MFG - Philipp Gravenbach – Die Spitze des Eisbergs
Philipp Gravenbach – Die Spitze des Eisbergs


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Philipp Gravenbach – Die Spitze des Eisbergs

Text Thomas Fröhlich
Ausgabe 12/2023

Action-Thriller made in STP? Nein, das ist jetzt keine Scherzfrage. Der Autor Philipp Gravenbach hat nicht nur seinen ersten einschlägigen Roman bei Ullstein veröffentlicht und seinen zweiten in der Pipeline– er verleiht dem Genre auch einen hübsch schlagkräftigen Twist. Zeit für ein Gespräch, bei dem gottseidank nur mit Worten scharf geschossen wird.

Obgleich es draußen nicht mehr sonderlich warm ist, bittet der Autor um ein Gespräch im Freien. Im Café Schubert drinnen sei es ihm heute zu laut. Und überhaupt. Nun ist der Herrenplatz ja nicht eben der hässlichste Platz St. Pöltens und mit viel Fantasie kann man sich dabei in eine italienische Stadt versetzt fühlen. Was wiederum gut zu Philipp Gravenbachs erstem Action-Thriller passt, der sich zu einem nicht geringen Teil in der „Ewigen Stadt“ Rom abspielt. Wobei in besagter Story Teile Roms (literarisch) ziemlich devastiert werden, was man dem Herrenplatz nun doch nicht wünscht. „Lokalkrimis haben mich nie interessiert“, meint Gravenbach irgendwann; und man ist froh, dass er seine Zerstörungsorgie nicht in St. Pölten verortet. Im Grunde wollte er immer etwas schreiben, was er selbst gerne lesen täte. Und so geht’s in seinem ersten, in knapper, präziser Sprache verfassten Thriller (der erste einer Trilogie), Der 8. Kreis, um eine türkische Auftragskillerin namens Ishikli Caner, die sich aus dem Mords-Geschäft zurückziehen möchte und stattdessen in eine Riesenverschwörung, in der auch Mitglieder des Vatikan eine unrühmliche Rolle spielen, hineingestoßen wird. Mit Hilfe eines abgehalfterten Journalisten, eines MAD-Offiziers und einer Ex-Polizistin kämpft sie dagegen an, da das Leben ihres Bruders (und nicht nur das) auf dem Spiel steht. Wie Gravenbach auf eine türkische Protagonistin kommt? „Die türkische Kultur hat mich immer schon fasziniert, und auch, wie leider in den Medien damit umgegangen wird.“ Er spart bei aller krachender Action und dem einen oder anderen SciFi-Element die Realität nicht aus, etwa die Rolle der türkischen Grauen Wölfe, „einer brandgefährlichen Organisation“, wie er immer wieder betont. „Und ich wollte eine Frau als Hauptperson, die über einen spannenden Charakter verfügt. Die meisten Action-Thriller kommen ja aus den USA – und dort gibt’s halt meistens einen männlichen Held, der dann die Welt rettet. Ich wollte das ein wenig anders haben.“ Die Schauplätze seines Romans sind international, was gut zum Lifestyle des gebürtigen St. Pöltners passt: „Ich habe in Montpellier, einer französischen Universitätsstadt sowie in Berlin gelebt.“ Aus privaten Gründen ist der promovierte Jurist nun wieder in St. Pölten gelandet, „aber mich zieht’s schon wieder in die Ferne. Ich werde rastlos, wenn ich zu lange am selben Ort lebe.“
Gravenbach, der auch als Moderator recht gefragt ist und selbst schon Krimi-Events organisiert und veranstaltet hat, ist nicht zuletzt bei Lesungen von Eigenem in seinem Element. Viele halten ihn ob seiner einnehmenden Stimme und sprachlichen Finesse für einen Schauspieler, was er aber verneinen muss. „Ich stehe gerne auf der Bühne, solange ich einen Abstand zum Publikum habe.“ Er erinnert sich: „Im Kindergarten bin ich auf einen Sessel gestiegen und habe Geschichten erzählt. Plötzlich war’s still. Da hab‘ ich gemerkt, welche Macht Geschichten haben können.“ Irgendeiner Szene fühle er sich hingegen nicht zugehörig, „und schon gar nicht in St. Pölten. Ich tu‘ mir schwer, mich in sozialen Gefügen einzufinden.“ Er ist auch keiner, den man an irgendwelchen Stammtischen oder in „lustigen Runden“ findet. „Obwohl ich mich gerne mit Menschen treffe, die für mich eine Bereicherung darstellen.“ Er gehe auch gerne ins Kaffeehaus oder überhaupt ins Freie, „zum Arbeiten“. Und oftmals „klopft eine meiner fiktiven Figuren an meine Tür, etwa ein Kriminalkommissar, der grad seine Tochter verloren hat, und sagt: ‚Du, ich habe da eine Geschichte zu erzählen.‘“ Und die schreibe er dann auf. „Ich stelle über jede meiner Personen eine Biografie zusammen, überlege mir, wo wohnt sie, was isst sie so, wann steht sie auf und so weiter.“ Nur so sei eine literarische Glaubwürdigkeit gegeben und seien persönliche Entwicklungen der Figuren möglich.
Wie er an den Ullstein-Verlag gelangt ist? Denn als jemand, der gleichsam „neu“ im Metier ist, ist die Zusage eines Großverlags ja nicht irgendwas. „Also ohne Agenten geht gar nichts. Aber mein Agent Günther Wildner ist da wirklich ziemlich dahinter. Am Anfang gab’s trotzdem eine Absage nach der anderen, aber auch Begeisterung. Das Türkei-Setting der Hauptperson war halt für manche ein Problem. Dann kam das Manuskript an den Ullstein-Verlag: die dortige Lektorin gab das zusätzlich einer Kollegin, um das 4-Augen-Prinzip zu erfüllen. Und diese Kollegin arbeitete früher für den Rowohlt-Verlag, kannte und mochte den Text. Voilà!“ 
Was gut geschriebene Geschichten angeht, ist der Autor ja ein Verfechter der so genannten Eisberg-Theorie: „Das Gedruckte, die Spitze, ist eine Sache. Aber der Lesende muss nun den Berg darunter erkennen.“
Neben literarischen Inspirationsquellen wie etwa dem französischen Thriller-Autor Jean-Christoph Grangé und filmischen Vorbildern wie Luis Buñuel schätzt er „so ziemlich alles, was zwischen 1960 und 1980 an Filmen aus Frankreich kam.“ 
Gravenbachs Lebensmotto? „Wenn du eine Sache findest, für die dein Herz brennt … go for it! No matter the cost!“
Da ähnelt er, der bestrebt ist, „möglichst wenig Gravenbach“ in seine Figuren einfließen zu lassen, dann doch ein wenig seiner Protagonistin Ishikli Caner. 
Womit sich der (8.) Kreis fürs Erste schließt.