Ein gemeinsames Schwingen
Text
Andreas Reichebner
Ausgabe
Raum für eine offene, multipluralistische Gesellschaft sein, lokale Themen bearbeiten, die Kultur der Debatte hochhalten, sich einmischen und mit den Menschen vor Ort in den Dialog treten – so sieht Marie Rötzer, die künstlerische Leiterin des Landestheaters NÖ, im Interview die Rolle ihres Hauses in St. Pölten.
Wie sehen Sie die momentane Situation einer Kultureinrichtung?
In dieser Situation ist es für uns als Theater sehr schwer, unsere Geschichten, Themen und Stoffe ans Publikum zu bringen. Im Herbst hatten wir einen schönen Saisonstart mit Othello, konnten mit einem Regisseur aus London und einem schwarzen Hauptdarsteller das Stück erzählen. Ein großer Erfolg, wo wir viele weitere Vorstellungen anhängen. Wir bekamen auch viel Lob in einem großen Artikel in der New York Times, wobei es explizit darum ging, dass in einem österreichischen Theater mit einem schwarzen Helden bei Shakespeare ein Zeichen gesetzt wurde, für eine offene Gesellschaft. Dafür, für eine multipluralistische und offene Gesellschaft setzen wir uns ein. Das ist besonders wichtig in Zeiten, wo soziales Leben eingeschränkt ist, hier hat Kultur die Aufgabe, ein Gesellschaftserlebnis zu ermöglichen, Kultur die Möglichkeit, die Herzen der Menschen zu öffnen. Die Corona-Pandemie hat vieles verschärft, es gibt eine Überhitzung in der Debatte, man kommt gar nicht zur Ruhe. Es wäre so wichtig gewesen, dass wir den Winter ohne Lockdown überstehen.
Was kann Theater leisten?
In Dialog mit den Menschen treten, viele Themen über das Theater diskutieren. Wie etwa in Zauberberg von Thomas Mann, wo eine Wohlstandsgesellschaft zu sehen ist, die in Krankheit erstarrt. Ein Mantra ist für mich, das Theater an der Kultur der Debatte teilnehmen zu lassen. Es fehlt daran, dass wir reden. Die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher können das ganz gut. Beim Reden kommen wir z´samm, auch durch das Streiten, der Diskurs ist wichtig, solange wir reden, uns austauschen, kann es funktionieren. Da soll Theater mitmischen, sich einmischen.
Worin sehen Sie die Aufgabe des Landestheaters für St. Pölten?
Wir wollen viele Menschen aus der Stadt für Theater begeistern. Es wäre schön, wenn wir möglichst viele unterschiedliche Personen dafür begeistern können. Wichtig ist für uns eine vielfältige Diversität in der Gesellschaft anzustreben. Wir gehen auf die Menschen zu, wollen sie treffen, auch mit lokalen Themen, die wir erspüren und partizipativ bearbeiten. Durch Corona sind wir ein bisserl stehen geblieben, auch bei den Formaten, wo wir nach außen gehen, wie etwa Steilwand – der DJ Abend mit Tim Breyvogel, der ja eine unheimlich tolle Premiere im schwarzen Raum des SKW erlebte. Wo wir viele Locations und Orte schon vorbereitet haben, ausfindig gemacht haben, wo wir spielen wollten, Corona hat das verhindert. Da waren wir auf einem richtigen Weg, wo wir Menschen, die Kultur nicht so in ihrem Alltag implementiert haben, erreichen konnten, sie ein bisserl anschubsen.
Wir sehen es auch als unsere Aufgabe für die Stadt und für NÖ, Theater stark auch für ein junges Publikum zu zeigen. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung, mit all ihren Vorteilen aber auch Nachteilen, Kinder für das Theater zu gewinnen. Mit dem Städtchen Drumherum, aber auch mit dem kleinen Gespenst ist es uns sehr gut gelungen. Wahre Begeisterungsstürme hat die Premiere ausgelöst – es ist ja irgendwie ein Generationenstück, wo schon ganz kleine Kinder mit ihren Großeltern gemeinsam einen schönen Theaterabend erlebt haben, Theater verbindet.
Nach dem Diskurs-Format „Zukunftsbüro“ ist jetzt das Erinnerungsbüro des Landestheaters ein Thema. Was steckt dahinter?
Für uns ist auch die Erinnerungskultur wichtig. Es geht in diesen Projekten, dem Stadtspaziergang, der langen Tafel, der lebendigen Bibliothek und Nathan 575, um die Aufarbeitung der Vergangenheit St. Pöltens auf unterschiedlichen performativen und partizipativen Wegen und Orten in der Stadt und außerhalb des Theaters. Nicht wir sind die tollen Künstlerinnen und Künstler und unten sitzt das Publikum, deshalb finde ich in diesem Zusammenhang den Begriff der Partizipation sehr gut. Die Menschen können uns beim Stadtspaziergang begegnen, auch ihre eigenen Geschichten erzählen. Es ist ein gemeinsames Schwingen.
