MFG - Die Mädels müssen beseelt und leidensfähig sein.
Die Mädels müssen beseelt und leidensfähig sein.


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St. Pöltens gute Seite

Die Mädels müssen beseelt und leidensfähig sein.

Text Thomas Schöpf
Ausgabe 11/2018

Gleich vier Trainer mit UEFA-Pro-Lizenz kümmern sich (nebst Athletiktrainern, Physios, Masseuren etc.) im Nationalen Zentrum für Frauenfußball in St. Pölten um aktuell 54 Mädels von 14 bis 19 Jahren, die alle Profispielerinnen werden wollen. Der sportliche Leiter Michael Steiner zollt ihnen größten Respekt und möchte mithelfen, viele Persönlichkeiten und A-Teamspielerinnen zu formen.

Bimbo-Binder-Promenade 9, NV Arena. Seine Büro-Anschrift ist die gleiche wie beim letzten „MFG“-Besuch vor vier Jahren. Damals war Michael Steiner Trainer des SKN St. Pölten. Heute ist er sportlicher Leiter vom Nationalen Zentrum für Frauenfußball und Teamchef der ÖFB-U19-Frauen, die es gerade in die Eliterunde der EM-Qualifikation geschafft haben, und arbeitet eng mit ÖFB-Frauen-Teamchef Dominik Thalhammer zusammen. Denn oberstes Ziel des Nationalen Zentrums für Frauenfußball ist es, Spielerinnen für das A-Nationalteam auszubilden. Oder wie Steiner es formuliert: „Unser Hauptauftrag ist es die Benchmark voranzutreiben und A-Spielerinnen zu entwickeln, die auch auf europäischer Ebene den Unterschied ausmachen können.“ Bei der Frage, wie ihm das gefällt, strahlt Steiner und bringt’s auf den Punkt: „Mir taugt’s.“
Der ehemalige UEFA-Cup-Finalist (1994 mit Austria Salzburg unter Trainer Otto Baric und Mitspielern wie Adi Hütter, Heimo Pfeifenberger oder Marquinho) wollte in seinen „ersten zehn Trainerjahren die Pro-Lizenz machen und alles durchprobieren“. Die höchste Prüfung hat der heute 44-Jährige absolviert, im Nachwuchs von Red Bull Salzburg alle Kinder- und Jugend-Mannschaften trainiert und nach seinem Engagement als Co-Trainer und Trainer beim SKN St. Pölten bei Rapid die U16 und Rapid II in der Regionalliga Ost. Dort ernannte Steiner zur Überraschung vieler den erst 17-jährigen Maxi Wöber zum Kapitän und begleitete u.a. auch Dejan Ljubicic auf dessen Weg zum Profi. Wöber spielt nun mit 20 Jahren bei Ajax und im ÖFB-Nationalteam, Ljubicic (21 Jahre) in der Ersten von Rapid und ist eine Stütze im U21-Nationalteam.
Beim Job-Vergleich wird Steiner nachdenklich: „Der Bundesliga-Bereich ist für Trainer sehr, sehr schwierig. Dort schaust du oft nur, dass du Woche für Woche überlebst und entscheidest zwangsläufig passiv. Für mich ist die Leistung eines Karl Daxbacher gar nicht hoch genug einzuschätzen. Was der Vereine hochgebracht hat und in wie vielen Ligen der Karli erfolgreich war! Mir fällt sonst keiner ein, der in Österreich über einen längeren Zeitraum immer wieder einen Job hatte. Ich selbst hatte das Glück, dass ich bislang nur einmal für ein paar Wochen arbeitslos gemeldet war.“ Umso schöner sei es jetzt, junge Spielerinnen über einen längeren Zeitraum entwickeln zu dürfen.
Die Arbeit ist fordernd und komplex, größere Umfänge bei der Athletik bei gleichzeitiger Verletzungsprophylaxe sind große Anliegen von ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel. „Das Technische, Taktische, Physische machen viele ja schon sehr gut, obwohl auch in diesen Bereichen noch Luft nach oben ist. Frauen müssen wegen der Östrogene ja mehr Kraft trainieren als Männer“, weiß Steiner, „uns interessiert aber auch das mentale, persönliche, der ganze Lifestyle, wie du als Persönlichkeit vorbereitet wirst. Du brauchst Selbstvertrauen unter Druck und Mut, möglichst richtige Entscheidungen zu treffen, wenn schwierige Spiele anstehen.“
Alles beginnt mit Sudoku
„Am Montag spielen wir immer Sudoku“, scherzt Steiner. Die Spielerinnen kommen von ihren Vereinen zurück und sind am Wochenende unterschiedlich belastet worden. Dementsprechend individuelle Trainingspläne gilt es am Wochenbeginn zu erstellen. Das Wichtigste aber ist die Schule. „Es kann durchaus auch sein, dass ein Mädel gar nicht mittrainieren darf, wenn die Leistung in der Schule nicht passt“, sagt Steiner, der die „herausragende Zusammenarbeit“ mit BORGL-Direktorin Gabriele Schletz und Internatsleiter Manfred Kurz lobt, die er „überaus schätzt“. Den Mädchen sei auch voll bewusst, dass sie „künftig kaum Millionen verdienen werden.“ Das ist der wesentliche Unterschied zu den Burschen, die oft nur an die Kicker-Karriere denken, während die Mädchen stets einen konkreten Plan B immer im Hinterkopf haben. Überhaupt zollt Steiner den Mädels größten Respekt. „Sie müssen sehr leidensfähig sein. Wenn du hier ins Internat gehst, musst du schon sehr überzeugt sein und es wirklich, wirklich wollen. Während deine Freundinnen was anderes machen, gehst du immer nur kicken.“ Von Montag bis Donnerstag wird im Zentrum trainiert, Freitag beim Klub und am Wochenende wird gespielt. In einer Saison kommen die Mädchen mit Meisterschaft, Cup, Tests und Länderspielen auf 40 oder noch mehr Matches.
Steiners U19-Frauen kicken vornehmlich in der Bundesliga. In der EM-Gruppenphase haben seine Schützlinge im Oktober Montenegro (8:0), Lettland (3:1) und Russland (3:0) bezwungen und dürfen im Frühjahr in der „Eliterunde“ um ein EM-Ticket spielen. Die Gegnerinnen sind dort die Schweiz, Israel und Lettland, alle Spiele werden in Österreich stattfinden. „Das sind die Spiele, bei denen man sehr viel lernen kann. Das wird ihnen auf dem möglichen Weg ins A-Nationalteam weiterhelfen“, weiß Steiner.
Generell erfreut sich der Frauen-Fußball eines großen Wachstums, auch in Österreich. Für Steiner besteht jedoch „kein kausaler Zusammenhang“ mit den jüngsten Erfolgen des A-Teams (EM-Dritter 2017). Auffällig sei, dass „die Spielerinnen bei der Sichtung immer besser werden.“ 70 Mädels im Alter von 13 Jahren stehen derzeit im Fokus. Nur zehn von ihnen werden im nächsten Schuljahr aufgenommen. „Sie können hier stets mit den Besten trainieren. Künftig werden wohl fast alle A-Teamspielerinnen aus dem Zentrum kommen“, glaubt Steiner, der die Zukunft der Profi-Fußballerinnen in Österreich sehr positiv sieht. „Es wird immer mehr investiert und es kommen auch immer besser ausgebildete Trainer. Wir haben viel Potenzial und die nächste Generation, die, die jetzt anfängt, hat schon richtig gute Chancen einmal vom Traumjob leben zu können.“