sei er heute nicht hier, „ich gehe aber gern tanzen!“
Wir plaudern noch eine Weile mit der netten Runde, gegen halb eins verlassen wir schließlich das Lokal, womit die Mission „Oldies-Tour“ offiziell beendet ist. Eine gewisse Erleichterung macht sich breit, immerhin sind drei Oldiesabende innerhalb einer Woche für uns Jungen doch ein bisschen gar viel.
Unser Fazit
Ob jung oder alt, ob mit oder ohne Alkohol im Blut, man wird schnell von der Stimmung angesteckt. Und auch wenn wir fürs Erste einmal genug von Oldiesabenden haben, so können wir uns durchaus vorstellen, in 20 Jahren selbst zu den Stammgästen zu zählen. Vorausgesetzt dass sich bis dahin der Musikstil für alle Ü40 Richtung Moderne entwickelt, nur das werden dann auch schon wieder Oldies sein. Kurzum: Auch für uns wird es kein Entrinnen geben, und auch wir werden uns in Lokalen herumtreiben, welche die Jungen abfällig als „Krampfadernbars“ titulieren. Nur: Die sind besser als ihr Ruf!