MFG - Ein Märchen in Windpassing
Ein Märchen in Windpassing


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St. Pöltens gute Seite

Ein Märchen in Windpassing

Text Johannes Reichl
Ausgabe 05/2023

Wenn es stimmt, dass Antiquitäten weit mehr sind als nur rein funktionale, schnöde (Möbel)Stücke, sondern vor allem Nahrung für die Seele und fürs Auge, dann passt bereits die Anfahrt zur neuen „Hofgalerie Figl“ in Windpassing perfekt in diesen Gedankengang.


Denn die ist selbst schon ein Genuss und führt zwar vermeintlich aus der Stadt hinaus, aber direkt ins St. Pölten der Dörfer hinein. Stattersdorf, Harland, Altmannsdorf, Windpassing. Je weiter ich komme, umso mehr lichten sich die Häuserreihen zur Linken und Rechten und geben den Blick auf die Umgebung frei, die in sanften Hügeln gemächlich zum bewaldeten Horizont ansteigt. Nach dem wochenlangen Regen sind die Wiesen saftig grün wie selten und bilden einen herrlichen Kontrast zu den blühenden Rapsfeldern, die in sattem Gelb strahlen. Dazwischen tuckern Traktoren über die braunen Erdschollen der Felder, wo im Sommer Mais und Weizen geerntet werden wird. Das letzte Teilstück zwischen Altmannsdorf und Windpassing wird von der hoch thronenden Ochsenburg wie vor einer kitschigen Filmkulisse im Hintergrund eingenommen, wobei mein Weg zuletzt in Windpassing nach links abzweigt und nach rund 50 Meter über Kopfsteinpflaster bei der „Hofgalerie Figl“ endet. „Sie haben Ihr Ziel erreicht“, frohlockt mein Navi – ländliche Idylle pur, gerade einmal zehn Minuten von der Innenstadt entfernt. 

Anton, der Zauberer
Ich kenne den alten Bauernhof, den die Familie Figl in den 80er-Jahren erworben hat, noch aus meiner Jugendzeit. Der renovierte Wohntrakt strahlte schon damals für den Besucher eine romantische Heimeligkeit aus, während der ehemalige Wirtschaftstrakt in einer Art Dornröschenschlaf vor sich hindämmerte. Nun haben ihn die Figls wachgeküsst – und wie! Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, als mich der Hausherr Anton Figl durch die Räumlichkeiten führt. Das sollen die modrigen, halbverfallenen alten Gemäuer aus meiner Erinnerung sein? Aus der alten Traktorgarage ist ein behaglicher Empfangsraum geworden, die ehemalige Werkstatt beherbergt jetzt einen wunderschönen Verkaufsraum, der Schweinestall ist zum Kaminzimmer mutiert und auch das alte Presshaus fügt sich elegant ins Gesamtensemble. „Mit der Restaurierungsidee bin ich ja schon gut zehn  Jahre schwanger gegangen“, verrät Figl. Die Corona-Zeit hätte dann einen guten Anlass geboten, die Sache nachhaltig anzugehen. Architekten hätte der Antiquitätenhändler dafür keine gebraucht, „da reichte schon die eigene Fantasie aus, wie ich mir das vorstelle.“ Dafür legte eine großartige Arbeiterpartie mit der richtigen Grundeinstellung Hand an. „Der Polier hat immer gemeint: Chef, es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen!“ Und so war es tatsächlich, denn Herausforderungen taten sich bei den alten Gemäuern zuhauf auf. Teilweise wurden Decken neu eingezogen, ja ganze Gewölbebögen neu aufgebaut. Wände wurden begradigt oder vor den alten schiefen neue gerade hochgezogen. Zwei Jahre, was mir rekordverdächtig kurz erscheint, wurde niedergerissen, aufgemauert, verputzt, gehämmert, gebohrt, verlegt, was das Zeug hält. Herausgekommen ist ein wahres Kleinod, in dem einige der schönsten Antiquitäten, die Anton Figl im Laufe der Jahre zusammengetragen hat, eine unvergleichliche Atmosphäre schaffen und Zeugnis seiner Leidenschaft und Liebe zum Alten ablegen. „Ich kaufe ja nur Stücke, die mir auch selbst gefallen. Bleibt etwas länger in unserem Besitz, ist es nicht verloren, sondern dann erfreue ich mich eben selbst daran.“ Zudem hat er vieles, was lange Zeit in den alten Scheunen geschlummert hat, nunmehr verbaut, wie etwa die alten Kehlheimerfliesen, die den gediegenen Steinboden bilden. Oder ein gotischer Fensterrahmen, den Figl kurzerhand zur Kamineinfassung umfunktioniert hat, als hätte dieser nie eine andere Bestimmung in sich getragen. All das bildet den perfekten Rahmen für die Präsentation der schönen Einrichtungsgegenstände – massive Tische, Skulpturen, Bilder, Teppiche, alte Türen und Bauerntruhen. Es würde zu weit führen, jedes Teil einzeln zu beschreiben, aber ein alter Bauernkasten sei als Pars pro Toto für die Besonderheit der Schätze erwähnt. Er trägt die Beschriftung „1777“ und „Anna Catharina Prandtauerin“. „Es war reiner Zufall, dass ich ihn gefunden habe – ein Kollege aus Tirol machte mich darauf aufmerksam“, verrät Figl. „Aber es ist tatsächlich ein Kasten aus dem Geburtshaus Jakob Prandtauers, aus Stans in Tirol, der sich im Besitz einer Nachfahrin befand.“ Dank Figl ist das schöne Stück dem berühmten Baumeister, der in St. Pölten zu einem der berühmtesten Baumeister des Barock avancierte, sozusagen mit Verspätung nach Niederösterreich nachgereist.

