Edith Goldeband – Optimieren statt skandalisieren
Text
Michael Müllner
Ausgabe
Der Landesrechnungshof versteht sich nicht als Skandal-Lieferant, dennoch haben seine Berichte das Potential für Unruhe zu sorgen – und für Verbesserungen in allen Bereichen der Landesverwaltung. 26 Landtagsabgeordnete wollen nun genau wissen, ob landesnahe Unternehmungen parteipolitisch motiviert agieren. Ein Gespräch mit der Direktorin des Landesrechnungshofs.
Der Landesrechnungshof ist ja ein Organ des Landtags. Was ist denn Ihre Aufgabe?
Der niederösterreichische Landtag hat neben der Gesetzgebungskompetenz noch eine zweite Königsfunktion, wenn man so will: Die Kontroll- und Budgethoheit. Unsere Aufgabe ist es, diese Kontrollhoheit durch objektive Berichte und Empfehlungen zu unterstützen. Praktisch gesehen gibt es unterschiedliche Bereiche, die wir überprüfen und zu denen wir Verbesserungsvorschläge machen. Auch die überprüften Stellen werden so vor Schaden bewahrt, was von diesen auch durchaus positiv gesehen wird. Wir wollen ja optimieren und nicht skandalisieren. Zu wissen, dass man durch uns überprüft werden kann, hat sicher jedenfalls eine sehr positive, präventive Wirkung.
Was zeichnet gute Prüfer aus?
Die Prüferinnen und Prüfer sind unsere wichtigste Ressource, darum legen wir sehr großen Wert auf ihre Kompetenz. Was sie nicht entdecken, das sieht der Rechnungshof schlicht und einfach nicht. Wir suchen Leute mit Erfahrung in der Landesverwaltung oder Landesunternehmen und beteiligen uns an entsprechenden Aus- und Weiterbildungen. Da geht es um Erfahrungsaustausch untereinander, aber auch um gleiche Qualifikation auf Ebene der Prüfer. Sehr wichtig sind auch die laufenden Vernetzungstreffen, innerhalb Österreichs, aber auch auf europäischer Ebene.
Ist nicht gerade die Herkunft aus dem Landesdienst ein Problem an sich? Wie schlüpft man nach langer Zeit in der Verwaltung dann plötzlich in die Rolle eines Prüfers?
Neben der Kompetenz braucht ein guter Prüfer salopp gesagt schon auch einen gewissen Jagdinstinkt. Das ist ähnlich wie im Journalismus. In unserer Arbeit geht es nicht um das Skandalisieren von Fehlern, sondern darum, den Zahlen eine Stimme zu geben. Das gelingt mit Objektivität. Klarheit geht hier vor Harmonie und somit muss man natürlich manchmal auch den einen oder anderen Konflikt aushalten. In diesem Sinne hat sich der Landesrechnungshof das Vertrauen des gesamten Landtags erarbeitet.
Im Hinblick auf die einzelnen Prüferinnen und Prüfer, die aus der Verwaltung kommen, ist klar, dass es eine Cool-off-Phase brauchen kann. Man muss schon reflektiert sein. Wo man befangen sein kann, dort darf man nicht prüfen und wird nicht eingesetzt. Für derartige Fragen gibt es auch einen Ethikbeirat. Bei uns prüft auch niemand allein, sondern immer im Team, weil wir denken, dass eine oder einer allein schwer objektiv sein kann. Als ersten Schritt erstellen die Prüfer ein Prüfkonzept, das intern präsentiert und diskutiert wird. Wir achten auf eine Mischung aus Spezialisten und Generalisten, die für einen Ausgleich und Diversität sorgen bzw. schon vom Start weg intern hinterfragen, ob die Richtung passt. Bei Bedarf holen wir uns Unterstützung durch Fachleute und tauschen uns mit anderen Rechnungshöfen aus.
Welchen Stellenwert hat dabei die Zertifizierung des Landesrechnungshofs nach internationalen Standards?
Das ist mir ein sehr großes Anliegen. Wir haben uns selber strengen Zertifizierungsrichtlinien unterworfen. Wir wissen also, wie es sich anfühlt, wenn man geprüft wird. Wir sind in der gleichen Situation, auch bei uns wird geschaut, ob Organigramme und Stellenbeschreibungen stimmen, ob Abläufe eingehalten werden. Dabei werden auch unsere „Kunden“ genau auf ihre Zufriedenheit befragt, das sind einerseits die überprüften Organisationen, aber auch die Mitglieder des Landtags, in dessen Auftrag wir ja tätig sind. Das sichert einen hohen Standard und ermöglicht uns auch laufend unseren eigenen Ablauf zu optimieren, frei nach Bruno Kreisky: „Der Sinn des Lebens ist das Unvollendete.“
Wenn Sie einen Prüfauftrag mit einem Bericht abschließen, was ändert sich dann in der Realität?
