St. Pölten macht Gestaltungsbeirat zum „Inside Job“
Text
Johannes Mayerhofer
Ausgabe
09/2025
2020 wurde der unabhängige Gestaltungsbeirat installiert. Mit der Konsolidierung der Gemeindefinanzen sollen nun 50.000 Euro bei dem Gremium eingespart werden. Zeit für ein Résumé seiner bisherigen Arbeit und die Frage: Wie geht es weiter?
Als Landeshauptstadt ist St. Pölten, was Bautätigkeit und Stadtwachstum angeht, ein dynamisches Pflaster. Um „nachhaltigen und funktionalen Städtebau“ zu ermöglichen, wurde vom Gemeinderat im Jahr 2020 der Gestaltungsbeirat ins Leben gerufen. Ein unabhängiger dreiköpfiger Expertenkreis aus Architekten, Raum-, und Stadtplanern mit beratender Funktion. Er sollte Empfehlungen bezüglich geplanter Bauprojekte zur Sicherstellung der architektonischen Qualität abgeben. Die Richtschnur für seine Urteile waren und sind das NÖ Raumordnungsgesetz 2014, die NÖ Bauordnung 2014 sowie das Örtliche Raumordnungsprogramm der Stadt St. Pölten. Der grobe Ablauf: Relevante Bauprojekte werden beim Gestaltungsbeirat eingereicht, seine Geschäftsstelle macht eine Vorbegutachtung. Unvollständige Unterlagen müssen ergänzt, widerrechtliche Projekte abgeändert werden. Bauwerber können anschließend ihr Projekt beim Gestaltungsbeirat vorstellen, auch sind Projektbesichtigungen durch die Experten vorgesehen. Die finale Abstimmung bezüglich eines Projekts erfolgt unter Ausschluss der Projektwerber.
140 Projekte, 47 Sitzungen, 317 Protokolle
Was hat der Gestaltungsbeirat die vergangenen knappen fünf Jahre geleistet, auf welchen Mehrwert kann man verweisen? „In diesem Zeitraum gab es 47 Sitzungen des Gestaltungsbeirats“, erklärt Wolfgang Lengauer, der Leiter der Baudirektion des Magistrats. 140 Projekte wurden behandelt, 317 Protokolle wurden erstellt – folglich befasste sich der Gestaltungsbeirat 317-mal mit Projekten! Von diesen wurden ca. 95% mit Auflagen positiv beurteilt worden.“ Der Diplomingenieur kontert damit die Kritik, dass es aufgrund hoher Fluktuation im Gestaltungsbeirat zu Verzögerungen seiner Arbeit kam. „Es wurden im Durchschnitt fast sieben Projekte behandelt.“ Unter der Berücksichtigung des Aufwands pro Projekt (Vor-Ort-Besichtigung, Vorbesprechung und Vorstellung des Projekts seitens der Planer sowie der Erstellung des Protokolls) sei die Kritik aus Lengauers Sicht unberechtigt.
Wie viel Macht hat der Gestaltungsbeirat tatsächlich auf die baurechtlichen Entscheidungen? Zwar ist die Gruppe wie oben erwähnt nur beratend tätig. Bei Projekten, welche in den Geltungsbereich der Bebauungsbestimmungen für Schutzzonen fallen, kann die Baubehörde aber nur nach expliziter positiver Beurteilung des Gestaltungsbeirats die Baubewilligung erteilen. „Ein weiteres Thema ist, wenn Projektanten Ausnahmen von den geltenden baurechtlichen Bestimmungen wollen, und das sind die allermeisten“, schildert Lengauer. „Auch in solchen Fällen kann eine Abweichung nur durch den Gestaltungsbeirat als qualifiziertes Gremium geschehen.“
Private und gewerbliche Bauherren ziehen Fazit
Das Projekt von Helmut Waigmann war ein solcher „Fall“. Der ramponierte Altbau seiner Schwiegereltern in der Fuhrmannsgasse 12 war nach der Schutzzonenverordnung als „für das Ensemble bedeutsamer Bau“ eingestuft. „Unser Projekt war mit eines der ersten privaten Bauprojekte, die durch den im Jahr 2020 neu installierten Gestaltungsbeirat der Stadt St. Pölten genehmigt werden musste“, erklärt der pensionierte Baumeister. Der zuvor dort stehende Altbau wurde mit baubehördlicher Genehmigung abgerissen. Die Baupläne für ein neues Wohnhaus, in enger Abstimmung ausgearbeitet vom Architekten Helmut Haiden, wurde dem Gestaltungsbeirat vorgelegt. Der Ablauf war aus Waigmanns Sicht zumindest am Beginn kritikwürdig: „Damals hat die COVID19-Pandemie zu stark verzögerten Beiratssitzungen geführt. Jedenfalls wurde der erste Planungsentwurf vom Gestaltungsbeirat stark beeinsprucht, sodass eine komplette Neuplanung nötig war“, erzählt der St. Pöltner. Andere Vorstellungen hatte das Gremium unter anderem in Bezug auf die Fenster, die Lage einer Rampe ins Tiefgeschoss, die Fassadenfarbe, der Belichtung et cetera. Er und seine Frau seien als Bauherren in dieser ersten Sitzung nicht eingeladen worden. „Wir konnten daher unsere Planungswünsche zu diesem Zeitpunkt nicht persönlich erläutern.“ Die nötigen Umplanungen wurden in folgenden Sitzungen des Gestaltungsbeirats ausdiskutiert und verbessert. Der Bauherr spricht davon, dass „Missverständnisse ausgeräumt“ werden mussten. Unterm Strich kam es zu Verzögerungen und Mehrkosten. Dennoch zeigt sich Waigmann, der selbst als Baumeister unter anderem Verantwortung für Bauarbeiten im St. Pöltner Regierungsviertel trug, mit dem Ergebnis zufrieden. Heute steht in der Fuhrmannsgasse 12 ein von seiner Familie genutztes Haus mit zwei Wohneinheiten, einer Tiefgarage für vier Autos, einem kleinen Schwimmbecken, einer PV-Anlage und Wärmepumpe. Aus Sicht Waigmanns und des Gestaltungsbeirats fügt es sich harmonisch in die Umgebung ein.
