MFG - That's Life
That's Life


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

That's Life

Text Johannes Reichl
Ausgabe 03/2013

Draußen jagen Autos den Schießstattring hinunter, die Hesserkaserne wirft ihre grauen Schatten herüber und der Fastfood-Chinese am Eck stülpt sein nüchternes Inneres im Neonlichterglanz nach außen, als hätte er die Hosen heruntergelassen. Ab und an rast ein Rettungswagen mit Blaulicht und Trara aus der benachbarten Rot-Kreuz-Zentrale vorbei, um im Dunkel der Nacht zu verhallen. Im Frank’s – mittendrin in diesem Gewühl – bekommt man davon nichts mit!

Schon beim Eintreten schmiegt sich der Swing wie ein flauschiger Bademantel um die Seele, als wäre Frank Sinatras „I’ve got you under my skin“, das gerade läuft, wörtlich zu verstehen. Zwei große Kristallluster tauchen das kleine, aber feine, in Braun- und Beigetönen gehaltene Ambiente in mildes Licht. Die schnöde hektische Außenwelt hat man kurzerhand durch schwere, bodenlange Vorhänge verbannt, als existierte sie gar nicht. Das Frank’s ist ein Kosmos für sich, in dem eine Sitzgarnitur, und selbstverständlich ein Klavier – doch davon später mehr – um die zentral situierte elegante Bar zu kreisen scheinen. Hinter dieser steht nicht der Wirt – das würde es nicht exakt treffen – als vielmehr der Gastgeber des Abends, Reini Dorsch. In elegantem Jackett, penibel gefaltetem Stecktuch in der Brusttasche, gestreiftem Hemd, begrüßt er die Gäste höchstpersönlich per Handschlag. „Im Grunde genommen ist das Lokal genauso geworden, wie ich es mir vorgestellt habe“, freut er sich über das kleine Wunder – denn die Verwandlung von „Leo’s Nachtcafé“ in Dorschs „Frank’s“ dauerte gerade einmal sechs Wochen! Sechs Wochen, die das berühmt-berüchtigte Vorgängerlokal gänzlich verschwinden ließen. „Leo und mich verbindet eine 30jährige Freundschaft. Ich hab ihm damals gesagt, dass es komplett anders werden wird“, was Zandt nicht weiter Kopfzerbrechen bereitet. Mittlerweile ist er selbst Stammgast im Frank’s. „Er wohnt ja im selben Haus und schätzt einfach, dass er jetzt in eine Bar gehen kann, die nicht seine eigene ist“, lacht Dorsch. Auch mit einem besonderen Geschenk brachte sich der Vorgänger ein: Ein selbst gemaltes Portrait von Frank Sinatra, das einen Ehrenplatz im Lokal genießt und gut mit den großformatigen Portraits von Cleo Ruisz harmoniert: Dass diese aktuell Edith Piaf, Charles Aznavour und Reini Dorsch himself zeigen „hat nichts mit Eitelkeit zu tun“, wie Dorsch betont, „sondern weil die Portraits des Rat Pack noch nicht fertig sind.“
Dass Dorsch, den meisten als Frontman des Reini Dorsch Trios bekannt, in seinem Lokal dem Rat Pack „huldigt“, scheint aufgelegt: „Immerhin besteht unser Repertoire zu etwa 70% aus Songs des Rat Pack.“ Sein größter Hero ist allerdings gar nicht so sehr Frankyboy, sondern „ich bin bedingungsloser Sammy-Fan. ,Sammy’s‘ als Lokalname schien uns aber nicht perfekt, ‚Dinos’ gibt es bereits in Wien, daher wurde es letztlich ‚Frank’s‘! Wobei“, wie Dorsch lachend hinzufügt „das nichts mit Frank Stronach zu tun hat – das wurde ich nämlich öfter gefragt!“
Auch Swing als Leitthema war anfangs gar keine so ausgemachte Sache. Kurzfristig spielte Dorsch nämlich mit dem Gedanken, das Lokal inhaltlich unter den Leitstern seiner zweiten großen Musikliebe zu stellen: Oper! „Ich war ja als Kind Wiener Sängerknabe!“, verweist er auf eine diesbezügliche Frühprägung. Das Witzige daran ist, dass gerade die Sängerknaben ihn indirekt mit Swing in Kontakt brachten. Freilich nicht etwa, weil ein fortschrittlicher Lehrer die Buben diese Art der Musik gelehrt hätte, sondern weil Dorsch im Zuge einer USA-Tournee der Sängerknaben 1975 erstmals mit dem Swing nachhaltig in Berührung kam. „Swing, die Songs des Rat Pack, liefen dort in jeder Hotellobby, im Radio, im Taxi, praktisch überall!