MFG - Das EM-Sommermärchen hat den Ursprung in St. Pölten
Das EM-Sommermärchen hat den Ursprung in St. Pölten


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St. Pöltens gute Seite

Das EM-Sommermärchen hat den Ursprung in St. Pölten

Text Thomas Schöpf
Ausgabe 09/2017

Klein aber fein ist die Ausbildungsstätte „Nationales Zentrum für Frauenfußball“ in St. Pölten. EM-Heldin Viktora Pinther würde „sofort wieder hingehen.“ Mit dem SKN stürmt sie in der Champions League und will ihr drittes Double in Folge einfahren. Ob der Frauenfußball hierzulande nachhaltig einen Aufschwung erfährt, ist fraglich.

Bis zu 1,3 Millionen TV-Zuseher, 12.000 begeisterte Fans am Wiener Rathausplatz beim Public Viewing und ein über 1.000-köpfiges Empfangskomitee bei der Rückkehr: Das ÖFB-Frauenfußball-Nationalteam hat mit ihrem Sommermärchen – dem Einzug ins EM-Halbfinale – in Österreich eine Eu(ro)phoriewelle ausgelöst.
Eines der ersten Erfolgs-Kapitel wurde 2011 in St. Pölten geschrieben, mit der Errichtung des „Nationalen Zentrums für Frauenfußball“. Das sieht auch Absolventin und EM-Halbfinalistin Viktoria Pinther vom SKN St. Pölten so: „Ich würde sofort wieder hingehen. Die Bedingungen sind ideal. Der Unterricht ist toll und fünf Minuten danach kannst du schon am Platz stehen und trainieren.“
Die 19-jährige Wienerin wählte den vierjährigen HASCH-Zweig, spielt seit 2015 für den SKN (vormals Spratzern) und hatte maßgeblichen Anteil an den letzten beiden Double-Gewinnen der St. Pöltnerinnen (Meisterschaft und Cup). Bei der EM stürmte Pinther vier Mal für Österreich und verwandelte gegen Spanien im Elfmeterschießen den vorletzten Elfer zum Halbfinaleinzug. Insgesamt standen mit Pinther, den Torfrauen Manuela Zinsberger und Carolin Größinger, Marina Georgieva, Sophie Maierhofer, Katharina Naschenweng, Barbara Dunst und Nicole Billa gleich acht Absolventinnen im 23-köpfigen-EM-Aufgebot Österreichs, dazu mit Jennifer Klein (ebenfalls SKN St. Pölten) noch eine weitere Schülerin. Der SKN profitiert freilich nur indirekt vom Zentrum des ÖFB. „Wir sind nicht dafür da, Spielerinnen für einen bestimmten Verein auszubilden“, hält Pressesprecherin Iris Stöckelmayr vom ÖFB fest. Ihr Pendant vom SKN, Matthias Scherner, bestätigt das: „Wir versuchen ohnehin vornehmlich Spielerinnen aus unserer Umgebung zu bekommen, haben aber auch Legionärinnen, die ebenfalls Teamspielerinnen sind.“
Während die SKN-Herren in der Bundesliga erneut gegen den Abstieg spielen, sind die SKN-Frauen mit zuletzt drei Double-Gewinnen in Folge Österreichs Nummer 1. Für die anstehenden WM-Qualifikationsspiele Österreichs wurden mit Pinther, Klein, Jasmin Eder, Stefanie Enzinger und Nadine Prohaska gleich fünf „Wölfinnen“ einberufen und mit Jasmin Boisits, Laura Krumböck, Sandrine Sobotka und Laura Wienroither stehen noch fünf weitere „auf Abruf“ bereit.
Von der Spitze in die Breite
Pinther hofft, dass der EM-Schwung anhält und „etwas mehr Leute zu unseren Spielen kommen. Die Medien berichten nun ja auch mehr.“ Die ersten zwei Runden der Frauen-Bundesliga verfolgten nur unwesentlich mehr Zuschauer vor Ort. Am meisten (350) kamen zum Spiel von „Ländle“-Aufsteiger FFC Vorderland gegen den SKN (0:5). Pinther und Co. haben zusätzlich noch die Möglichkeit, in der UEFA Women’s Champions League Werbung in eigener Sache zu machen. Dort wartet auf Österreichs Meister im Sechzehntelfinale gleich ein wahrer Kracher gegen Manchester City! Das Hinspiel steigt am 4. Oktober in der NV Arena. „Saisonziel ist die erfolgreiche Verteidigung des Doubles. Persönlich möchte ich mich natürlich weiterhin verbessern“, so Pinther.
Für den ÖFB gilt es nun „in die Breite zu gehen“, wie Stöckelmayr es formuliert, also die EM-Erfolge nachhaltig zu nützen. Im Nationalen Zentrum für Frauenfußball findet am 31. Oktober (10:00 bis 14:30 Uhr) der nächste „Tag der offenen Tür“ statt, zu dem auch wieder aktuelle Teamspielerinnen kommen werden. „Gleich in den ersten Tagen nach der Bekanntgabe trudelten schon mehrere Anmeldungen herein“, freut sich Karin Gruber, die Geschäftsführerin des Zentrums, über die steigende Nachfrage, relativiert aber auch gleich, „es werden aber wieder nur acht, vielleicht zehn Plätze frei werden.“ Derzeit kicken 50 Mädchen bzw. Frauen dort von Montag bis Donnerstag. Nach dem Schulunterricht am Freitag (das HASCH-Modell läuft vier Jahre, das ORGL-Modell fünf) werden sie zu ihren Stammvereinen für die Wochenend-Spiele abgestellt.
Weißer Fleck im Burgenland
Neben dem A-Team gibt es bei den Frauen noch ein U17- und ein U19-Nationalteam. Die U19 schaffte es letztes Jahr unter Teamchefin Irene Fuhrmann zur EM in der Slowakei. „Das ist überhaupt das Beste, wenn du schon in den Nachwuchs-Teams internationale Erfahrung sammeln kannst, teilweise mit den gleichen Trainern. Das hilft dir später enorm weiter“, weiß Pinther. Sie kickte im Zentrum mit Spielerinnen aus allen Bundesländern: „Nur Burgenländerinnen waren kaum dabei.“ Dort ist in der Tat noch der größte weiße Fleck im österreichischen Frauenfußball. Bundesligist FC Südburgenland (aus Oberwart) kämpft um die Existenz. Ein Abstieg würde finanziell helfen, dann würde aber der Spielbetrieb flach fallen, denn es gibt im Burgenland nicht einmal eine Amateur-Frauenfußballliga. Insgesamt sind beim ÖFB knapp 20.000 Spielerinnen gemeldet. Präsident Leo Windtner möchte „in den nächsten fünf bis zehn Jahren auf 30.000 kommen.“ Jeder andere EM-Teilnehmer, sogar Island, hat mehr Spielerinnen.
Das größte Märchen haben aber doch die Österreich-erinnen bei der Europameisterschaft geschrieben. Pinther schaut sich noch heute „immer wieder gerne die Bilder auf meinem Handy an. Das war so geil. Wahrscheinlich gibt’s das nie wieder.“