MFG - Die vielen Gesichter des Gasthaus Koll
Die vielen Gesichter des Gasthaus Koll


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Die vielen Gesichter des Gasthaus Koll

Ausgabe 03/2011

Seit 117 Jahren besteht das Gasthaus in der Alten Reichsstraße. Als Gasthaus Koll ist es vielen St. Pöltnern ein Begriff, avancierte in den letzten Jahrzehnten zum Kultlokal. Zurzeit sind die Stammkunden und Freunde des gemütlichen Gute-Küche-Garanten allerdings vieles – verwirrt und/oder verärgert, größtenteils aber nicht mehr auf den rustikalen Holzbänken im Koll zu finden. Denn im Jänner hat sich schlagartig einiges verändert…

HARD FACTS
Dem Kind seinen Namen gab einst Wirt Leo Koll, der 2009 in Pension ging. Das Lokal wurde daraufhin dem Enkel der ursprünglichen Besitzerin des Hauses verkauft – Dr. Walter Franek übernahm das Gasthaus und taufte es in AKIWI um. (Bis heute sagt das eigentlich kein Mensch. Der Koll ist der Koll bleibt der Koll.) Neben der entspannten Atmosphäre mit viel Holz in der Hütte, alten Polstern auf den Bänken, seinen berühmten Blechschildern an allen Wänden und einer deftigen Speisekarte zeichnete sich das Lokal zum einen durch den jährlichen „Weihnachtskoll“ aus, einer regelmäßigen Feier am 23.12., veranstaltet von LAMES und in der Ausgehszene der Stadt vor allem bei den vor 1990 Geborenen Kult. Zum anderen verließen sich die Stammgäste auf ihre beiden Kellner, die dem Gasthaus beim Alpenbahnhof viele Jahre und auch noch nach dem Verkauf an Franek die Treue hielten – Alex und Pletti schmissen den Laden. Im Jänner 2011 ging ein Aufschrei durch die Gemeinde (und das ist kein Witz), als Alex seinen Weggang vom Gasthaus bekannt gab. Woraufhin sein Kollege freiwillig ebenfalls den Hut nahm. Zur selben Zeit wurden verstärkt Print- und Online-Inserate gesichtet, in denen das Gasthaus zum Verkauf angeboten wurde. Und JETZT? Wir sprachen exklusiv mit allen Beteiligten.
AKIWI – Stand der Dinge rund ums Gasthaus
Im Zuge der Wirtschaftskrise und in Sorge vor einer Geldentwertung hatte der geborene St. Pöltener Franek beschlossen, ein eben erhaltenes Erbe gleich zu investieren. Geraten wurde ihm zu Immobilien im 18. Bezirk in Wien. „Ich wollte aber ein Investment, wo ich einen Bezug dazu habe“, schildert Franek seine Beweggründe für den Kauf des Gasthauses 2009. Das Lokal war bereits von 1932 bis 1998, also über sechs Jahrzehnte, im Familienbesitz gewesen, unter anderem hatte es seiner geliebten Großmutter gehört. Somit führt er nun eine Familientradition weiter. Den Grund, warum er das Gasthaus unlängst wieder zum Verkauf ausgeschrieben hat, nennt er wie folgt: „Simplify your life. Einfach zurückschalten.“
Und warum kam es zum Bruch mit den beiden Langzeitkellnern? „Ich möchte zuerst festhalten, dass ich mit Pletti keinerlei Probleme hatte. Er ist ein Idealist. Aber Gäste berichteten mir ungefragt, dass man gegen mich arbeitete, wenn ich nicht im Lokal war.“ Mit Alex hätte es mehrere Vorfälle gegeben. „Die Begründung der Kündigung lautete daher: Die Zeitbombe ist geplatzt“, so Franek.
Der Schöpfergeist
Zugleich – einigermaßen verwirrend und widersprüchlich zum Verkaufsangebot – sprüht Franek aber voller Ideen für das noch junge Baby „akiwi“ (ein Akronym für „Alpenbahn, Kulturbeisl, Ideenkultur, Wohlfühloase, International“). „Ich möchte DAS Kulturzentrum im Westen St. Pöltens werden“, schildert er das Grundkonzept. „Es kommen eine neue Bühne, die dazu gehörende Beleuchtung und elektronische Ausstattung. Es wird auch eine Cinema Veranda geben, die Filmleinwand dazu hab ich schon“, funkeln seine Augen. Die Ideenliste ist lang, neben zwei Gastgärten soll auch ein Kindergarten Platz finden. Er überlegt auch, einen Eislaufplatz zu errichten, ist er doch selbst begeisterter Eistänzer. Weiters könnte Franek sich gut eine Kooperation mit dem Naturhistorischen Museum, oder einen Gesundheitsbereich im Lokal vorstellen. Platz gibt es unter anderem am Dachboden genügend, der nach den Umbauarbeiten flexibel genutzt werden kann. Eine Erfinderwerkstatt soll beispielsweise entstehen, Franek hat auch hier – wie für das Lokal selbst – noch zahlreiche Ideen: „Ich habe die Gabe, relevante und lösbare Probleme zu identifizieren. Dann überlege ich mir, wie ich zum gewünschten Ergebnis komme“, begründet er seinen Erfindungsgeist und Ideenreichtum. Um dem Anspruch eines Kulturzentrums zu entsprechen, soll es so neben den geplanten Filmvorführungen auch Livemusik geben. Primär will der Wirt lokalen Künstlern eine Bühne geboten werden. Die Erweiterung der Öffnungszeiten auf eine 7-Tage-Woche steht ebenso am Programm wie ein Frühstücksangebot ab September 2011.
Kurz gesagt: Es bleibt auch in den nächsten Monaten spannend, wie sich das „Akiwi“ in der Zukunft entwickeln wird.

