St. Pölten scharf mit alles
Text
Thomas Winkelmüller
Ausgabe
Die Kebabrestaurants der Landeshauptstadt expandieren, und obwohl sich immer mehr Dönerspieße um die eigene Achse drehen, bekommen die St. Pöltner einfach nicht genug davon. Ein Stimmungsbild aus drei türkischen Imbissen.
Danke und bis bald bester Kebabmann“, verabschieden sich die letzten Gäste von Ugur Kalkan. Er unterbricht kurz das Interview und gibt allen Vieren die Hand bevor sie gehen. Was heute mancher als rassistisch empfinden könnte, freut den Chef des Kristall-Restaurants. Als junger Mann kam Ugur 1992 nach St. Pölten und stieg dort aus dem Bus, wo er heute Kebab und andere orientalische Speisen verkauft. Sein Resümee über das Döner-Geschäft in der Stadt teilt er mit den anderen Gastronomen: „Alles läuft bestens.“
Der Kebab-Laie könnte annehmen, dass der Markt irgendwann voll ausgelastet sein müsste. Fast 20 Imbisse und Restaurants versorgen bald 60.000 Einwohner mit Döner, Dürüm und mittlerweile sogar Kebab-Boxen. Ein Ende des Geschäfts sehen Ugur und seine Kollegen trotzdem noch lange nicht. Jeder bekomme sein Stück vom Kuchen – oder Kebab, wie man es nehmen möchte – und Konkurrenzdenken existiere sowieso nicht. „Das Gegenteil ist der Fall. Nein, in St. Pölten halten wir zusammen“, sagt Ugur, „Wenn mir einmal die Spieße ausgehen, laufe ich rüber zum nächsten Restaurant und hole mir einen. Paar Tage später bekommen sie dann wieder einen neuen zurück.“
Der Kebab-Laie könnte annehmen, dass der Markt irgendwann voll ausgelastet sein müsste. Fast 20 Imbisse und Restaurants versorgen bald 60.000 Einwohner mit Döner, Dürüm und mittlerweile sogar Kebab-Boxen. Ein Ende des Geschäfts sehen Ugur und seine Kollegen trotzdem noch lange nicht. Jeder bekomme sein Stück vom Kuchen – oder Kebab, wie man es nehmen möchte – und Konkurrenzdenken existiere sowieso nicht. „Das Gegenteil ist der Fall. Nein, in St. Pölten halten wir zusammen“, sagt Ugur, „Wenn mir einmal die Spieße ausgehen, laufe ich rüber zum nächsten Restaurant und hole mir einen. Paar Tage später bekommen sie dann wieder einen neuen zurück.“
Sein Geheimnis
Die meisten Kebabstände haben ihr eigenes Rezept für das Dönerfleisch. In Österreich allein gibt es rund 20 Fabriken, die spezifische Spieß-Rezepturen anfertigen und dann liefern. „Wir sagen ihnen einfach, wieviel Salz, welche Gewürze und was wir sonst rein wollen. Mein Rezept behalte ich aber für mich“, sagt Ugur. Es sei sein eigenes kleines Erfolgsgeheimnis. Jeder wolle das Fleisch ein wenig anders, am Ende des Tages verschwimmt der Unterschied zwischen den Kebabs allerdings.
Im Vergleich Österreich-Türkei sieht das ganz anders aus. Den Döner in Sandwich-Form erfanden Deutsch-Türken. Jenseits des Bosporus servieren die Köche das geschnittene Fleisch auf einer Platte, manchmal mit Gemüse, manchmal ohne und nur selten im Brot. „Der Döner gehört auf einen Teller, deswegen fällt hier ja auch immer alles raus“, scherzt Ugur.
Aber warum lieben die St. Pöltner ihren Döner so sehr? „Er ist Gesundheit“, erklärt es sich Ugur. Frisches Fleisch, viele verschieden Gemüsesorten und selbstgemachtes Brot. Mehr brauche ja niemand. Der Trend liegt obendrein im Fast-Food. Ugur hat selbst lange bei McDonalds gearbeitet und möchte weiter auf der Fast-Food-Welle mitschwimmen – nur mit gesünderen Produkten. Knapp die Hälfte seiner Speisekarte ist vegetarisch oder vegan. Darin sieht er die Zukunft: „Wir dürfen nicht auf der alten Tradition sitzen bleiben, sondern müssen uns für die Jungen weiterentwickeln.“ Neue Konsumenten würden immer öfter nach Alternativen zu Fleisch, Zwiebel und Joghurtsauce suchen. Er und andere Stände setzen deswegen vermehrt auf Ziegenkäse, Melanzani und Fisolen anstelle von Hühner- oder Kalbsfleisch im Kebab.
