MFG - Wenn junge Liebende zu alten Deppen werden
Wenn junge Liebende zu alten Deppen werden


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St. Pöltens gute Seite

Wenn junge Liebende zu alten Deppen werden

Text Andreas Reichebner
Ausgabe 12/2023

Kaum zu glauben, vor 40 Jahren gegründet, spielt die St. Pöltner Theatergruppe Perpetuum immer noch und trägt ihr Wesentliches zur Beseelung der hiesigen Kultur- und Kunstszene bei. Im Jubiläumsjahr nehmen sie sich mit dem von Gründungsmitglied Gerhard Egger bearbeiteten Sommernachtstraum von Shakespeare selbstironisch auf die Schaufel. Neben dem gesamten Ensemble sind diesmal auch vier junge Schauspielende mit auf der Bühne zu sehen.


Hinlänglich bekannt sollte mittlerweile der 40-jährige Gründungsmythos rund um den schauspielaffinen Gymnasialprofessor Bernhard Paumann sein. Hier noch mal eine Kurzversion für die Unwissenden und Spätgeborenen: 1983, eine Wohnung in der Josefstraße, ein Deutschprofessor, ehemalige Schüler und ein Abend voller Blödsinn oder war es einfach eine „besoffene G´schicht“ (Zitat Paumann) im Gasthaus Bierbrunnen. Egal, was danach kam, ist eine veritable Erfolgsgeschichte einer Gruppe von theaterversessenen Menschen. „Ich kann es immer noch nicht glauben, dass so etwas so lange hält“, erzählt Georg Wandl, der zwei Jahre nach der Gründung zur Gruppe stieß, „und dass ich jetzt mit meiner Frau Daniela und mit unserer Tochter Emma gemeinsam auf der Bühne stehe, ist einfach sensationell super.“ Und damit sind wir schon mittendrin in einem der wenigen Dilemmas, die Perpetuum umgibt, bei den Nachwuchssorgen.

Erneuerung erwünscht
„Wir müssen uns erneuern“, formuliert es der zweite Mastermind der Gruppe, Fritz Humer drastisch, „denn wer will auf Dauer nur uns Alten auf der Bühne zusehen.“ Da ergibt es sich vortrefflich, dass bei der Jubiläumsproduktion vier junge Schauspielende die Arbeit mit den etablierten Ensemblemitgliedern auf der Bühne nicht scheuen. „Arbeitsintensiv ist es allemal, das musst du schon wollen, um langfristig dabeizubleiben, denn pro Produktion sind 30 Proben unser Maßstab“, so Humer. Mit Rosalie und Leonhard Denk, die Zwillinge von Susanne Denk, und Emma Wandl, steht, wie es Papa Georg Wandl ironisch auszudrücken pflegt, „genetischer Nachwuchs“ erstmals auf der Perpetuum-Bühne. Das neue Triumvirat vervollständigt Tobias Brunner, der in Emmas Schultheatergruppe agiert. „Ich finde das cool, vier Leute ohne Erfahrung. Da ist es besonders wichtig, dass wir mit Regisseur Richard Schmetterer einen Mann haben, der durch seine Arbeit im Dschungel in Wien viel Erfahrung mit Jugendlichen hat. Er ist offen und direkt, hat einen super Draht zu den Vieren“, weiß Georg. 
Schmetterer war auch schon Regieführender bei der 30-Jahr-Jubiläums­produktion, der Uraufführung von „Sherlock Holmes und das Geheimnis des Illusionisten“ des St. Pöltner Literaten Thomas Fröhlich. Dass es auch immer zu Erstaufführungen von Stücken kam, zeigt die über Jahrzehnte immer weiter entwickelte Qualität und Professionalität der Amateurtheatergruppe. Schon längst prallt der unselige Ausdruck „Laientheater“ an den exzellenten Aufführungen der Gruppe ab. „Gehasst habe ich diesen Ausdruck. Was soll das, ich habe noch nie von Laienmalern oder Laienfotografen gehört, also warum dann Laienschauspieler? Laie ist nur verletzend“, kann sich Humer noch immer wegen dieses Ausdrucks in Rage reden. Denn er weiß genau, dass die Weiterbildung des Schauspielteams bei Leuten aus der Lecoq-Schauspielschule oder vom Reinhardt-Seminar immer eine der Priorität von Perpetuum war und ist. 
„The Black Rider“ und speziell „Kunst“ rund um die Jahrtausendwende, sind für beide eine gewaltige Zäsur in der Geschichte der Theatergruppe. Ersteres war eine Riesenproduktion, die auch von der Bühnentechnik einiges abverlangte, und in Kunst von Yasmina Reza spielten sich Georg und Fritz gemeinsam mit ihrem verstorbenen Freund Heimo Huber in lichte Höhen. „Heimo als Ivan war einfach ganz großes Theater”, erinnert sich Humer. Ein besonderer Einschnitt war seit 2002 auch die Möglichkeit, die von der Stadt St. Pölten geboten wurde, das ehemalige Forum-Kino als Theaterstätte zu benützen. Vorher vagabundierte man durch die Stadt, fand unter anderem im Hippolythaus, in der Fabrik, zu dieser Zeit Österreichs größte Disco, ebenso eine Spielstätte wie im Theater im Museum, in der Bühne im Hof, im Südpark St. Pölten, in der ehemaligen Synagoge, im Gasthaus Koll, im Kulturhaus Wagram oder im einstigen C2-Kino.  „Sensationell, dass wir das Forum-Kino haben, dass wir dort proben können, wo wir auch spielen“, weiß Georg Wandl.