Interview: Ex-Kellner Alex
DAS KOLL-DREAMTEAM IST GESCHICHTE
Ex-Kellner Alex im Interview.
Warum hast du im Jänner nach so vielen Jahren im Gasthaus aufgehört?
Ich bin entlassen worden. Von einer Minute auf die andere, ohne Begründung. Franek hat gesagt, er muss es auch nicht begründen. Sicher war das ein Schock, im ersten Moment hab ich ihn auch nicht ernst genommen und wollte den Pletti auch nicht sofort im Stich lassen, es war ja normaler Lokalbetrieb. Franek hat mich dann aber aus dem Lokal verwiesen. Meine Sachen durfte ich mir grad noch holen.
Es muss doch einen Grund gegeben haben?
Es war kein Streit oder sonst etwas. Wir hatten nach dem Weihnachtsurlaub am Samstag und Sonntag normal offen, und am Dienstag wurde ich dann entlassen. Daraufhin hat Pletti gesagt, er hört auch auf.
Das Ganze ist jetzt erst wenige Wochen her, aber du bist nicht wirklich deprimiert.
Das Feedback von den Stammgästen (z.B. unzählige Facebook-Einträge auf Alex‘ Profil, Anm.) war so enorm, wie soll man da deprimiert sein? Das heißt nicht, dass ich nicht enttäuscht war oder traurig oder schockiert, oder dass es mir wurscht ist, aber was bringt das Hängenbleiben und Rumwühlen in der Vergangenheit?
Du hast ja auch rasend schnell nach der Kündigung einen neuen Job gefunden…
Ja, ich bin jetzt im Cinema. Nachdem ich das Lokal von Anfang an kenne, hab ich dort angefragt, und es hat gepasst. Innerhalb von zwei Tagen. Und macht, wie sich schon jetzt herausgestellt hat, eh mehr Spaß.
Sind Ex-Koll/akiwi-Stammgäste bereits zu dir ins Cinema übergewechselt?
Nein. Ist auch gar nicht möglich, weil es ganz was anderes ist. Ich schätze, die Stammgäste werden entweder versuchen, weiterhin zum Koll-Akiwi-wie auch immer zu gehen, oder sie suchen sich etwas anderes Adäquates – einen Riesentisch, wo acht bis zehn Leute sitzen können, gibt’s im Cinema halt nicht, und auch die Karte unterscheidet sich ja sehr.
Auf einer anderen Ebene arbeitet Alex übrigens nach der Grinberg Methode in einer Gemeinschaftspraxis in St. Pölten: www.alexander-gasser.com
Meinungen zum Thema:
Statement einer eingeschworenen Stammgästin:

„Ich finde, dass der Koll (also Akiwi) seit dem Abgang der Kellner nicht mehr derselbe ist. Ich war letztes Jahr regelmäßig ein- bis zweimal die Woche dort essen, weil das Service, Atmosphäre und Essen passen. Und egal, ob Alex oder Pletti da war, uns wurde meistens ohne zu fragen gleich unser Getränk am Tisch gestellt, die Kellner haben kurz mit einem geplauscht, kurz: Ich war dort wirklich Stammgast und hab mich auch wie einer gefühlt. Jetzt finde ich, dass die Atmosphäre nicht mehr passt. Beim letzten Mal war immer die gleiche Musik viel zu laut aufgedreht, eine neue junge Kellnerin in hohen Stiefeln und Riesen-Creolen stand tanzend hinter der Bar, usw. Ich weiß, man sollte dem "Neuen" eine Chance geben, aber momentan bin ich einfach noch nicht bereit dazu.“