Tiroler Dachbodengeschichten 
Tirol und alte Bauernmöbel sind auch gute Ausgangspunkte, wenn man sich auf die Suche nach den Ursprüngen von Figls Sammelleidenschaft begibt. Zwar wird schon zuhause – „meine Eltern waren ja sehr kunstsinning, in der Bibliothek meines Vaters standen zahlreiche Kunstbücher und Bildbände, in denen ich schmökerte“ – sein Faible für Ästhetik geweckt, aber erst in Tirol verband sich dieses allgemeine Interesse mit ganz konkreten Objekten der Begierde,  alten Möbeln und Einrichtungsgegenständen, die Figl  u einer Art Jäger des verlorenen Schatzes werden lassen. „Mein Vater fuhr sein ganzes Leben lang, insgesamt 75 Jahre, nach Virgen in Osttirol.“ Im zarten Alter von vier Jahren begleitet der kleine Anton seinen Vater erstmals – 40 weitere Aufenthalte sollten folgen. „Ich hab mich mit den Kindern im Ort angefreundet und wir haben die alten Dachböden unsicher gemacht“, erinnert er sich. Für die Kleinen exklusive Zauberorte, „weil die Erwachsenen dort quasi nicht hinauf durften, weil das den Hausfrauen peinlich war, ‚weil es so ausschaut‘“, lacht Figl. Auf diesen Entdeckungsreisen erspäht der Bub jede Menge alte Möbel, die ihn in den Bann ziehen – Truhen, Kästen, Bilder, Spinnräder. „Irgendwann hab ich meinen Vater gefragt, ob ich nicht einmal etwas kaufen darf“, was der Senior aber zunächst ablehnt, „weil er meinte, man dürfe diese Stücke nicht entwurzeln, die gehörten doch hierher nach Tirol.“ Als dieselben Teile im Jahr darauf mittlerweile kaputt gegangen sind oder überhaupt vom Bauern entsorgt wurden, lässt sich der Vater doch umstimmen. „Mit 15 Jahren habe ich meine ersten drei Truhen in Tirol gekauft.“  Eine stellt er in einem der alten Stadtmauertürme in der St. Pöltner Promenade auf, „der meiner Mutter gehörte und wo wir Jugendliche ein Ritterzimmer einrichteten“, die beiden anderen verkauft er – der Beginn seiner Karriere als Antiquitätenhändler, auch wenn das der Jugendliche damals wohl noch gar nicht so am Plan hat.

Wiener Schulung, St. Pöltner Geschäfte
Denn zunächst geht es auf die Uni nach Wien, wo Figl Welthandel studiert. Nebenbei verdient er sich mit dem Handeln von alten Möbeln aber bereits ein nettes Zubrot. Um noch tiefer in die Materie einzutauchen „und die Grundlagen des Geschäfts besser kennenzulernen“, arbeitet er zudem einmal in der Woche beim Wiener Galeristen E. H. Herzfeld in der Dorotheergasse. „Der war der einzige, der für junge Leute ein offenes Ohr hatte. Dort hab ich 100 Schilling in der Woche verdient und am Abend nach der Arbeit immer ein Abendessen bekommen, im Zuge dessen wir fachgesimpelt haben“, erinnert sich Figl zurück. Obwohl alles in gewisser Weise auf eine Karriere als Antiquitätenhändler und Galerist hinauszulaufen scheint, führt Figls Berufslaufbahn – familiär vorgeprägt – zunächst in eine andere Richtung: Der Kaufmann übernimmt 1968 das Ledergeschäft seiner Mutter in der St. Pöltner Marktgasse. Als gegenüber ein Geschäftslokal frei wird, gründet er zudem gemeinsam mit seiner Ehefrau Doris das „Flo Flo“, das für gut ein Jahrzehnt zu einer von St. Pöltens angesagtester Modeboutique avancieren sollte. Seiner Antiquitätenleidenschaft bleibt der Unternehmer freilich auch in dieser Zeit treu, bis sie schließlich gänzlich zum Hauptbusiness wird.
 1985 ziehen sich die Figls nämlich aus der Modebranche zurück und eröffnen stattdessen ihre legendäre Galerie „Antiquitäten Figl“ in der Schreinergasse, die rasch zu einer der besten Adressen der Branche zählt. Über 30 Jahre lang halten die Figls dem Standort – zunächst an der Adresse Nummer 4, dann im gut dreimal so großen Geschäftslokal gegenüber – die Treue und tragen nachhaltig dazu bei, dass die „feine Gasse“ zwischenzeitig als exklusivste Einkaufsstraße St. Pöltens gilt. 2022 sperrt Anton Figl aber das Geschäft zu und beschließt, die Galerie auf den Bauernhof zu verlegen – so etwas wie eine Art Nachhausekommen, wickelte er doch schon anno dazumal seine ersten Geschäfte von hier aus ab.