Unser Bericht kommt zur Vorberatung in den Rechnungshof-Ausschuss des Landtags und wird anschließend im Plenum des Landtags öffentlich diskutiert. In der Regel wird der Bericht dort zur Kenntnis genommen und formal „zum Beschluss erhoben“. Wir machen ja konkrete Empfehlungen, wie es besser gehen kann. Ungefähr nach zwei Jahren folgt dann die Nachkontrolle, dann schauen wir wieder vorbei und prüfen, was von unseren Empfehlungen umgesetzt wurde.
Und zufrieden sind Sie nur, wenn alle Empfehlungen umgesetzt wurden?
Wenn unsere Empfehlungen zu 80 Prozent umgesetzt wurden, dann ist das in der Regel ein guter Wert. Wenn zu wenig umgesetzt wird, dann fragen wir natürlich nach, was los ist. Aber zugleich wären wir wohl nachdenklich, wenn alles von vorne bis hinten umgesetzt wird – womöglich waren unsere Empfehlungen dann nicht streng genug? Es kann ja durchaus auch gute Gründe geben, weshalb manche Empfehlungen nicht oder noch nicht umgesetzt wurden. Veränderungen brauchen eben auch Zeit.
Im April 2022 beschlossen 26 Mandatare von SPÖ, FPÖ, Neos und Grünen fünf Prüfaufträge, die der Rechnungshof bis September abgeschlossen haben soll. Es geht um vermutete, irreguläre Parteienfinanzierung über Unternehmungen des Landes. Wie sollen diese umfassenden Aufträge in der vergleichsweise kurzen Zeit umgesetzt werden? Besteht nicht die Gefahr, dass durch derartige Wünsche der Mandatare das eigentliche Prüfprogramm des Rechnungshofes, das er sich im Wesentlichen ja selber überlegt, ausgebremst wird?
Seit 1. Juli 1998 hat der Landesrechnungshof 341 Berichte mit insgesamt 3.678 Empfehlungen vorgelegt. Davon entfielen 17 Berichte auf Prüfaufträge. Das entsprach einem Anteil von 5 Prozent. Somit beruhten durchschnittlich 95 Prozent der Berichte auf dem eigenen Prüfungsprogramm des Landesrechnungshofs, das risiko- und wirkungsorientiert erstellt wird, mit qualitativen und quantitativen Auswahlkriterien, unter anderem dem Gebarungsumfang oder wann die letzte Prüfung war, et cetera. Da sehe ich also keine große Gefahr, dass wir nicht weiterhin selbstständig agieren können, auch wenn es heuer vielleicht so sein wird, dass der Anteil unserer Berichte, die aufgrund von Prüfaufträgen erstellt wurden, bei vierzig oder fünfzig Prozent liegen wird, sozusagen ein Ausreißer nach oben.
An den fünf konkret genannten Prüfaufträgen arbeiten wir mit Hochdruck. Das Gesetz gibt uns dahingehend keine Frist vor, aber wir werden uns natürlich dennoch bemühen, dem Wunsch der 26 Mitglieder des Landestags zu entsprechen. Wesentlich wird es davon abhängen, in welcher Form und bis wann die nötigen Informationen von den Unternehmungen vorgelegt werden können.
Kann man sich eigentlich auch als Bürger an den Landesrechnungshof wenden, etwa in Form einer Whistleblower-Meldestelle?
Wir bewerben das nicht offensiv in Form einer Meldestelle, denn wir wollen niemanden mit falschen Erwartungshaltungen enttäuschen – wir sind schlichtweg für vieles nicht zuständig. Aber wir erhalten dennoch immer wieder Hinweise und gehen diesen dann nach bzw. leiten sie an die zuständigen Stellen weiter.
DER LANDESRECHNUNGSHOF
Die Juristin Edith Goldeband stammt aus Graz und arbeitete seit 1986 im Prüfdienst des Rechnungshofs in Wien. Seit 1. Juli 2010 leitet sie den Landesrechnungshof in NÖ. Nach einem Hearing im Frühjahr 2022 verlängerte der Landtag mittels Allparteienantrag die Bestellung für weitere sechs Jahre, womit die passionierte Marathonläuferin dem Prüforgan bis 2028 vorstehen wird.
