Nostalgisch
Text
Thomas Fröhlich
Ausgabe
„Nostalgia is a weapon.“ (Douglas Coupland). Im Film „Last Night in Soho“ geht die 60ies-Verliebtheit der Protagonistin so weit, dass sie mittels einer Zeitreise im von ihr geliebten Jahrzehnt landet. Dort wird sie erst vom Glamour einer untergegangenen Ära geblendet, um hernach schmerzlich herauszufinden, dass nicht alles Gold war, was immer noch glänzt: Nostalgie als gefährlicher und gleichzeitig verführerischer Eskapismus, wenn man so will. Und doch verhält sich Nostalgie zur tatsächlichen Wirklichkeit oftmals als notwendiges Mittel zur Psychohygiene, um etwa an einer erbärmlichen Situation nicht komplett zu verzweifeln. Nähert sich die Realität in stinkenden Jogginghosen, kann sich ein Blick in die Garderoben verstorbener Dandies als durchaus heilsam erweisen. Und imaginiert eine französische Schnitzler-Verfilmung aus dem Jahre 1950, „La Ronde“, ein nebel- und geigenverhangenes Wien der Jahrhundertwende, so lässt es sich nach dem Genuss derselben leichter aushalten, wenn einem ein von smartem Elektrosmog Getriebener, gleichsam als kulturelle Bereicherung, blind & wütig vor die Füße spuckt. Der Musiker Peter Hamill etwa meint: „Nostalgia … is an ache for something that did exist. It involves an almost fatalistic acceptance of the permanent presence of loss.“ Dies über eine schlecht erzählte Gegenwart zu stellen ist vielleicht sogar ein Gebot der Stunde, in der sich die verlogenen Dreistigkeiten der Bewohner der Echokammern mit jenen der Staatsträger (und deren ausgetrommelten Denkverboten) die Waage halten. Man darf ruhig auch Selbstschutz dazu sagen.