Die Hofgalerie
Wer heute in Windpassing den Verkaufsraum der „Hofgalerie“ betritt, erlebt so etwas wie ein Déjà-vu, weil dieser ident zu jenem in der Schreinergasse zu sein scheint. „Es ist sich einfach alles gut ausgegangen“, schmunzelt der Hausherr. Dem Besucher vermittelt diese Wiedererkennbarkeit ein angenehmes Gefühl von Kontinuität.
Warum man sich überhaupt aus der Innenstadt zurückgezogen hat, erklärt Figl mit dem veränderten Konsumentenverhalten. „Die klassische Laufkundschaft ist zusehends ausgeblieben.“ Viel würde heute bereits im Internet recherchiert, wo übrigens auch die Figls unter www.artfigl.at vertreten sind, erst im nächsten Schritt kommt man sich dann das Objekt der Begierde in natura anschauen. „Dazu bedarf es aber keiner durchgehenden Öffnungszeiten, sondern größtmöglicher Flexibilität.“ Die Figls haben daher nur an zwei Tagen, Mittwoch und Samstag, von jeweils 11-18 Uhr fix geöffnet, während man gegen telefonische Terminvereinbarung jederzeit in Windpassing willkommen ist. „Und man braucht auch keine Scheu zu haben anzuklopfen, wenn man gerade vorort ist!“
Zurückgezogen hat man sich übrigens nicht nur aus der City, sondern auch aus dem Messegeschäft. „Früher waren wir ja auf allen großen Kunst- und Antiquitätenmessen vertreten – im Palais Ferstel, in der Residenz Salzburg, in der Hofburg, im Wiener Künstlerhaus, Schloss Laxenburg.“ Die Ausstellungen seien Orte gewesen, wo die Kunden direkt gekauft hätten oder wo zumindest Geschäfte angebahnt wurden. „Aber das rechnet sich heute nicht mehr.“ Zu mächtig sei die Konkurrenz der Auktionshäuser, wohin sich das Geschäft zusehends verlagert hätte. „Man braucht sich ja nur die Zahlen anzuschauen: Fanden früher vielleicht ein-, zweimal im Jahr Auktionen statt, so werden solche nun praktisch laufend durchgeführt.“ 
Auch im Hinblick auf die Sichtung des Marktes, das Auffinden attraktiver Ware, sei diese Konkurrenz massiv spürbar. „Viele Erben lassen die Häuser einfach von Auktionshäusern ausräumen und von diesen die Gegenstände verkaufen. Wenn dann die Abrechnung mit den hohen Provisionszahlungen eintrudelt, kommt für viele oft das große Erwachen.“