Seit ein paar Jahren gibt es sogar das erste Dürüm-Takeaway für vegetarisches Publikum: Cigköftem. Es gehört derselben Familie, die das ehemalige „Deniz“ übernommen hat. Die beiden Lokale helfen sich gegenseitig: Wollen die Kunden Fleisch im Kebab, schicken die Mitarbeiter von Cigköftem sie weiter ins eigentliche Restaurant gegenüber der Promenade und umgekehrt. Mete Kem ist Kellner im ehemaligen „Deniz“ und leitet gemeinsam mit seinem Vater und dessen Bruder die Geschäfte. Momentan suchen sie nach einem neuen Namen dafür. Ideen gebe es, nur spruchreif sei noch nichts.
Die meisten Kebabstände haben ihr eigenes Rezept für das Dönerfleisch. In Österreich allein gibt es rund 20 Fabriken, die spezifische Spieß-Rezepturen anfertigen und dann liefern. „Wir sagen ihnen einfach, wieviel Salz, welche Gewürze und was wir sonst rein wollen. Mein Rezept behalte ich aber für mich“, sagt Ugur. Es sei sein eigenes kleines Erfolgsgeheimnis. Jeder wolle das Fleisch ein wenig anders, am Ende des Tages verschwimmt der Unterschied zwischen den Kebabs allerdings.
Im Vergleich Österreich-Türkei sieht das ganz anders aus. Den Döner in Sandwich-Form erfanden Deutsch-Türken. Jenseits des Bosporus servieren die Köche das geschnittene Fleisch auf einer Platte, manchmal mit Gemüse, manchmal ohne und nur selten im Brot. „Der Döner gehört auf einen Teller, deswegen fällt hier ja auch immer alles raus“, scherzt Ugur.
Aber warum lieben die St. Pöltner ihren Döner so sehr? „Er ist Gesundheit“, erklärt es sich Ugur. Frisches Fleisch, viele verschieden Gemüsesorten und selbstgemachtes Brot. Mehr brauche ja niemand. Der Trend liegt obendrein im Fast-Food. Ugur hat selbst lange bei McDonalds gearbeitet und möchte weiter auf der Fast-Food-Welle mitschwimmen – nur mit gesünderen Produkten. Knapp die Hälfte seiner Speisekarte ist vegetarisch oder vegan. Darin sieht er die Zukunft: „Wir dürfen nicht auf der alten Tradition sitzen bleiben, sondern müssen uns für die Jungen weiterentwickeln.“ Neue Konsumenten würden immer öfter nach Alternativen zu Fleisch, Zwiebel und Joghurtsauce suchen. Er und andere Stände setzen deswegen vermehrt auf Ziegenkäse, Melanzani und Fisolen anstelle von Hühner- oder Kalbsfleisch im Kebab.
Seit ein paar Jahren gibt es sogar das erste Dürüm-Takeaway für vegetarisches Publikum: Cigköftem. Es gehört derselben Familie, die das ehemalige „Deniz“ übernommen hat. Die beiden Lokale helfen sich gegenseitig: Wollen die Kunden Fleisch im Kebab, schicken die Mitarbeiter von Cigköftem sie weiter ins eigentliche Restaurant gegenüber der Promenade und umgekehrt. Mete Kem ist Kellner im ehemaligen „Deniz“ und leitet gemeinsam mit seinem Vater und dessen Bruder die Geschäfte. Momentan suchen sie nach einem neuen Namen dafür. Ideen gebe es, nur spruchreif sei noch nichts.
Geschichtestunde
„St. Pölten ist schon eine Kebab-Stadt“, findet Mete, „die Leute brauchen ihren Döner, denn ohne geht’s irgendwie nicht.“ Das hat schon früh begonnen. Am Abend des Interviews mit Mete sitzt ein Herr mittleren Alters am Nebentisch und mischt sich ins Gespräch. Seine Statur erinnert an einen orientalischen Mike Tyson: Großgewachsen mit rasierter Glatze. Aus dem Kragen seines Anzugs schlängelt sich ein Tattoo den Nacken entlang nach oben. Er wohnt schon lange in St. Pölten und hat die Gründung des ersten Kebabstandes am Domplatz miterlebt. „Das war Ahmet Dogan. Zwischen 1988 und 1989 hat er begonnen in einem Wagen dort Kebab zu verkaufen“, erinnert er sich mit einer Stimme so tief, dass die restlichen Tische beinahe mitvibrieren. Damals holte die Glanzstoff Arbeiter aus den südanatolischen Provinzen Erzincan und Tunceli. „Sie haben Leute in guter gesundheitlicher Verfassung aus diesen Orten nach einem Auswahlverfahren nach St. Pölten mitgenommen. Deswegen kommen die Besitzer der Kebabstände heute fast alle aus derselben Region. Für die wurde damals sogar noch applaudiert.“ Mitte der 90er-Jahre habe der Döner-Markt dann begonnen aufzublühen.