Publikum mitgealtert
Über die Jahre hat sich viel Publikum um die Gruppe geschart, Aufführungen im ehemaligen Forum-Kino sind mittlerweile zum Kult geworden, die man nicht versäumen möchte. Nur, das Publikum altert mit der Gruppe mit. „Wir hätten gerne mehr junge Leute im Publikum“, so Georg, der natürlich auch selbstkritisch hinterfragt, „wer will schon als junger Mensch uns Alten Theater spielen sehen?“ Ein Umstand, den Fritz und Georg schon anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums mit dem Redakteur dieses Artikels intensiv besprachen. Damals formulierte es Fritz auf die Frage, wie es denn in den nächsten Jahren mit Perpetuum ausschauen sollte, so: „Wir fragen uns das natürlich auch oft, dabei gibt es zwei verschiedene Ansätze. Georg, glaube ich, möchte das Ganze mit ins Grab nehmen, aber ich denke mir, es soll nachher auch was sein, man bräuchte 20-jährige, die das übernehmen können und wollen. Nur ist es halt schwierig, neu zur Gruppe zu stoßen, als junger Mensch zu Endvierzigern einen Zugang zu finden.“ Nun geht es nicht mehr um Endvierziger sondern schon um Endfünfziger und seitdem ist lediglich Iris Teufner als jüngeres Ensemblemitglied bleibend dazugestoßen. Aber Hoffnung, dass es noch etliche Jahre so weitergeht, bleibt, denn wie sprach Georg Wandl vor zehn Jahren im Interview mit MFG: „Es wäre schon cool, wenn es nach mir Perpetuum auch noch geben würde, vielleicht spielt dann unsere Emma, aber nur spielen, aber nix hakeln, geht halt auch nicht, da bin ich ein bisserl pessimistischer.“
Und siehe da, in der heurigen Jubiläumsproduktion ist Emma neben Papa und Mama Daniela schon dabei. Und im aktuellen Sommernachtstraum, den Gerhard Egger speziell auf Perpetuum zugeschnitten und bearbeitet hat, wird auch sehr viel auf die Theatergruppe selbst projiziert werden „Wir nehmen uns da selbst auf die Schaufel, denn es geht um eine dilettierende Theatergruppe, die das dem Publikum vorspielen möchte. Dabei sind viele witzige Andeutungen und Anspielungen auf uns inkludiert. Da gibt es etwa die jungen Liebenden, die sich in alte Deppen verwandeln, die noch immer glauben, dass sie jung sind. Toll ist auch, dass wir alle aktiven Schauspielenden unserer Gruppe auf die Bühne bringen können. Zusammen mit den vier jungen Akteuren sind 17 Menschen auf der Bühne.“ 
Jedes Stück ist eine neue Herausforderung für Perpetuum, denn nicht nur das Proben ist mühsam, sondern auch das Hereinbringen der Kosten von 15.000 bis 18.000 Euro pro Produktion. „Aber es geht sich immer irgendwie aus“, freut sich Humer, der etliche Stücke für die Zukunft im Auge hat, wie etwa „Shakespeare in Love“, „Die Frau in Schwarz“, „Heilig Abend“ oder „Norway today“. Aber da muss er sich ohnedies mit Georg und dem Team absprechen. „Wir sind nicht homogen in den Auffassungen, wie Theater sein soll. Aber die Meinungsvielfalt ist, denke ich, ein interessanter Faktor in der Geschichte von Perpetuum“, sagt Georg dazu.