"Du lernst, was du brauchst"
Text
Beate Steiner
Ausgabe
St. Pölten ist so etwas wie ein genialer Gründer-Hotspot in Österreich. Start-ups mit innovativen Geschäftsideen räumen Preise ab und beleben erfolgreich die Wirtschaft. Auch dank der Unterstützung des einzigartigen Netzwerks vor Ort.
Der eine entwickelte eine Simulationssoftware, für die sich bereits die Europäische Weltraumorganisation ESA interessiert. Der andere erzeugt emissionsarme Energie plus zusätzlichen Ökostrom aus Biomasse. Der dritte verbessert ChatGPT. Nur drei von fünf Start-ups aus der Region, die heuer beim riz up GENIUS Ideen- und Gründerpreis prämiert wurden. „Von sechs nominierten St. Pöltner Projekten haben fünf einen Award bekommen“, ist Gründerbeauftragter Wolfgang Kern stolz auf die erfolgreiche Teilnahme „seiner“ Teams beim niederösterreichweiten Wettbewerb. „Da waren zwei dabei, die kurz vorher noch unsicher über die Qualität ihrer Idee waren und gefragt haben, wie und ob sie überhaupt einreichen sollten.“ Der Erfahrungsaustausch mit den anderen Teilnehmern beim Meeting der founders-stp haben die jungen Unternehmer dann überzeugt – und ihnen zum Preis verholfen.
„Den Aufbau eines Unternehmens kann man sich wie einen Trichter vorstellen“, verdeutlicht Hannes Baumgartner. Ganz oben steht die Idee, gepaart mit unternehmerischem Denken. Dann folgt die Gründungsaktivität beim Aufbau. „Viele bleiben in dieser Phase noch zur Sicherheit bei ihren ursprünglichen Dienstverhältnissen“, weiß Wolfgang Kern. Und zum Schluss folgt die Phase der Beschleunigung bei der Wachstumsaktivität.
Wie macht das St. Pölten, dass Jungunternehmer quasi das nötige Rüstzeug erhalten, um ihre Ideen erfolgreich umzusetzen? Wie funktioniert diese außergewöhnliche Zusammenarbeit zwischen einem öffentlichen Verein und dem Magistrat? Private Public Partnership nennt sich diese Konstellation, die sich bereits bei der Marketing St. Pölten GmbH und der stp*Plattform bewährt hat. Beim privaten Verein founders-stp kann jeder mitmachen, sich einbringen, sich Informationen holen. „Der Verein ist für alle da, jeder hilft jedem, bei jeder noch so blöden Frage“, sagt Hannes Baumgartner, Obmann der founders. Neue und erfahrenere Gründer treffen bei den Meetups aufeinander, die einen lernen, die anderen geben ihr Wissen weiter. „Du lernst, was du brauchst, von unten angefangen. Es ist immer besser Experten zu fragen und damit das Risiko abzutesten und sich nicht Ratschläge bei Tante und Onkel zu holen und sich dann zu fürchten“, weiß founders-Generalsekretär Wolfgang Kern. Und mit ihm kommt Ecopoint ins System, das Wirtschaftsservice der Stadt. Kern ist dort als Gründungsbeauftragter aktiv und somit Bindeglied zwischen privat und öffentlich. Die Bedürfnisse der Gründer werden im Verein gesammelt, die Stadt reagiert darauf und unterstützt, nach einer Vorgabe des Masterplans 25|50, der das Ökosystem für Unternehmen laufend stärken und damit die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes weiter verbessern will. „Das ist ein sehr cooles Ökosystem geworden, viele von uns sind Freunde geworden“, betonen Hannes Baumgartner und Wolfgang Kern.
Das Konzept des Vereins
Die founders bieten einen niederschwelligen Zugang für künftige Gründer, jeder kann mit seiner Idee kommen und mitmachen. „Wenn es nicht funktioniert, killt es sich im Prozess selbst“, weiß Hannes Baumgartner. „Wir suchen keine Trittbrettfahrer. Jeder kann von uns profitieren, sollte sich aber auch einbringen“, erklärt Wolfgang Kern und beschreibt die Bandbreite der Fragen an ihn: „Von ‚Ich trau mich nicht, hilf mir‘ bis zu ‚Wie kann ich schnell einen Fond aufstellen?‘“ Die rund 90 Mitglieder der founders treffen einander regelmäßig bei Meetups. „Da setzt du dich zusammen, trinkst ein Bier und erzählst deine Geschichte ohne Wertung. Ehrlicher Austausch ist in Wirklichkeit das Wichtigste. Denn erfolgreich kannst du nur sein, wenn du auch selbstkritisch bist. Du musst Kritik annehmen können. Und du musst die richtigen Dinge zur richtigen Zeit tun“, so Wolfgang Kern.
Der Verein schaut klarerweise fokussiert in die Zukunft. „Ein Ökosystem wird nicht von heute auf morgen aufgebaut“, erklärt Hannes Baumgartner. Ideen und Meinungen werden strukturiert gesammelt und aufbereitet, Kennzahlen entwickelt.
Rund um die founders-stp existiert zusätzlich ein starkes unterstützendes System mit rund 300 Akteuren. Dazu gehören sämtliche Bildungseinrichtungen sowie Stadt und Land, das AMS, Investoren, Supporter und auch die Medien.