Bis heute hat sich daran wenig geändert. Das Gegenteil ist der Fall: St. Pöltens Kebabimbisse expandieren laufend. Güzel Ocak, der ehemalige Besitzer des Deniz, plant ein neues Restaurant in der Linzerstraße, der „Kebab King“ hat renoviert und auch „Kurtis“ baut aus. Zwei neue Lokale stampft Narin Kurt gemeinsam mit ihrem Mann und seinem Bruder aus dem Boden. In einem, neben dem Traisenpark, verkaufen sie bereits Kebab und Fladenbrot, das andere eröffnet bald unter der Leitung des Schwagers in Viehofen. Für ihren ersten Kebabladen in der Herzogenburgerstraße renovierten sie 2005 eine alte Trafik und der ist vor allem FH-Absolventen in Erinnerung geblieben. „Die Studenten waren einfach verrückt nach unseren Saucen und dem Fleisch“, erzählt Narin. Mittlerweile sind sie voll ausgelastet und haben ihr ehemaliges Restaurant verpachtet.
Das Kebablokal wird weiter wachsen. Dafür werden alte und neue Gastronomen mit Vorliebe für das orientalische Sandwich sorgen, denn an einem zweifelt kaum jemand: Solange sich die Erde weiterdreht, werden es auch St. Pöltens Kebabspieße.
„St. Pölten ist schon eine Kebab-Stadt“, findet Mete, „die Leute brauchen ihren Döner, denn ohne geht’s irgendwie nicht.“ Das hat schon früh begonnen. Am Abend des Interviews mit Mete sitzt ein Herr mittleren Alters am Nebentisch und mischt sich ins Gespräch. Seine Statur erinnert an einen orientalischen Mike Tyson: Großgewachsen mit rasierter Glatze. Aus dem Kragen seines Anzugs schlängelt sich ein Tattoo den Nacken entlang nach oben. Er wohnt schon lange in St. Pölten und hat die Gründung des ersten Kebabstandes am Domplatz miterlebt. „Das war Ahmet Dogan. Zwischen 1988 und 1989 hat er begonnen in einem Wagen dort Kebab zu verkaufen“, erinnert er sich mit einer Stimme so tief, dass die restlichen Tische beinahe mitvibrieren. Damals holte die Glanzstoff Arbeiter aus den südanatolischen Provinzen Erzincan und Tunceli. „Sie haben Leute in guter gesundheitlicher Verfassung aus diesen Orten nach einem Auswahlverfahren nach St. Pölten mitgenommen. Deswegen kommen die Besitzer der Kebabstände heute fast alle aus derselben Region. Für die wurde damals sogar noch applaudiert.“ Mitte der 90er-Jahre habe der Döner-Markt dann begonnen aufzublühen.
Bis heute hat sich daran wenig geändert. Das Gegenteil ist der Fall: St. Pöltens Kebabimbisse expandieren laufend. Güzel Ocak, der ehemalige Besitzer des Deniz, plant ein neues Restaurant in der Linzerstraße, der „Kebab King“ hat renoviert und auch „Kurtis“ baut aus. Zwei neue Lokale stampft Narin Kurt gemeinsam mit ihrem Mann und seinem Bruder aus dem Boden. In einem, neben dem Traisenpark, verkaufen sie bereits Kebab und Fladenbrot, das andere eröffnet bald unter der Leitung des Schwagers in Viehofen. Für ihren ersten Kebabladen in der Herzogenburgerstraße renovierten sie 2005 eine alte Trafik und der ist vor allem FH-Absolventen in Erinnerung geblieben. „Die Studenten waren einfach verrückt nach unseren Saucen und dem Fleisch“, erzählt Narin. Mittlerweile sind sie voll ausgelastet und haben ihr ehemaliges Restaurant verpachtet.
Das Kebablokal wird weiter wachsen. Dafür werden alte und neue Gastronomen mit Vorliebe für das orientalische Sandwich sorgen, denn an einem zweifelt kaum jemand: Solange sich die Erde weiterdreht, werden es auch St. Pöltens Kebabspieße.