MFG - Wie die Pfeife, so das Spiel
Wie die Pfeife, so das Spiel


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St. Pöltens gute Seite

Wie die Pfeife, so das Spiel

Text Thomas Schöpf
Ausgabe 09/2012

18 Jahre hat es gedauert, bis Niederösterreich nun mit dem Tullner Markus Hameter wieder einen der sieben österreichischen FIFA-Schiedsrichter stellt. Der letzte war der St. Pöltner Roman Steindl, der nach wie vor Nachwuchsspiele pfeift und im Gespräch mit MFG technische Hilfsmittel begrüßt, von der Stippvisite von Silvio Berlusconi erzählt und mit einer Mär aufräumt,.

Mit dem Confederations Cup 2013 in Brasilien – der Kontinental-Meisterschaft der FIFA mit Brasilien, Spanien (Welt- und Europameister), Italien (EM-Finalist), Uruguay (Sieger Copa América), Mexiko (Gold-Cup-Sieger), Japan (Asienmeister), Tahiti (Ozeanien-Meister) und dem noch zu kürenden Afrika-Meister 2013 – wird ein Paradigmenwechsel im internationalen Fußball eingeleitet. Erstmals lässt der Weltverband technische Hilfsmittel zu. Das drahtlose System „GoalRef“ erkennt dank magnetischer Felder im Tor, ob ein Ball die Linie mit vollem Durchmesser passiert hat – und übermittelt es dem Schiedsrichter mittels Vibration auf dessen Uhr.
St. Pöltens einziger ehemaliger FIFA-Schiedsrichter, Roman Steindl (64), ist erfreut: „Alles, was den Schiedsrichter entlastet, ist zu begrüßen.“ Das Spiel dürfe aber nicht ständig gestört werden. „Die Frage Tor oder nicht Tor hatte ich in meiner rund 20-jährigen ‚Profi-Karriere’ aber nur zwei Mal, und einmal habe ich mich auf den Linienrichter verlassen müssen, der leider falsch lag.“
In seiner Zeit – 1983 bis 1995, davon von 1988 bis 1994 als FIFA-Schiedsrichter – wurde noch nicht jede Entscheidung per TV-Beweis zerlegt. „Gott sei Dank“, so Steindl, „heute haben sie ja bei Spitzenspielen teilweise 20 Kameras rundherum und bei jeder Abseitsentscheidung wird eine Linie gezogen, ob nicht vielleicht ein Spieler doch noch eine Brustwarze vorne hatte.“
Besonders schlimm sei, dass die Beobachter – Schiris, die ihre Kollegen per Datenblatt bewerten – heutzutage für ihre Beurteilung auch schon die Superzeitlupen heranziehen. „Das kann man schon hinterfragen, ob da nicht die gleichen Voraussetzungen für beide gelten sollten“, meint Steindl. Steindl war die Nummer vier von Österreich
Er selbst hat es seinerzeit bis zur Nummer vier im Land gebracht und war somit einer von sieben FIFA-Schiedsrichtern Österreichs. Einmal war er knapp davor, auf Position zwei hinter dem legendären Helmut Kohl aufzurücken. „Dann habe ich leider die Partie Vienna gegen Salzburg verpfiffen, ein Handspiel vom Salzburger Oliver Bierhoff einem Vienna-Spieler zugeordnet, Elfer und Ausschluss gegeben und danach auch noch einiges falsch entschieden.“ Das ärgert Steindl heute noch: „Weil ich mir nicht erklären kann, warum damals soviel schief gelaufen ist.“  Dennoch brachte er es auf einige internationale Partien: „Am schönsten war es mit den Engländern und Holländern. Die haben Entscheidungen immer gleich akzeptiert. Am schwierigsten waren die Italiener und Portugiesen. Da wird ständig lamentiert und versucht, Elfer und Freistöße zu schinden.“
Nicht zu vergessen, die ständige verbale Bearbeitung durch Trainer und Spieler. „In der Hinsicht war Otto Baric am schlimmsten. Der hat nie damit aufgehört. Hansi Müller zum Beispiel war während des Spiels extrem, aber nachher sofort wieder ein netter Gesprächspartner.“ Und Steindl räumt sogar mit einer Mär auf: „Der Andi Ogris war ein ganz ein Braver. Der hat zwar immer wild gestikuliert und mit den Händen gefuchtelt, dass es für die Zuschauer ganz schlimm ausgeschaut hat. In Wahrheit hat er dabei aber Sätze gesagt wie ‚Entschuldigen vielmals, lieber Herr Steindl, ich glaube da liegen sie jetzt falsch.’ Der Manfred Zsak war genauso abgedreht.“ Dinner mit Silvio Berlusconi
Bestechungsversuch hat Steindl keinen erlebt. Einmal sei es aber grenzwertig gewesen. „Vom AC Milan sind wir, ich und meine zwei österreichischen Linienrichter, vor dem Champions-League-Spiel gegen Laibach in ein Restaurant direkt neben dem Mailänder Dom eingeladen worden. Silvio Berlusconi hat als Klubchef auch kurz vorbei geschaut. Dort hat jeder einzelne Gang damals umgerechnet zwischen 600 und 1.000 Schilling gekostet. Wir wollten lieber in ein normales Lokal wechseln. Die Milan-Delegation hat nur laut gelacht und gemeint, dass bei ihnen jeder Spieler mindestens eine Million im Monat kriegt und dass das in Relation ja überhaupt nicht ins Gewicht fällt.“ Milan hat tags darauf 4:0 gewonnen – was allerdings bei Spielern wie Gullit, van Basten, Papin oder Donadoni nicht außergewöhnlich war.
Verprügelt wurde Steindl nie. „Nicht einmal im Hanappi Stadion, nachdem ich gegen Sturm zwei Rapidler ausgeschlossen habe. Allerdings hatte ich da auch jede Menge Polizeischutz.“ Eng wurde es nur ein Mal, erst vor ein paar Jahren im Waldviertel, bei einem Nachwuchs-Spiel (!) in Schrems. Die hiesige U16-Auswahl vergeigte im letzten Heimspiel vor 800 aufgebrachten Besuchern den ersehnten Landesmeistertitel. „Da bin ich schnell geflüchtet und nur knapp ein paar Schlägen entkommen. Mein Auto blieb auch immer unversehrt“, lacht Steindl heute darüber.
Ein paar Jahre wird der ehemalige selbständige Handelsvertreter noch Nachwuchsspiele im Raum St. Pölten pfeifen. „Für mich ist das nach wie vor ein schönes Hobby an der frischen Luft mit viel Bewegung.“ Nachfolger hat er quasi erst jetzt einen gefunden. 18 Jahre nachdem Steindl sein letztes internationales Spiel gepfiffen hat (mit 45 Jahren muss Schluss sein), hat mit dem Tullner Markus Hameter vergangenen Juli erstmals wieder ein Niederösterreicher als FIFA-Schiedsrichter gepfiffen. Und das, obwohl der Niederösterreichische Fußballverband (NÖFV) der mit Abstand größte Landesverband in Österreich ist.