MFG - Geistes Störung
Geistes Störung


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St. Pöltens gute Seite

Geistes Störung

Text Johannes Reichl
Ausgabe 04/2009

Es gäbe eine Reihe von Übersetzungsmöglichkeiten für den Begriff mindistortion. Geistesstörung etwa, Verstandverzerrung oder – was beim Blick auf Manuel Fallmanns gleichnamige Homepage www.mindistortion.tv eher in den Sinn kommt – Deformation des (konventionellen) Denkens. Gar seine Zerstörung? Jedenfalls ist man einer Geisteshaltung auf der Spur, die auch sämtliche Fallmann-Werke atmen und im selbst definierten Slogan „because sanity is not statistical“ kumulieren.

Am Anfang war... eine US Homepage, auf die der gebürtige Neulengbacher im Alter von 15 stieß. Eine Offenbarung. „newgrounds.com ist die größte und bekannteste Seite für die Flash Community!“, lässt Fallmann keinen Zweifel über die Bedeutung der Homepage offen. Für ihn war der First Contact damit definitiv prägend. Fallmann kippte voll hinein in die Flashwelt, begann davon inspiriert im Eigenstudium Animationen und Spiele zu entwerfen. Bald hatte er eine erkleckliche Anzahl von Outputs in der Hand, so dass die Präsentation ebenderselben auf einer eigenen Homepage nur eine logische Folge war. 2002 stellte der „Flashmatiker“ www.mindistortion.tv online, eine verstörend-spannende Welt aus animierten Kurzfilmen, Spielen und Kunst quer durch Fallmanns geistigen Gemüsegarten – und der bringt reiche Ernte ein: Von Movies wie „The happy bunnbybun dance”, “Sickey Mouse”, “Glanzstoff” oder “Kugel Kopf Massaker” über witzige Features wie „pocket emo“ oder „brainwashing fun“,  im Zuge dessen man zum aktiven Hirnwäscher werden kann, bis hin zu Screensafers und Co. Eine virtuelle Welt, wo die Konvention Feierabend hat – mindistortion eben. Dabei ist Fallmann kein versponnener Weltverbesserer oder mutwilliger Verstörer aus einem Provokationsgestus heraus, sondern er will schlicht Denkanstöße geben oder auch einfach nur unterhalten. „Ich fasse nur die Bilder, Gedanken und Ideen in meinem Kopf in Spiele und Kurzfilme. Dass manche davon gesellschaftskritisch oder einfach nur strange sind, ist ein Nebeneffekt.“
Hier kommt die Mouse
Und wie kann man sich seine Arbeitsmethode vorstellen? „Man braucht eigentlich nur einen PC, passende Software wie Flash oder Photoshop – dann kann man schon loslegen.“ Gezeichnet wird mit der Maus, wobei die letzten Entwürfe auf seiner neuesten Errungenschaft, einem Grafik-Zeichenbrett entstanden sind. Zirka einen Monat lang braucht er für die Realisierung eines Projektes, „was mir früher viel Zeit neben der Schule gekostet hat“, zwinkert er mit den Augen. Ein Einsatz, der sich freilich gelohnt hat. Zweimal wurde er bereits mit dem Anerkennungspreis „Prix Ars Electronica U19“ ausgezeichnet, 2002 für „O fortuna“, 2003 für „System Interrupted“. Außerdem erfuhr auch seine Homepage mindistortion.tv durch das Ars Electronica Center höhere Weihen. „Diese Preise haben mir viel bedeutet und waren sehr wichtig!“. Nicht zuletzt, weil sie neue Türen aufgestoßen haben – u. a. jene zum Wiener Museumsquartier, wo Fallmann Kurzfilme präsentierte. Dabei schlägt derzeit ein eher kleineres, witziges Projekt „das ich eigentlich nur zum Spaß zwischendurch gemacht hab“ hohe Wogen: „Pocket Emo“, bei dem man sich wie bei einem Tamagotchi seinen ganz persönlichen Emo createn kann. Vom Ansatz her kritisch gemeint, fanden die Emos so großen Gefallen an ihren animierten Pendants, dass sich Pocket Emo auf zahlreichen einschlägigen Emo-Sites wiederfindet. „Traurig, dass manche Leute Kritik nicht checken“, schmunzelt Fallmann bei dem Gedanken.
Am Trip
Sein größter Stolz ist freilich sein Spiel „Mindscape“, das irgendwie auch ganz gut stellvertretend für Fallmanns grundsätzlichen mindistortion-Ansatz steht: „Bei diesem Spiel befindet man sich in der Fantasiewelt eines geistesgestörten Jungen. Jedes Level ist ein anderer Gedanke in seinem Kopf.“ Ein Spiel wie ein LSD-Trip, so das Urteil mancher Kritiker, mit dem Nebeneffekt, dass man dabei ganz ohne Drogen auskommt.
Durchschlagenden Erfolg hat Fallmann auch mit seinen Stancil-Graffities. Nachdem er in dieser Technik seine damalige Freundin portraitierte und das Ergebnis in diversen Foren postete, klopfte ein amerikanischer Buchverlag an und lud Fallmann schließlich zur Gestaltung des Covers von Joshua Furst’s Roman „The Sabotage Cafe“ ein. „Das Buchcover reich ich gern herum, weil ich es einfach so geil find, dass das Portrait von einem amerikanischen Verleger aufgegriffen worden ist“, freut sich Fallmann – und gibt damit in gewisser Weise auch eine unbeabsichtigte Botschaft mit auf den Weg: Nicht jede vermeintliche „Spielerei“ der Kids vorm Computer, wie es gern ein vorurteilsbehaftetes Klischeebild manch Erwachsener ist,  stellt „vergeudete“ Zeit dar. Fallmann, mit Mind gesegnet, hat sein Hobby zum Beruf gemacht und verdingt sich heute als Grafik- und Webdesigner sein Leben. Vor allem ist er aber auch eines: Ernstzunehmender Künstler, von dem man noch viel hören wird!