Der Landesrechnungshof verfügt über 23 Planstellen, davon sind 21 Prüferinnen und Prüfer. Diese überprüfen die Tätigkeit von über 34.000 Landesbediensteten in Verwaltung, Spitälern, Schulen, Pflege- und Betreuungszentren sowie von Angestellten in Unternehmungen, an denen das Land beteiligt ist. Das zu überprüfende Haushaltsvolumen beträgt dabei rund 13,7 Milliarden Euro. Das Budget des Rechnungshofs mit 2,9 Millionen wirkt dazu im Vergleich recht bescheiden. Die Direktorin hält dazu fest: „Der Landesrechnungshof spart regelmäßig mehr ein als er kostet, obwohl seine Empfehlungen nicht einseitig auf Sparen ausgerichtet sind, sondern auf ganz allgemein Verbesserungen. Das können auch Investitionen in Instandhaltung und Anschaffungen sein oder Anschubfinanzierungen etwa im Bereich der Digitalisierung.“
Die Kontrollarbeit rechnet sich, wie Beispiele zeigen. Die Nachkontrollen zu den Einmietungen in den NÖ Universitäts- und Landeskliniken sowie den Jugendausbildungs- und Leistungszentren ergaben Mehreinnahmen von drei Millionen Euro bei den Einmietungen und Minderausgaben von 2,3 Millionen Euro bei den Zentren. Die Berichte über die Baurechtsaktion und die NÖ Familienland GmbH zeigten, dass bei der Baurechtsaktion 14 Millionen Euro oder das Vierzehnfache der jährlichen Ausgaben und bei NÖ Familienland GmbH sechs Millionen Euro auf der „hohen Kante“ lagen und dafür kein „frisches Geld“ aus dem Landeshaushalt ausgegeben werden sollte.
Was lange währt, wird endlich gut
Nach jahrelangen Diskussionen wurde erst im Jahr 2021 die Prüfkompetenz des Landesrechnungshofes ausgedehnt. Früher war es nötig, dass das Land zu 50 Prozent an einer Unternehmung beteiligt ist oder sie tatsächlich beherrscht – was oft schwer nachweisbar war. Heute reicht eine Beteiligung von 25 Prozent, um der Kontrolle des Rechnungshofes zu unterliegen. Wesentlich mehr Projekt- und Tochtergesellschaften der öffentlichen Hand können somit vom Rechnungshof auf dessen eigenen Antrieb hin überprüft werden.
Nach wie vor in Diskussion steht eine weitere Ausweitung der Prüfkompetenz. So schlägt der Rechnungshof vor, dass ihm die Kompetenz eingeräumt wird auch Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern prüfen zu können. Derzeit kann der Rechnungshof nicht von sich aus eine Prüfung kleinerer Gemeinden beschließen, er bräuchte dazu einen Auftrag der Landesregierung, was sich realpolitisch schwierig gestalten würde – nach welchen Kriterien solle die Landesregierung die zu prüfenden Gemeinden auswählen? Gemeinden unter 10.000 Einwohner sind auch nicht von der Prüfkompetenz des Rechnungshofs des Bundes erfasst. Direktorin Goldeband ist sich daher sicher, dass die Gemeinden von der Prüfkompetenz sehr profitieren würden und niemand etwas zu befürchten hätte. „Wir bohren darum gerne weiter an diesem dicken Brett“, gibt sie sich zuversichtlich.
SONDERPRÜFUNG DER LANDESGESELLSCHAFTEN DURCH DEN RECHNUNGSHOF
Von einem historischen Moment sprach Indra Collini von den Neos, die „Sonderprüfung würde endlich Licht in die bislang dunklen Hinterzimmer der Parteien bringen und verlorenes Vertrauen der Bevölkerung wiederherstellen“. Gemeinsam brachten SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos fünf Prüfaufträge ein. Konkret werden Unternehmen geprüft, an denen das Land NÖ wesentlich beteiligt ist.
Geprüft wird, ob diese Unternehmen letztlich Steuergeld an parteinahe Medien weitergereicht haben und so verdeckte Parteienfinanzierung vorliegt. Aktuell schlägt das Thema in Vorarlberg hohe Wellen, wo etwa private Unternehmer berichteten, dass sie von Politikern angehalten worden sind, wirtschaftlich sinnlose Inserate in Parteizeitungen zu schalten. Geprüft werden die Zahlungsflüsse im Zusammenhang mit Inseraten, Werbung, Sponsoring und ähnlichem von EVN, Hypo NÖ, der NÖ Landesgesundheitsagentur, der Wirtschaftsagentur ecoplus sowie „kleineren“ Unternehmungen, die dem Land gehören oder wo das Land anschafft, etwa bei der „Garten Tulln“. Einen ersten Vorbericht wünschen die Abgeordneten bis zum 20. Juni, am 30. September 2022 soll sogar der Endbericht vorliegen. Vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahlen, spätestens im Frühjahr 2023, könnten die Berichte Stoff für den Wahlkampf liefern – abgesehen von möglichen rechtlichen Konsequenzen.