MFG - Ich träumte von braunen Pferden
Ich träumte von braunen Pferden


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Ich träumte von braunen Pferden

Text Johannes Reichl
Ausgabe 06/2022

Am Weg nach Fahra bei Pyhra, vorbei an gelben Rapsfeldern und blühenden Obstbäumen vor der Kulisse bewaldeter Hügel, wird einem einmal mehr bewusst, in welch herrliche Umgebung St. Pölten eingebettet ist. Nur sieben Kilometer von der Stadt entfernt parke ich mich vor einem Gehöft ein – ein Pfau stolziert an mir vorbei, ein Hund bellt und eine Reiterin hoch zu Ross grüßt freundlich vom Pferd herunter.


An diesem idyllischen Ort treffe ich Matthias Weiländer, vielen v. a. als Geschäftsführer der Marketing St. Pölten GmbH ein Begriff. Diesmal plaudern wir freilich nicht über das Image der Stadt, neue Kampagnen oder Grätzelfeste, sondern über sein – durchaus ausgefallenes – Hobby, auf das ich eher per Zufall beim Zappen gestoßen bin. In einer Folge von „Heimatleuchten“ auf ServusTV spazierte Weiländer plötzlich durchs Bild – als Lenker eines Pferdepflugs in einem Grenztaler Weingarten!

Noriker statt Wendy
„In Sachen Pferde bin ich ja ein Spätberufener“, schmunzelt der Manager. Weder lagen während der Kindheit Wendy-Hefte am Nachtkasterl, noch gab es eine wie immer geartete familiäre Pferde-Konditionierung. „Mein Papa wuchs aber auf einem Bauernhof auf, und meine Großeltern haben mich als Junior häufig zu einem befreundeten Tierarzt mitgenommen. Ich glaube daher rührt meine generelle Liebe zur Natur und zu Tieren – wir haben zuhause ja auch noch Hunde, Katzen, Fische.“ Und mit Mika und Tim zwei Pferde, die Weiländer hier in Fahra eingestellt hat, wo sie mit zwölf Kumpels in einer großen WG auf 3.000 Quadratmeter in Offenstallhaltung zusammenleben. Aufs Pferd gekommen ist Weiländer dabei erst mit Anfang 30. Als er einen Ausgleich zum stressigen Job sucht, „irgendetwas in der Natur, aber nicht unbedingt nur joggen oder radfahren“, nimmt ihn ein Freund zum  Westernreiten mit. „Ich war ja skeptisch, ob man das als Erwachsener überhaupt noch lernen kann“, gesteht er. Nun – man kann, und so saß der Manager alsbald im Sattel „wobei mich weniger das klassische Reiten in der Koppel oder Dressurreiten interessierten, sondern ich wollte mit dem Pferd ausreiten.“ 
Wenig verwunderlich sind Mika und Tim sodenn auch keine Rösser Marke „gestyltes Hutschpferd“, sondern gestandene Noriker. „Noriker ist die älteste Zuchtrasse Österreichs“, klärt mich Weiländer auf. Später auf der Koppel werde selbst ich als Pferde-Greenhorn die Besonderheit dieser Kaltblutrasse leicht erkennen: Der Haflinger neben Mika wirkt wie dessen kleiner, schmächtigerer Bruder. „Noriker werden schon mal bis zu 900 Kilogramm schwer“, so Weiländer, bringen also fast das Doppelte auf die Waage und damit auch dementsprechend mehr PS auf den Untergrund. Das ist insofern wichtig, weil es sich bei Noriker „um Schrittpferde für Lasten“ handelt. Kurzum, sie werden zum Arbeiten eingesetzt. „Ich hab es halt nicht so mit Wendy & Tütü“, lacht Weiländer. „Die Noriker sind quasi die Männerversion!“ 

Vom Holzrücken und Pflügen
Die Tradition, mit Pferden zu arbeiten, ist dabei nie ganz ausgestorben. „Die Amish-People in den USA etwa, die ja nie ihre traditionelle Lebensweise aufgegeben haben, haben das Arbeiten mit Pferden zur Perfektion gebracht, etwa auch im Hinblick auf die landwirtschaftlichen Geräte, Geschirr etc.“ Hierzulande fallen einem klischeemäßig am ehesten noch Schlittenfahrer in zünftiger Tracht ein, die Touristen durchs verschneite Salzkammergut kutschieren, oder man erinnert sich an manch historische Aufnahme von Bierkutschern oder Waldarbeitern, die – die Pferde am Zügel haltend – vor vollbeladenen Fuhrwerken posieren. Nun – Letzteres wird nach wie vor praktiziert.
Auch im Falle Weiländers war das Erstbetätigungsfeld der Wald. „Mein Vater bewirtschaftet einen hobbymäßig und versorgt die ganze Familie mit Holz für diverse Schwedenöfen.“ Als vor einigen Jahren die Frage ansteht, ob man sich für die beschwerliche Arbeit einen kleinen Traktor zulegen soll, „beschlossen wir, es mit Pferden zu versuchen, weil wir kurz davor eine Dokumentation gesehen hatten.“ Vom Ergebnis und der Effizienz waren Vater und Sohn gleichermaßen beeindruckt, wobei Weiländer sogar einen eigenen Kurs, „Holzrücken“, absolviert. „Eine Woche später war ich schon im Wald, was durchaus ein bisschen gefährlich war, weil ich ja keine Erfahrung hatte, aber es hat mir voll getaugt“, schwärmt er noch heute. Sein ausgefallenes Hobby spricht sich jedenfalls rasch herum und so klopft eines Tages der Chef der Stadtgärtnerei beim Kollegen vom Marketing an. „Im Kaiserwald gab es damals ein großes Eschensterben. Nachdem es sich um einen Naherholungswald handelt und kurz zuvor sämtliche Wege neu angelegt worden waren, die man nicht gleich wieder mit schweren Geräten zerstören wollte, zogen wir das Schadholz mit den Pferden raus.“ Der Beginn eines kleinen Nebenerwerbs, denn mittlerweile nehmen Waldbesitzer, Winzer oder der Maschinenring Weiländers Dienste in Anspruch. „Pferde kommen vor allem in steilem, oft auch engem Gelände zum Einsatz oder dort, wo die Untergründe weich sind oder auch besonders sensibel, wie zum Beispiel in Brunnenschutzgebieten.“
Vorteile, die im Übrigen zusehends auch im Weinbau gefragt sind. „Dort war der Einsatz von Pferden ja zwischenzeitig komplett weg“, weiß Weiländer. In den letzten 15 Jahren gibt es aber so etwas wie eine kleine Renaissance, wohl aus Gründen der Nachhaltigkeit. „Viele Winzer wollen heute, zumindest in einigen ihrer Gärten, nur mehr händisch, also komplett ohne Maschinen arbeiten, um die Böden zu schonen. Außerdem wird der Wein in den naheliegenden Weinbaugebieten in steilen Lagen oft auf Terrassen kultiviert, hier ergeben sich schmale Zeilenabstände, wo der Traktor nicht reinpasst.“ Und so sieht man eben Matthias Weiländer – nicht nur im Fernsehen – in diversen Weingärten der Region hinterm Pferdepflug, „wodurch die Böden lockerer und fruchtbarer bleiben.“

