MFG - St. Pöltens Trainerlegende Scherb hat die U19-EM im Visier
St. Pöltens Trainerlegende Scherb hat die U19-EM im Visier


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St. Pöltens Trainerlegende Scherb hat die U19-EM im Visier

Text Thomas Schöpf
Ausgabe 11/2021

Während es Österreichs A-Team nur mit etwas Bauchweh ins WM-Play-off geschafft hat, blieb die U19-Auswahl in ihren Pflichtspielen heuer unbesiegt und feierte in Tests gegen Wales (3:2) und Kroatien (1:0) schöne Erfolge. Teamchef Martin Scherb ist aber kein Fan von Ergebnisfußball, sondern lässt seine Männer nach Möglichkeit schönen Offensiv-Fußball spielen. Dabei kann er auch auf einige blau-gelbe Talente bauen.


Was haben Florian Grillitsch (TSG Hoffenheim), Philipp Lienhart (SC Freiburg), Patrick Puchegger (FAC), Daniel Rosenbichler (SV Stripfing) und Daniel Maderner (Waasland-Beveren) gemein? Sie sind alle Niederösterreicher und schafften es 2014 mit Österreichs U19-Auswahl bei der EM-Endrunde in Ungarn bis ins Halbfinale gegen Deutschland (mit Akteuren wie Joshua Kimmich, Julian Brandt oder Davie Selke).
Während der Neunkirchner Grillitsch und der Lilienfelder Lienhart im März mit dem Österreichischen A-Team im Playoff um die WM-Teilnahme in Katar kämpfen, spielen ihre „U19-Nachfolger“ unter dem Herzogenburger Teamchef Martin Scherb in der UEFA „Eliterunde“ um die EM-Teilnahme in der Slowakei. Die Auslosung erfolgt am 8. Dezember.

Keiner zieht so oft ab
In der ersten Gruppenphase blieben Scherbs Schützlinge gegen Estland (4:0), Belarus (1:1) und Ungarn (1:1) unbesiegt. Die Spielweise hat dem 52-Jährigen getaugt, die Ergebnisse weniger. „Wir sind sehr dominant aufgetreten, damit bin ich sehr zufrieden, ein paar individuelle Fehler haben uns aber leider um bessere Resultate gebracht“, analysiert der Trainer. Die UEFA-Statistik bestätigt den ÖFB-U19-Teamchef – da liegt Österreich mit 72 abgegeben Torschüssen auf Platz 1 von 52 Nationen! „Die Offensive liegt in unserer DNA“, versichert Scherb, der seine Männer stets gepflegt von hinten raus spielen lässt. „Das gibt es bei uns nicht, dass einer den Ball einfach nur wegdrischt. Wenn sie jetzt schon nicht mehr rausspielen dürften, wann dann?“
Scherb war seinerzeit schon als Nachwuchstrainer in der Akademie St. Pölten keiner, der ständig auf die Tabelle geschaut hat, sondern lieber seine Lupe auf die Spielweise gelegt hat.  Heute hängen in der Akademie in der Bimbo-Binder-Promenade die Dressen seiner damaligen Schüler wie zum Beispiel Thomas Vollnhofer, Lukas Thürauer oder Konstantin Kerschbaumer als Motivationshilfe an der Wand. „Am meisten Strahlkraft haben aber die von Baumi (Christoph Baumgartner, Anm.) und Grillo (Grillitsch, Anm.)“, weiß Scherb. „Es leisten alle unsere Akademien schon seit Jahren hervorragende Arbeit“, hält Scherb – der auch die ÖFB-U15-Auswahl betreut - gleich einen Atemzug später fest. Am wichtigsten sei, dass möglichst viele „Akademiker“ Profi-Spieler werden.
Je mehr Profi-Einsätze seine Teenager haben, desto leichter tun sich jene dann auch in den Länderspielen. Deswegen gewinnt Scherb der im März 2020 wegen Corona abgesagten U17-„Eliterunde“ (mit Deutschland, Portugal und Niederlande als Gegnern!) nachträglich sogar Positives ab: „Für die Spieler war es eine Riesenenttäuschung, aber dafür haben sie zu der Zeit in der Ersten Liga, in der es dann ja keinen Absteiger gab, vermehrt Einsätze bekommen.“ Seine guten Beziehungen zu den Klubs und den Verbänden ermöglichen es ihm auch, im Jänner ein einwöchiges Trainingslager in der Türkei aufzuziehen (so es die Pandemie zulässt). 19 Feldspieler und drei Torhüter werden dort mit dem Teamchef den Fokus vornehmlich auf „Automatismen und Lösungsansätze“ legen. Darunter auch wieder einige Niederösterreicher wie Emilian Metu, Muharem Huskovic, Onurhan Babuscu, Jakob Knollmüller oder der zuletzt verletzte Keeper Kilian Scharner – der Neffe des ehemaligen Premier-League-Kickers Paul Scharner, der einst auch in der Akademie St. Pölten ausgebildet wurde.

Yussi calling
Auf Yusuf Demir (18) kann Scherb freilich schon länger nicht mehr zurückgreifen, zu rasant war dessen Aufstieg. „Wir tauschen uns nach wie vor öfters aus“, freut sich Barça-Fan Scherb, „ich bin mir sicher, dass Yussi seinen Weg macht. Mal schauen, wie es unter seinem neuen Trainer (Xavi, Anm.) läuft.“
Metu (Bayern Amateure) kann Scherb dafür im zentralen Mittelfeld überall einsetzen: „Er kann als Sechser, Achter oder als Zehner spielen, hat alle Voraussetzung und ein riesiges Potenzial, was ihm selber vielleicht noch gar nicht so bewusst ist.“ Huskovic und Babuscu haben für Austria bzw. für Admira sogar schon in der Bundesliga zugeschlagen. Knollmüller kam in Hoffenheim bislang „nur“ bei den Junioren zum Zug. „Er ist ein Mentalitätsspieler, auch er wird sich durchsetzen“, prophezeit Scherb. Und wenn man ihn dann noch auf den St. Pöltner Instinktfußballer Din Barlov anspricht, strahlt der einstige SC St. Pölten-Goalgetter und SKN-Erfolgstrainer so richtig. „Ja, er hat ein richtig gutes Gefühl für den Raum, erkennt Situationen schneller als viele andere.“ Seinen Instinkt durfte Barlov in St. Pöltens Blumensiedlung beim SC ausleben, den Feinschliff bekam er in der Akademie und seine ersten Sporen als Profi verdiente sich der mittlerweile 18-Jährige im Herbst beim SKN St. Pölten.
„Der SKN wird auch immer mein Herzensverein bleiben, wenngleich ich jetzt einen superschönen Job habe“, sagt Scherb, der die „Wölfe“ im Jänner 2007 in der Regionalliga Ost als zahnlose Abstiegskandidaten am Voith-Platz mit einem Zuschauerschnitt von 600 übernommen hatte und vornehmlich mit Niederösterreichern in die Zweite Liga führte, die in der NV Arena am Ende von durchschnittlich 2.920 Fans (Saison 2012/2013) angefeuert wurden (Platz 2 hinter Austria Lustenau).  Vor dem Ausbruch der Pandemie kamen im Herbst 2019 nur mehr 3.364 zu den Bundesliga-Spielen der internationalisierten Wölfe und das trotz der „Magneten“ Rapid (7.407) und Austria (4.041).