“ Zurück in Österreich kaufte er sich sofort seine erste Swingplatte, der Beginn einer großen Liebe mit Langzeitfolgen: 10 Jahre später, 1985, gründete er das Reini Dorsch-Trio „gemeinsam mit Peter Pansky, der damals gerade mit der Popband ‚Peter Pan‘ in den Charts war.“ Kein Grund, deshalb nicht auch Swing zu machen, wenngleich Freunde diesem, und damit der Band, keine lange Lebensdauer prophezeiten. „Heute sind wir mit 28 Jahren am Buckel wohl die dienstälteste Band der Stadt“, schmunzelt Dorsch.
Auch im Hinblick auf den Style des „Frank’s“, seine Grundphilosophie wenn man so möchte, spielten die USA keine unwesentliche Rolle. Weniger die Sängerknaben-Tournee, als vielmehr ein sechswöchige Los Angeles Trip mit seiner Band Mitte der 90’er Jahre hinterließen bei Reini Dorsch bleibenden Eindruck. „Wir spielten im Alpine Village, einem deutschen Club in L.A. Nicht etwa Swing, sondern v.a. deutschsprachige Klassiker bis hin zum Kufstein-Lied“, erinnert er sich lächelnd zurück. „Wir mussten dafür extra ein eigenes Repertoire erarbeiten!“ Das tat seiner Begeisterung aber keinen Abbruch – dem Erstkontakt folgten bis dato 29 weitere Reisen in die Stadt der Engel! „Ich habe mittlerweile viele Freunde dort, kenne L.A. sehr gut – das ist ja eine unglaublich vielfältige Stadt“, schwärmt Dorsch, ebenso wie vom nahen Las Vegas, wo das Rat Pack seine legendären Shows ablieferte und die großen Entertainer zuhause sind. Für einen Swingmusiker wie Dorsch ein ohne jeden Zweifel inspirierendes Ambiente, das wohl – ob nun bewusst oder unbewusst – auch ins Frank‘s miteingeflossen ist. Vor allem der explizite Ansatz, dass der Wirt zum Gastgeber wird, ja als Unterhalter seiner Gäste fungiert, kommt Dorschs musikalischem Naturell perfekt entgegen. „Aktuell mache ich noch auf Franco Adolfo für Arme“, lacht er, und meint damit, dass er mitunter mit Mikrofon bewaffnet durchs Lokal flaniert und zu Playbackversionen seiner Lieblingskünstler live singt. Selbstredend wird Dorsch aber auch mit seiner Band musizieren und selbst in die Tasten greifen – das Klavier steht immerhin nicht zum Spaß im Lokal. Außerdem treten Gastmusiker im Frank’s auf, wobei der Swing die große einigende Klammer bleibt.
Dass es Dorsch quasi zur Lebensmitte überhaupt noch einmal in ein völlig neues Betätigungsfeld verschlägt, mag man Schicksal, Zufall oder auch Konsequenz nennen. Die vage Idee vom eigenen Lokal köchelte immer wieder in ihm auf, andererseits ließ die Leitung des familieneigenen Großmaschinenhandels eine ernsthafte Verfolgung des Gedankens ohnedies nicht zu. „Ursprünglich wollte ich ja Musik studieren und Berufsmusiker werden. Doch als mein Bruder 1979 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, hieß es ‚du musst den Betrieb einmal übernehmen’!“ 10 Jahre später, 1989, wurde das ‚Müssen‘ zur Realität, wobei es Dorsch heute ohne Bitterkeit sieht: „Das brachte auch neue Chancen, und Musik machte ich ja trotzdem!“ Bis 2010 führte er das 1919 gegründete Unternehmen, zuletzt hatte er 15 Mitarbeiter. „Dann habe ich es an einen Lieferanten verkauft und beschlossen, nur mehr als Musiker mein Dasein zu fristen.“ So die Theorie. Die Praxis zeigte Dorsch dann aber „dass mir die viele Freizeit zu fad ist. Ich dachte mir, fürs Nichtstun bin ich noch zu jung!“ Nachdem Dorsch kurzfristig sogar mit einem Comeback in seiner ursprünglichen Branche liebäugelte, lief ihm sodann quasi die Pension von Leo Zandt und das Schließen seines „Nachtcafés“ gerade richtig über den Weg.
Zufall? Schicksal? Oder halt einfach nur das Leben, wie es Frankyboy besingt, als wir uns aus dem Kosmos Frank’s wieder in die naßkalte Wirklichkeit draußen begeben, aber den Swing im Herzen mitnehmen: „That’s life!“