MFG - Ein Stadion schiesst keine Tore
Ein Stadion schiesst keine Tore


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Ein Stadion schiesst keine Tore

Text Johannes Reichl
Ausgabe 03/2010

Im Trainingslager in Lindabrunn fühlte sich SKN-Trainer Martin Scherb ob gewisser Spieler-Streiche „in den Schul-Skikurs zurückversetzt“. So jung ist und tickt seine Mannschaft. Mit „vorgelebtem Teamgeist“ wollen er und Sportmanager Christoph Brunnauer samt ihrem Trainerteam die Jungen formen und mit ihnen 2012, nach Möglichkeit schon als Bundesligist, in das neue Stadion einziehen.

St. Pölten gegen Gratkorn am Voith Platz (5. März), St. Pölten bei den Austria Amateuren (12. März). Das ist die Realität. St. Pölten gegen Rapid im eigenen Stadion, oder zu Gast bei der „richtigen“ Austria; am besten schon 2012. Das ist die Wunschvorstellung.
Die sportliche Verantwortung dafür lastet vornehmlich auf den Schultern von Martin Scherb (40) und Christoph Brunnauer (41). Zwei St. Pöltner, die mittlerweile über drei Jahre (im Fußball eine Ewigkeit) als Chefcoach bzw. Sportmanager fungieren. Dass sie neben ihren „Brotberufen“ (Scherb arbeitet beim Landesschulrat, Brunnauer im Bürohandel) ihre Traumjobs überhaupt ergattert haben, ist an sich schon eine Geschichte. Zu verdanken haben es die beiden indirekt Walter Hörmann. Der ehemalige ÖFB-Teamspieler kam nämlich während seines Winterurlaubs drauf, dass er beim Regionalligisten SKN nicht mehr arbeiten möchte und schmiss quasi über Nacht den Trainerjob hin. Hörmann hinterließ eine teure, teils in Auflösung befindliche Mannschaft auf Platz sieben, und einen ob seines willkürlichen Abgangs reichlich verdutzten Klubvorstand. Jener bestellte Brunnauer – der sich in niedrigeren Ligen einen guten Ruf als Organisator (bzw. als „Troubleshooter“, wie er sich selbst sieht) erarbeitet hatte – zum sportlichen Leiter. „Ich hatte einen Tag Zeit, einen neuen Trainer zu suchen, habe Martin angerufen und nur einen Satz gesagt: Es ist soweit“, erzählt Brunnauer. Scherb, der gerade vom Ski-Urlaub nach Hause düste, sagte sofort zu und „konnte das Auto kaum mehr auf der Straße halten.“ Die beiden hatten den SKN schon länger im Auge gehabt, aber nur als stinknormale Fans auf der Tribüne, die sich darüber wunderten, „wie wenig bei den vielen guten Spielern herauskommt“, so Scherb. Dass er noch beim SC Herzogenburg als Trainer unter Vertrag stand, war kein Problem. Die wussten: Wenn Scherb von St. Pölten gerufen wird, kann ihn keiner mehr halten. (Das ist in etwa so, wie wenn Hans Krankl bei der Admira der Rapid-Ruf ereilt.) Das war am 9. Jänner 2007.
Am Monatsende stand der neue Kader. „Wir hatte teilweise sechs, sieben Testspieler gleichzeitig da“, erzählt Scherb. Seine Trefferquote muss gut gewesen sein, denn mit den Neuen (darunter Mirnel Sadovic, der aus der zweiten Landesliga kam und mittlerweile für Bundesligist Wr. Neustadt stürmt) holte der SKN im Frühjahr 2007 die zweit meisten Punkte. Und ein Jahr später stiegen die „Wölfe“ mit einer Mannschaft, die fast ausschließlich aus Spielern aus der St. Pöltner Nachwuchs-Akademie geformt worden war, in die Erste Liga auf; in den „bezahlten Fußball“, wie es so schön heißt.

