Alles macht einen Unterschied
Text
Michael Müllner
Ausgabe
Gefährdet die Bundesregierung mit verfassungswidrigen Klimaschutzgesetzen die Zukunft junger Menschen? Zwölf Kinder und Jugendliche wollen, dass der Verfassungsgerichtshof korrigiert, was die Politiker ihrer Meinung nach verbockt haben. Michaela Krömer erklärt uns ihre Klimaklage.
Eigentlich wollte Michaela Krömer gar keine Anwältin werden. In London studierte sie Wirtschaft, stellte aber bald fest, dass ihre Leidenschaft mehr das Argumentieren ist – und weniger die Zahlen. Also doch die Juristerei. Nach Studien in Wien und Harvard widmete sie sich den Themen Migration und Menschenrechte. Zum Klimaschutz war es da nicht mehr weit, denn was bedroht die fundamentalen Rechte jedes Einzelnen mehr als ein lebensfeindlicher Planet? Weltweit ringen Menschen um Antworten, wie auf den Klimawandel zu reagieren ist. Wissenschaftlich fundierte Ziele brauchen konkrete Maßnahmen, die von Staaten in Form von Gesetzen umgesetzt werden. Michaela Krömer ist überzeugt, die österreichischen Klimaschutzgesetze gehen nicht weit genug. Sie stehen deshalb sogar im Widerspruch zu den Rechten, die uns unsere Verfassung zusichert. Darum führt sie ihre mittlerweile vierte Klimaklage wieder an den österreichischen Verfassungsgerichtshof. Dort entscheiden die Höchstrichter über einen Individualantrag, den Krömer im Namen von zwölf Kindern und Jugendlichen im Alter von fünf bis sechzehn Jahren eingebracht hat. Wenn man so will, eine Generationenklage.
Wenn der Klimawandel in Zukunft die Jungen massiv trifft, liegt die heute bestimmende Generation schon unter der Erde. Es geht also um Verantwortung für unsere Zukunft. Was passt da besser als das Bild der mutigen Anwältin umringt von Kindern und Jugendlichen, die um ihre Zukunft bangen? In Partnerschaft mit Aktivisten von „Fridays For Future“ lieferte Krömer handwerklich perfekte PR zur Klage und erreichte schon mal ein Ziel: Aufmerksamkeit.
Doch auch inhaltlich meint es die gebürtige St. Pöltnerin ernst. Rund ein halbes Jahr habe sie an der Klage gearbeitet, lange überlegt, was der richtige, nächste Schritt in ihrem Kampf um Klimagerechtigkeit sei. Ihre Lösung: Ein Zugang über die Kinder und ihre Rechte. Denn der Verfassungsgerichtshof macht keine Gesetze, dafür ist die Politik zuständig, als demokratisch legitimierte Gesetzgebung. Das Höchstgericht kann Gesetze jedoch teilweise oder ganz aufheben. Aber nur, wenn jemand diese Aufhebung zulässigerweise beantragt. Gerade diese Zulässigkeit ist das Problem, die Hürden sind hoch, sinngemäß soll nicht jeder daherkommen können und unliebsame Gesetze zu Fall bringen. Haben Klimaklagen also überhaupt eine Chance auf Erfolg?
