MFG - Frauen, die auf Männer schauen
Frauen, die auf Männer schauen


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St. Pöltens gute Seite

Frauen, die auf Männer schauen

Text Andreas Reichebner
Ausgabe 03/2017

Reine Frauenausstellungen sind kaum vorhanden im Kunstbetrieb, der sich nach wie vor fest in Männerhand befindet, von der Kuratierung bis zur Künstlerpräsenz. Ingrid Loibl, Edith Haiderer und Margareta Weichhart-Antony machen sich aber daran, tradierte Muster zu durchbrechen. Sie luden 19 Künstlerinnen ein, einen Blick auf Männer zu werfen.

Auf Männer schauen – schon allein der Formulierung wohnt eine besondere Mehrdeutigkeit inne. Im Spannungsfeld zwischen einer konservativen Interpretation des von Generation zu Generation überlieferten Leitgedankens, einen Mann hegen und zu pflegen, und der reversierten Schaulust, dem erotischen Blick auf Männer, liegt Raum genug, sich dieser Aufgabe zu widmen. „Das Thema war schnell da“, so Margareta „mux“ Weichhart-Antony, die gemeinsam mit Ingrid Loibl und Edith Haiderer die Idee bei einer Unterhaltung anlässlich einer Kunstschau entwickelte. „Es ist ein nicht übliches Thema, nur Frauenansichten in den Mittelpunkt zu stellen, den Blick einmal umzudrehen, aber wir sind emanzipiert genug“, formuliert es Haiderer.  „Dabei gibt es die Beobachtung des anderen Geschlechtes aus einer Metaebene genauso wie den individuellen, direkten Blick auf Männer“, zeigt Loibl unterschiedliche Betrachtungen auf. Und diverse Positionen darf man sich von den 19 Künstlerinnen, die letztendlich im Dokumentationszentrum für moderne Kunst in St. Pölten ab 26. April ihre Exponate einer Konfrontation zur Verfügung stellen werden, durchaus erwarten. 19 verschiedene Zugänge von Frauen aus drei Generationen.
Keine Ausstellung von Freundinnen. Bewusst wurde auf nachvollziehbare Qualität geschaut. „Etablierte Künstlerinnen sind genauso dabei wie aufstrebende Kunstschaffende. Es ist jetzt keine Ausstellung unter Freundinnen“, so die drei unisono. Im Vorfeld wurde offenkundig, nicht alle Künstlerinnen können etwas mit diesem Motiv anfangen. „Wir haben einige Absagen erhalten, etwa von abstrakten Künstlerinnen oder auch von einigen Kreativen, die mit dem Thema nichts zu tun haben wollten“, so die drei Ausstellungsmacherinnen. Aussagen, wie „ich habe noch nie auf Männer geschaut“, waren  in den Ablehnungsgründen durchaus dabei. Gefahr, dass „frau“ sich outet, ist der Aufgabe immanent, die eigene Position exponiert zur Schau zu stellen.
„Bilder sagen ja über die Künstlerin selbst sehr viel aus“, weiß Loibl, die beim ambitionierten Projekt als Kuratorin fungiert. Während sich Weichhart-Antony um gestaltungstechnische Belange kümmert, tritt Haiderer als Organisatorin auf. Trotzdem werden natürlich alle wichtigen Entscheidungen in der Gruppe getroffen. Wert gelegt wurde auch auf einen, wenn auch frei interpretierten Bezug der Künstlerinnen zu St. Pölten.
Ebenso wie die Diversität der einzelnen Künstlerinnenpersönlichkeiten sind auch die verschiedenen Techniken der zu sehenden Exponate. Fotografie findet ebenso wie Installationen, Plastik, Grafik neben klassischer Malerei Platz. Die ungeheure Bandbreite der künstlerischen Zugänge offenbart sich auch in den Texten der 19 Künstlerinnen, die für den Katalog, der zur Ausstellung erscheinen wird, geschrieben wurden. Je eine Doppelseite wird dabei für Werke und einen angefügten Text einer Künstlerin aufgewendet.
Satirisch, ironisch oder kunstgeschichtlich historisch, nachdenklich oder zukunftsorientiert, bewegen sich sowohl Gedanken als auch Kunstwerke im Spannungsfeld Mann und Frau, in der Wechselbeziehung Nähe und Distanz.