Erfolgreiche founder
Effizientes Wissensmanagement mit KI – scopri.AI
Mateo Primorac und Tobias Reitmayr haben mit ihrer genialen Software Plattform einen riz Genius Award in der Kategorie „innovativ genial“ gewonnen. Diese erzeugt „cognitive agents“, welche energieeffizient innovative KI-Modelle nutzen. „Dadurch wird die Produktivität einer jeden Person erhöht und stundenlange Informationssuche oder Textanalyse im Internet ist nicht mehr notwendig“, erklärt Mateo Primorac: „Wir vergleichen uns immer mit ChatGPT, jedoch ist ChatGPT der große Öltanker – schwerfällig, energieintensiv. Wir sind viele kleine Segelschiffe, gesteuert durch eine Person oder ein Team, energieeffizient und agil.“ Das Unternehmen scopri.AI befindet sich derzeit in der Gründungsphase. „Aktuell haben wir ein FFG Förderprojekt gemeinsam mit der High Performance Computing Group der TU Wien eingereicht und konzeptionieren mit der Firma CodingBase unsere Software Plattform“, so founders-Mitglied Primorac. Warum er beim Verein ist? „Es ist einfach ´ne richtig coole Truppe, mit sehr unterschiedlichen Backgrounds, viel Empathie, und noch mehr Wissen rund um das Gründen.“ Vernetzung sei das A und O bei der Unternehmensgründung, ist Primorac überzeugt, „weil aus Vernetzung entsteht Kollaboration, und aus Kollaboration entstehen Innovationen.“
Elastic-Simulations — zeit- und kostensparende Softwarelösung
Harald Ziegelwanger hat mit seinen Elastic-Simulations den riz up Genius Award in der Kategorie „digital genial“ verliehen bekommen. Elastic-Simulations ist eine Cloud-basierte Virtual Prototyping Lösung zur Analyse von elektronischen Komponenten, zum Beispiel in Leiterplatten. Hersteller elektronischer Komponenten können ihre Produkte damit frühzeitig auf Schwachstellen prüfen und die Lebensdauer optimieren.
Aktuell ist Harald Ziegelwanger in Kontakt mit Experten der Europäischen Weltraumorganisation ESA und bereitet einen Antrag zur Aufnahme in das ESA-BIC Austria Startup-Programm vor.
Sein Unternehmen hat der Techniker bereits 2022 gegründet und ist erst später bei einem founders-Talk zum Verein gestoßen. Harald Ziegelwanger war bei der Gründung der Elastic-Simulations GmbH auf sich allein gestellt. „Ich kann im Nachhinein den zukünftigen Gründerinnen und Gründern nur empfehlen, bei den founders-stp vorbeizuschauen und vom Netzwerk und vom Austausch zu profitieren.“
Die etablierten Unterstützer
MSTAGE
MSTAGE ist die größte österreichische E-Commerce-Gruppe, spezialisiert auf Online-Shops und wird geführt von der Doppelspitze Mario Lengauer und Melanie Prange. Sie konnte heuer den Hermes Wirtschaftspreis in der Kategorie „Frauengeführte Unternehmen“ nach St. Pölten holen.
Mario Lengauer schätzt die founders sehr. „Es ist ein Ökosystem aus leidenschaftlichen Unternehmern, entsprechend aktiv und immer getrieben, mehr zu erreichen.“ Allerdings: Wer sich klassisches Networking erwartet, würde enttäuscht sein. „Es geht nicht darum zu beeindrucken, sondern um echte Inhalte und nachhaltige Entwicklung, Sparring und Erfahrungs- sowie Wissensaustausch, Forderung & Förderung und letztlich auch um gemeinsame Initiativen.“ Daher war es für den MSTAGE-Chef die logische Konsequenz, sich ebenfalls aktiv einzubringen – mit persönlicher Erfahrung sowie als Unterstützer in Form der MSTAGE GmbH.
Was bringt ihm das? „Ganz viel. Es entsteht aus der Ökonomie des Gebens: Wenn alle füreinander agieren, hat man am Ende mehr. Erst letzte Woche haben wir aus dem Netzwerk heraus den ersten DevTreff in St. Pölten co-veranstaltet und bereits im ersten Anlauf 100 Besuchern ein tolles Format geboten. Hätte das mit vergleichbaren Invests in der Form auch alleine funktioniert? Nein, definitiv ein Win für MSTAGE & founders.”
Richard König – Saint Charles Organics GmbH, Business Angel
Warum unterstützt ein erfahrener Mehrfach-Unternehmer wie Richard König founders-stp? „Ich habe selbst vor vielen Jahren in St. Pölten mein erstes Unternehmen gegründet und freue mich, jetzt junge Unternehmer dabei unterstützen zu können. Die founders sind dafür die optimale Plattform.“ Richard König ist überzeugt, dass es für den Aufbau einer Gründerkultur wichtig ist, entsprechende Impulsgeber und auch Interessensvertreter gegenüber der Stadt zu haben. „Vereine wie die founders ermöglichen und fördern dabei den erforderlichen Erfahrungsaustausch in der Gründer-Community und bringen die unterschiedlichen Interessensgruppen zusammen.“ Aber auch die Stadt profitiere von den founders. „Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz zur Förderung des Unternehmergeistes. Wenn als Ergebnis innovative Ideen und Geschäftsmodelle entstehen, ist das ein wertvoller Impuls. Neben vielen wirtschaftlichen Aspekten macht es die Stadt lebenswerter und damit den Standort attraktiver.“