In anderen Ländern haben Klagen dazu geführt, dass Gesetze nachgebessert werden mussten. Mehrere Verfahren sind anhängig, verschiedene Stoßrichtungen werden ausprobiert. Dabei ist aber klar, dass Gerichte nicht die Aufgabe der Politik übernehmen können. „Es ist wie beim Yoga. Da dehne ich mich und versuche meine Zehenspitzen zu erreichen. Der Standpunkt bleibt gleich, das ist das Gesetz. Da komm ich nicht drumherum. Aber wie die Gerichte das Gesetz auslegen, das entwickelt sich mit der Zeit weiter, da schafft man mit dem richtigen Stretching eine Entwicklung“, gibt sich Krömer zuversichtlich. Geht ihr Antrag durch, steht Österreich mit einem „besseren“ Klimaschutzgesetz da oder die Politik muss es in diesem Sinne korrigieren. Doch was ist, wenn der Antrag abgewiesen wird? Dann wird die Begründung geprüft und ein neuer Ansatz gesucht, kündigt Krömer an. Zu groß ist der Wunsch, Teil der Lösung zu sein: „Einzelpersonen können das Kollektiv verändern. Jede und jeder kann selbst aktiv werden, nicht nur mit finanzieller Unterstützung oder verändertem Konsumverhalten, sondern auch mit einem Demobesuch. Ist es zu viel verlangt, an einem Freitagnachmittag auf eine große Klimademo zu gehen? Die Menschen unterschätzen, wie massiv Veränderungen in der Politik davon bestimmt werden, was auf der Straße passiert.“
Doch welchen Sinn haben all die Anstrengungen im kleinen Österreich, wenn anderswo zu wenig passiert? „Diese Ausrede ist unglaublich kindisch. Wenn wir als Kinder unser Zimmer nicht aufräumen wollten, waren auch immer die Zimmer der Geschwister die willkommene Ausrede. Dabei haben wir meistens falsch eingeschätzt, wie die Zimmer der anderen wirklich aussehen. Genauso sollten wir Klimaaktivisten etwa in Asien nicht unterschätzen. Alles macht einen Unterschied – die eigene Anstrengung ist Inspiration für andere und die Folgewirkung können wir gar nicht abschätzen.“
TEAM KLIMAKLAGE
Michaela Krömer lebt mit ihrer 2021 geborenen Tochter in Wien. Sie stammt aus einer St. Pöltner Juristenfamilie und erhielt im Jahr 2021 den Menschenrechtspreis der Österreichischen Liga für Menschenrechte als Auszeichnung für ihr Engagement im Bereich Klimaschutz und Menschenrechte. Sie studierte in London und Wien sowie an der weltweit renommiertesten rechtswissenschaftlichen Fakultät, der Harvard Law School in den USA. www.climatelaw.at
Der sechzehnjährige Barsam wohnt in St. Pölten. Der HTL-Schüler hatte bis dato eigentlich keine Erfahrung mit Aktivismus, kannte Michaela Krömer aber persönlich und entschloss sich darum, bei ihrer Klimaklage mitzumachen. „Ich war überrascht, wie viele Gleichaltrige mich schon kurz nach dem Einbringen darauf angesprochen haben. Über Instagram ist das Thema in der jungen Zielgruppe sehr präsent“, erzählt er. Einerseits hofft er auf ein rasches Aktivwerden der Politik, andererseits appelliert er an jeden Einzelnen mit dem eigenen Verhalten Teil der Lösung zu werden: „Ehrliche Aufklärungsarbeit ist dafür so wichtig, auch bei jungen Menschen, damit wirklich jeder mitzieht. Wir haben nicht mehr Zeit, um weiter einfach abzuwarten.“ Ob er umstrittene Aktionen wie das Festkleben auf Verkehrsflächen gut findet? „Strategisch gäbe es wohl klügere Wege – ohne dass man viele Leute in der Gesellschaft gegen sich aufbringt. Aber man muss sehen, dass diese Menschen offenbar verzweifelt sind. Ich wünsche mir, dass diese Art von Aktivismus nicht nötig ist, weil Umwelt- und Klimaschutz den Stellenwert in der Gesellschaft haben, den sie brauchen.“
Matilda wohnt wenige Autominuten von St. Pölten entfernt. Vor der Landtagswahl im Jänner 2023 verbrachte sie viel Zeit im Protestcamp von „Fridays For Future“ im Regierungsviertel. „Es geht mir einfach nicht ein, wieso die Politik nicht mehr gegen die Klimakrise unternimmt“, erzählt die vierzehnjährige Mittelschülerin. Ihr Aktivismus wird von ihrer Familie kräftig unterstützt, ihre Freunde haben aber oft andere Themen im Kopf, stellt sie fest: „Darum braucht es auch in den Schulen mehr Aufmerksamkeit für das Thema! Mit Workshops könnte man Expertise von Fachleuten einbringen und so das Bewusstsein stärken“, ist sie überzeugt. Die Klimaklage ist für sie eine Möglichkeit, um die Aufmerksamkeit der Mächtigen zu erreichen, denn „von der Politik kommt einfach nicht genug.“