Deutlich wird dabei, dass sich künstlerische Positionen nicht auf die bloße Umkehrung oben erwähnter Schaulust männlicher Provenienz herunterbrechen lassen. Der männliche Akt ist trotz provokantem Titels nicht alleiniges Anschauungsmaterial, eher Randerscheinung künstlerischer Ausdrucksmöglichkeit. Viel differenzierter gehen da Frauen zur Sache. Ob mit der Vision eines, wenn auch nur temporär zu erreichenden paradiesischen Zustandes zwischen Mann und Frau spielend oder auch eindeutig feministische Ansätze als Standpunkt erklärend, die Spannungsbreite ist eine große, die hier von den 19 Künstlerinnen aufgebaut wird.
Zukunft ist weiblich. Ingrid Loibl bringt da ein Zitat der Feministin Gerlinde Schilcher sinngemäß ins Spiel: „Wir wollen nicht die Hälfte des Kuchens, wir wollen einen ganz anderen.“ Künstlerinnenpositionen verstehen die drei Frauen nicht als bloßen Austausch der handelnden Personen, vielmehr geht es ihnen, speziell hier im Zusammenspiel männlicher und weiblicher Sichtweisen, um neue Wege im Zusammenleben. Getreu dem Motto des Zukunftsforschers Matthias Horx „Die Zukunft ist weiblich“ untersucht man auf künstlerische Art und Weise verschiedene Thesen, die divergente Richtungen verfolgen. „Frauen haben vielleicht ganz andere Ideen, wir wollen nicht das Gleiche, es geht uns nicht um Kampf und Vernichtung. Vielleicht gibt es ja Lösungen im Zusammenleben zwischen Mann und Frau, die für beide Seiten gut sein können“, so Loibl, die sich gesellschaftspolitisch zukunftsorientiert zeigt „Wo wollen wir hin?“
Um besagten Blick auf Männer zu werfen, bedienen sich die ausstellenden Künstlerinnen eines unterschiedlichen Erinnerungsschatzes. Christa Dietl etwa untersucht in ihren Exponaten ihr aus den Beobachtungen einer Heranwachsenden im elterlichen Wirtshaus entwickeltes Männerbild, während Linda Partaj mit ihrer Betrachterinnenrolle als aktiver Teil des Geschehens auch auf Identitätssuche ist. Silvia Fembek wiederum prüft unter anderem anhand eines Simon de Beauvoir Zitates „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ verschiedene Rollen von Töchtern. Ingrid Loibl sieht die eigene innere Freiheit, die es ihr erlaubt Nähe und Distanz selbst zu bestimmen und „auch den Abstand, von dem aus sich mein Blick auf Männer richtet.“ Ihren Blick auf die Ursprünge der Religion, „die die Frauen, ihre Weiblichkeit, Fruchtbarkeit und lebensschenkende Funktion hochachteten, richtet Ingrid Reichl in ihrer kulturhistorisch beeinflussten Arbeit und bei Evi Leuchtgelbs Installation eines Fingersensors „Ekey X0110“ können Ausstellungsbesucherinnen und -besucher assoziativ genau das Rollenbild einnehmen, in dem sie sich gerade selbst befinden.
Heiter gibt sich die Gestaltung der Ausstellungseinladung, viele Krawatten, „unumstritten ein Symbol für den Penis“ (mux), in differenten Magentatönen. Ob die Gefahr besteht, mit einer rein von Frauen gestalteten Ausstellung, Männer auszuschließen und dadurch gleiche männliche Sichtweisen zu übernehmen, darüber dürfen sich die Betrachterin und der Betrachter ab 26. April im Stadtmuseum St. Pölten in einer spannenden und interessanten Schau den Kopf zerbrechen.
"Wir Frauen tun gut daran, mehr und liebevoller auf uns selber zu schauen und uns mehr um uns selber zu kümmern. Dann wird sich auch unser Blick auf Männer entspannen können." Elisabeth Temnitschka
"Ein Mannsbild zum Schauen so bunt wie ein Pfau so mächtig und schlau ist er nicht schön in seiner Pracht wie für die Frau gemacht" Evi Benescha
"Unter gut verdienenden Künstlern sind nach wie vor hauptsächlich Männer, hier haben wir noch eine Dominanz der Männer." Ingrid Loibl