Hoch-Zeiten und Eyecatcher
Die Zeiten hätten sich jedenfalls geändert. „Die Hoch-Zeit des Antiquitätenhandels war eigentlich schon in den 60er Jahren!“ Damals hätte es in gutbürgerlichen Kreisen zum guten Ton gehört, „dass etwa jeder seine eigene Bauernstube hat, für die man dementsprechend Originale suchte.“ Geschmacklich seien die Häuser dabei bisweilen ein wildes Durcheinander gewesen, weil neben besagter Bauernstube vielleicht ein Biedermeier-Zimmer lag und ein dritter Raum daneben wiederum „modern“ eingerichtet war. Es sei auch gar nicht immer unbedingt die große Liebe zu alten Schätzen ausschlaggebend für den Kauf von Antiquitäten gewesen, sondern vielfach das damit verbundene Prestige. 
Auch die Zeiten, als man ganze Häuser von oben bis unten mit Antiquitäten vollstellte, seien vorüber, „wenngleich wir das früher natürlich öfter erlebten.“ Sohn Florian, der sich in der Zwischenzeit zu uns gesellt hat, erinnert sich etwa an einen Kunden „der die gesamte Einrichtung bei uns kaufte. Als wir ihn fragten, wohin wir die Ware liefern sollen, meinte er aber ‚Ich habe noch kein Grundstück und noch kein Haus.‘“ So standen die schönen Teile sechs Jahre lang im Lager „bis er ein Haus gebaut hatte. Aber er hatte eine klare Vorstellung der Einrichtung und wollte die schönen Stücke eben jetzt, da sie am Markt waren, unbedingt sichern und sich das Haus um seine Möbel bauen!“ 
Heute richte man sich dahingegen in der Regel modern ein, auch weil es der jüngeren Generation im Hinblick auf Antiquitäten oftmals schlicht an Wissen fehlt. Dennoch ortet Anton Figl aktuell bei manch jungen Erwachsenen durchaus ein gewisses Antiquitäten-Revival. „Der Trend geht dahin, dass man sich zwar modern einrichtet, dann aber ganz bewusst ein, zwei schöne alte Stücke als Kontrast, als Eyecatcher dazu sucht.“ Dies würde in der Regel ganz gut miteinander harmonieren „weil Qualität verträgt sich immer mit Qualität, egal ob modern oder alt!“

Wer billig kauft, kauft teuer
Mit einem hartnäckigen Vorurteil wollen die Figls diesbezüglich auch aufräumen: „Antiquitäten sind nicht teuer! Wenn man sich den Lebenszyklus ansieht, ist das Gegenteil der Fall!“ So sei es in der heutigen Wegwerfgesellschaft üblich, Möbel nach ein paar Jahren komplett auszutauschen. „Die landen dann meist am Sperrmüll, weil sie gar nicht so lange halten. Schöne alte Möbel begleiten dich hingegen dein ganzes Leben lang und du kannst sie an die nächsten Generationen vererben.“ Die Stücke seien dabei nicht nur eine Freude zum Anschauen, sondern auch wertstabil „während du etwa bei einem Auto schon nach einem Jahr einen Wertverlust von 30% hast“, versucht Florian Figl die Relationen klar zu machen. Manche Käufer würden Antiquitäten auch als Wertanlage betrachten und sich auf Sicht eine saftige Rendite erhoffen „was auch möglich ist. Ich kann mich noch gut erinnern, als Professor Leopold anno dazumal für 3.000/4.000 Schilling jede Zeichnung, die ihm untergekommen ist, aufgekauft hat und dafür belächelt wurde. Heute sind sie 300.000 Euro und mehr wert!“ Wobei Anton Figl den reinen Fokus auf monetären Wertzuwachs zwiespältig betrachtet, weil man den Einrichtungsgegenständen damit häufig die Seele raubt. Figl senior geht es vor allem auch um die Seele, die Aura, die Schönheit, welche Antiquitäten ausstrahlen. „Antiquitätenkauf soll ein Akt der Lebensfreude und des Vertrauens sein, und die tägliche Freude, die ein geliebtes Stück seinem Besitzer jeden Tag vermittelt, ist durch Geld nicht aufzuwiegen! Das ist schon etwas Besonderes!“

Schöne Stücke und Veltliner
Besonders wie die „Hofgalerie“, wo man solche Seelen-Stücke finden kann, „so man in die richtige Richtung fährt“, lacht Florian Figl. Es sei nämlich schon vorgekommen, dass angesagte Besucher verzweifelt angerufen hätten, sie könnten die Galerie nicht finden. „Nur, die waren in Wimpassing. Wir sind aber in Windpassing bei Harland, nur acht Kilometer von der City St. Pölten entfernt.“ Eingebettet in ein grandioses, ländliches Ambiente, das perfekt zu den gehandelten Waren passt. Und zur Gastfreundschaft der Figls. „Wer vorbeikommt, kriegt ein Glas Veltliner“, verspricht Anton Figl. Vor allem wartet aber das unvergessliche Erlebnis der Hofgalerie, die in ihrer Homogenität und Liebe zum Detail selbst schon wieder als Gesamtkunstwerk betrachtet werden muss. So oder so fährt man nach dem Besuch also reicher nachhause, im Idealfall ja vielleicht als glücklicher Besitzer eines neuen, schönen alten Stückes, das man schon so lange für daheim gesucht hat „und das einem fortan ein Leben lang Freude bereiten wird!“ 

„DIE HOFGALERIE“
ANTIQUITÄTEN & BILDERGALERIE

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3104 Windpassing/St. Pölten
Karl Eichinger Straße 3

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Mittwoch & Samstag 11–18 Uhr 
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