„Kutscher, he Kutscher“
Wald- und Weinarbeit stellen dabei übrigens pferdearbeitstechnisch eine gute Symbiose dar, weil „die Arbeiten im Wald großteils im Winter anfallen, jene im Weinberg hingegen im Frühjahr und Herbst.“ Quasi zum „Drüberstreuen“ fährt Weiländer auch noch ein paarmal im Jahr mit der Kutsche aus, bietet im Rahmen der St. Pöltner „Naturspaziergänge“ etwa Fahrten rund um den Ratzersdorfer See oder vom Kaiserwald bis zur Kellergasse und wieder retour an. „Mir gefällt einfach dieses verbindende Element beim Kutschenfahren so, was zwischen den Menschen ensteht, wenn man gemeinsam in der Kutsche sitzt.“ Auch hier entpuppte sich übrigens ein Sonderfall als Ausgangspunkt eines in Folge regelmäßigen Angebotes. „Als die Stadt die ‚Wiese der Erinnerung‘, ein Naturgräberfeld für Urnen am städtischen Hauptfriedhof, als neues Angebot einführte, wurde dazu ein Infotag veranstaltet. Im Zuge der Vorbereitungen tauchte die Frage auf, wie man die Leute zur Wiese hin und wieder retour bringt, weil es doch eine größere Distanz war.“ Nun, die Antwort war – per Pferdekutsche! 
Auch in diesem Bereich hat Weiländer zahlreiche Anfragen, hält den Ball aber bewusst flach. „Ich habe ja schon einen Hauptberuf, die Pferde sind nur ein Hobby und sollen auch eines bleiben!“ Mika und Tim nennt er deshalb spaßhalber „Teilzeitarbeiter“. Damit sie auch während der auftragslosen Zeiten fit bleiben, wird regelmäßig trainiert. „Das ist wie bei einem Sportler, der muss auch immer im Training bleiben, um seine Leistung abzurufen – und Mika und Tim ziehen halt lieber etwas durch die Gegend, als im Kreis herumzugehen.“ Damit ich eine Vorstellung bekomme, wie solche Übungseinheiten ablaufen, schirrt Weiländer seine zwei Kaltblüter und spannt sie vor ein Trainingsgerät, das den Pflug simuliert. „Das ist eine Selbstkreation, wie ich überhaupt viel experimentiere mit der Ausrüstung und den Werkzeugen, damit sich die Pferde wohlfühlen und man gut damit arbeiten kann.“ Einen Moment später stehe ich schon oben – und bin verblüfft, wie ruhig die Plattform über den unebenen Waldboden gleitet. 
Als wir von unserer kleinen Tour zurückkommen, kann ich erahnen, warum der Manager die Arbeit mit den Pferden so liebt. „Man kommt halt einfach voll runter, ist voll auf die Arbeit fokussiert. Und alleine die wunderschönen Orte und Lagen, wo ich mit den Pferden überall hinkomme – das ist einfach ein Traum!“, schwärmt er. Ebenso wie die enge Beziehung, die er zu Mika und Tim aufgebaut hat. „Huber Kirchmair hat einmal gesagt: Das Pferd ist der zweitbeste Freund des Menschen“, so Weiländer. Nun, ich bin mir nicht ganz sicher, ob nicht Mika und Tim sogar die Nummer 1 einnehmen. Die Chemie zwischen den dreien scheint jedenfalls zu stimmen, ebenso wie jene zum Herbergsgeber. Als wir uns von einander verabschieden, gesellt sich nämlich noch der Altbauer Franz Hintermeier zu uns und ist voll des Lobes für den Manager. „Der Matthias ist ja ein ganz ein klasser Bursch. Man muss sich vorstellen, dass er sich das alles selbst angeeignet hat – da kann ich nur den Hut ziehen.“