Überaus positive Erfahrungen mit dem Gestaltungsbeirat machten Leo und Sohn Andreas Graf vom gleichnamigen Dreisterne-Hotel und Gasthaus am Bahnhofplatz 7. Der Betrieb, der seit 1953 besteht, 35 Zimmer umfasst und knapp 20 Mitarbeiter beschäftigt, soll im Bereich der Brunngasse 16 erweitert werden. „Geplant ist ein neues Gebäude mit Zimmern, Apartments und Geschäften. Das ehemalige Geflügelhaus Wech und das China-Restaurant „Happy Family“ sollen zu dem Zweck abgerissen werden“, erklärt Leo Graf. Fünf Sitzungen mit dem Gestaltungsbeirat haben Andreas und Leo Graf bereits absolviert. Sie bestätigen die hohe Fluktuation. „Mit jedem neuen Experten kommen natürlich neue Themen auf. Jeder Architekt sieht Dinge anders.“ Das sehen die beiden allerdings nicht negativ, ganz im Gegenteil. „Von denen kamen wirklich gute Vorschläge, auf die man selber gar nicht gekommen wäre.“ Dabei fokussiert der Beirat auf alle Aspekte, die für die Außenwirkung und das Stadtbild von Relevanz sind. So lieferte der Beirat den Grafs Ideen bezüglich der Dachrinne, der Fassade, der Platzierung von Fenstern und so weiter. Losgehen soll das Bauprojekt idealerweise im Frühjahr 2026.
Externe werden durch interne Experten ersetzt
Welche Änderungen stehen beim Gestaltungsbeirat nun an? Im Juli 2025 beschloss der St. Pöltner Gemeinderat ein Sparpaket 2025/26 im Volumen von 21,5 Millionen Euro. 50.000 Euro sollen demnach beim Gestaltungsbeirat eingespart werden. Konkret ist vorgesehen, die bisherigen externen Fachleute durch interne zu ersetzen. Die Kosten des Gremiums sind sehr davon abhängig, wie viel gebaut wird. So gab St. Pölten im Jahr 2023 gut 88.000 Euro für diesen Posten aus, 2024 waren es gut 48.000 Euro. Die Begründung: „In dem Jahr war Bausperre in der Innenstadt. Das bedeutet weniger Arbeitsstunden für die Experten“, erläutert Lengauer. Die Honorarkosten der Fachleute bilden fast eins zu eins die Kosten des Beirats ab. Daher halte man das Einsparungspotential von 50.000 für 2026 für sehr realistisch. Die Gefahr, dass durch die interne Besetzung die Unabhängigkeit des Beirates passé sei oder politische Besetzungen vorgenommen werden, sieht die Stadt nicht. „Politische ‚Hawara‘ werden dort nicht landen, weil keine politischen ‚Hawara‘ dort eingebunden sind“, stellt Lengauer klar. Die internen Amtssachverständigen müssen eine einschlägige Hochschul- oder Universitätsausbildung mit langjähriger Expertise im Gebiet der Architektur, Konservierungsarchitektur, Denkmalpflege und des Städtebaus in gewachsener historischer Struktur nachweisen. Auch die Hoteliers Andreas und Leo Graf sehen den geplanten Neubesetzungen optimistisch entgegen, glauben auch nicht, dass Leute „politisch“ ins Amt gehievt werden. „Außerdem“, so eine Bemerkung Leo Grafs , „glaube ich nicht, dass sich jemand um diesen Job reißt.“