St. Pöltner Erfolgsweg
Damit war dem Duo klar, dass das Stadion kommt. „Der Voith-Platz hat zwar eine schöne Historie, aber an ihm nagt der Zahn der Zeit“, weiß Scherb, „das Stadion wird jede Menge Komfort bieten und besonders familienfreundlich sein.“ Brunnauer ergänzt: „Alleine durch die verbesserte Infrastruktur werden künftig viel mehr Leute kommen. Am Voith-Platz haben wir ja quasi eh nur mehr unsere Schönwetter-Zuschauer.“ Als Damokles-Schwert empfinden die beiden das Stadion (im Falle des sportlichen Misserfolgs könnten vielleicht die Vereinsführung und/oder die Geldgeber rasch nervös werden) nicht. „Wir sind als No-Name-Duo gekommen und genießen schon jetzt in der Szene große Anerkennung“, ist sich Brunnauer bewusst. „Angst ist ein schlechter Ratgeber. Nicht nur im Fußball“, sagt Scherb, „aber natürlich weiß ich, dass wenn ich einmal sieben Spiele hintereinander verlieren sollte, weg bin. Pragmatisiert bist als Trainer nicht.“ Will er auch gar nicht sein, wie er hinzufügt. Außerdem: Mehr als zwei Niederlagen in Folge hat er bislang noch nie kassiert. Auch die Aufsichtsratmitglieder Toni Pfeffer, Frenkie Schinkels oder den ebenfalls ins Stadion-Projekt eingebundenen Michael Hatz (allesamt Ex-Teamspieler mit Banden zum Land Niederösterreich) empfinden die beiden nicht als personelle Bedrohung, wie hinter vorgehaltener Hand von selbsternannten Insidern gern lanciert wird. „Ganz im Gegenteil, sie alle unterstützen uns“, meinen die beiden unisono.
Von ihrem Weg mit jungen Spielern aus Niederösterreich wollen sie unter keinen Umständen abkommen: 24 der aktuell 28 Feldspieler stammen aus der Akademie, die Startelf des SKN hatte vergangenen Herbst ein Durchschnittsalter von rund 21 Jahren. „Natürlich könnte man um vier Millionen sieben Spieler holen. Nach einem Jahr sind die dann aber wieder weg. Wir wollen keine Sternschnuppe! Der große Wagen steht auch schon seit Milliarden von Jahren am Himmelszelt“, philosophiert Scherb.

Autorität durch Zustimmung
Da er aus seiner Betreuer-Zeit in der Akademie viele seiner Spieler schon länger kennt, „bis hin zu deren Eltern und dem sozialen Umfeld“, hat er einen dementsprechend guten Draht zu den Jungen. Das ist dem Trainer auch überaus wichtig: „Es gibt den Leistungsgedanken bei uns, klar, aber daneben auch die menschliche Komponente. Das heißt, dass ich die Spieler in der Sache durchaus sehr hart kritisiere, wenn nötig, zugleich respektiere ich sie aber als Persönlichkeiten“, beschreibt Scherb seinen Führungsstil. Respekt, den er auch von seiner Mannschaft gegenüber neuen Spielern einfordert, auch wenn manche neue Konkurrenz im Kampf ums Stammleiberl fürchten. „Bei uns werden neue Spieler freundlich willkommen geheißen.“ Prinzipiell gehört er eher zur Sorte Trainer, die Autorität durch Zustimmung erlangen, nicht durch Angst. „Der Trainer gibt die Richtung vor, ganz klar. Aber das erreiche ich nur durch Überzeugungsarbeit, nicht durch Schwarz-Weiß-Malerei. Wenn du jemand in der Arbeit überzeugen kannst und er erkennt, dass eine Vision dahinter steckt, dann hast ihn zu 100 Prozent und nicht nur zu 95 Prozent.“ Jeder Spieler könne jederzeit mit einem Problem zu ihm kommen: „Nicht so wie bei Felix Magath, wo einer nicht einmal zum Begräbnis seiner Mutter konnte.“
Von seinen Spielern erwartet er im Gegenzug, dass sie „ehrlich sind“, und zugeben „wenn ein Muskel zwickt“, und nicht aus falschem Ehrgeiz oder Angst vor dem Verlust des Stammleiberls eine leichte Verletzung verschweigen. Abgesehen davon ist es beim SKN im Gegensatz zu manch anderen Vereinen Usus, dass die Spieler ihre Individualtrainingspläne daheim ebenso ernst nehmen, genau aufzeichnen, wann sie was trainieren und was sie zu sich nehmen. Ja sogar ihren Ruhepuls in der Früh messen, um etwaigen Krankheiten rechtzeitig vorbeugen zu können.

Scherbs Vision ist nur marginal an den Stadion-Einzug 2012 gebunden. Zunächst will er jetzt im Frühjahr – wo es für den SKN weder um den Titel noch gegen den Abstieg geht – ausloten, wer von den Spielern den Weg in die Bundesliga mitgehen kann. Der Großteil der Jungen ist ohnehin, alleine wegen der Ablösesummen, schon länger an den Verein gebunden. Zwei, drei Routiniers könne man, wenn es einmal ernst wird, einbauen. Für Scherb steht jedenfalls fest: „Ich bin so ehrgeizig, so egoistisch – ich will der Trainer sein, der die Mannschaft in die oberste Spielklasse führt.“ Sein Credo lautet „von sportlicher Seite die Zufälle so weit wie möglich zu minimieren.“ Und (nicht nur) Brunnauer weiß: „Ein Stadion schießt keine Tore, das muss die Mannschaft machen.“

Infos zum Thema:
Das SKNV-Betreuerteam

Sportmanager
Christoph Brunnauer (41 Jahre)
Chefcoach
Martin Scherb (40)
Co-Trainer
Michael Schadinger (38)
Tormanntrainer
Ernst Scherr (51)
Konditionstrainer
Christoph Reisinger (40)
Individualtrainer
Hannes Spilka (40)
Teamleiter
Thomas Haiderer (40)
Masseur
Hans Fehringer (59)