Wird diese Art des Einmischens, Mitmischens weitergeführt?
Auch in der nächsten Spielzeit wird das fortgeführt, wir werden zu brennenden Themen der Stadtgesellschaft wie Ökologie, nachhaltiges Leben, Ausgleich von sozialen Differenzen, Genderfragen, wo wir das Gefühl haben, dass die Menschen unsicher sind, Projekte entwickeln. Da kann das Theater Hilfestellungen geben, über Ängste sprechen – da können wir uns mit vielen unserer Geschichten einmischen.
Wie ist die Verbindung zum St. Pöltner Publikum?
Ich war schon in vielen Städten und Theatern, in Berlin, Hamburg und bin auch nach wie vor viel unterwegs an den Bühnen, aber in St. Pölten haben wir das beste Publikum, das ist auch vom niederösterreichischen zu sagen, es ist ein unglaublich neugieriges Publikum. Speziell nach dem Lockdown habe ich festgestellt, dass die Begeisterung da war, das motiviert unsere Schauspieler. Es macht uns sehr glücklich, wenn die Verbindung zum Publikum wirklich gegeben ist. Wir sehen, dass es richtig ist, Theater für die Stadt zu machen, die Vergangenheit aufzuarbeiten, aber auch Einflüsse von außen mitzunehmen, wie internationale Koproduktionen und Gastspiele und damit St. Pölten und Niederösterreich auch am internationalen Kulturleben teilhaben zu lassen. Aber wir sind auf einem sehr guten Weg, zu meiner Vision eines offenen Hauses, aber noch lange nicht am Ende unserer Theaterarbeit. Was uns in der Theaterarbeit freut, ist das positive Feedback, das sich durch die Nestroy-Preisverleihungen, aber auch das mediale Lob von der New York Times zeigt, aber der größte Erfolg für das Theater ist, wenn man das Publikum bei sich hat.
Wie sieht die unmittelbare Zukunft aus?
Für die unmittelbare Zukunft bleibt zu hoffen, dass wir bald wieder öffnen können, dass das Publikum auch kommt, wenn wir pandemiebedingt verschiedene Maßnahmen ergreifen müssen. Gerade brummt unser Haus so richtig bei den Vorbereitungen für Herr Puntila und sein Knecht Matti von Brecht – das wird ein ganz theatralisches, sinnliches und musikalisches Stück mit Musik und tollen Choreografien. Ganz besonders freuen wir uns auch auf das Faust-Gastspiel mit Philipp Hochmair, das ja auch in Salzburg bei den Festspielen zu sehen war.
In dieser Situation ist es für uns als Theater sehr schwer, unsere Geschichten, Themen und Stoffe ans Publikum zu bringen. Im Herbst hatten wir einen schönen Saisonstart mit Othello, konnten mit einem Regisseur aus London und einem schwarzen Hauptdarsteller das Stück erzählen. Ein großer Erfolg, wo wir viele weitere Vorstellungen anhängen. Wir bekamen auch viel Lob in einem großen Artikel in der New York Times, wobei es explizit darum ging, dass in einem österreichischen Theater mit einem schwarzen Helden bei Shakespeare ein Zeichen gesetzt wurde, für eine offene Gesellschaft. Dafür, für eine multipluralistische und offene Gesellschaft setzen wir uns ein. Das ist besonders wichtig in Zeiten, wo soziales Leben eingeschränkt ist, hier hat Kultur die Aufgabe, ein Gesellschaftserlebnis zu ermöglichen, Kultur die Möglichkeit, die Herzen der Menschen zu öffnen. Die Corona-Pandemie hat vieles verschärft, es gibt eine Überhitzung in der Debatte, man kommt gar nicht zur Ruhe. Es wäre so wichtig gewesen, dass wir den Winter ohne Lockdown überstehen.
Was kann Theater leisten?
In Dialog mit den Menschen treten, viele Themen über das Theater diskutieren. Wie etwa in Zauberberg von Thomas Mann, wo eine Wohlstandsgesellschaft zu sehen ist, die in Krankheit erstarrt. Ein Mantra ist für mich, das Theater an der Kultur der Debatte teilnehmen zu lassen. Es fehlt daran, dass wir reden. Die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher können das ganz gut. Beim Reden kommen wir z´samm, auch durch das Streiten, der Diskurs ist wichtig, solange wir reden, uns austauschen, kann es funktionieren. Da soll Theater mitmischen, sich einmischen.
Worin sehen Sie die Aufgabe des Landestheaters für St. Pölten?
Wir wollen viele Menschen aus der Stadt für Theater begeistern. Es wäre schön, wenn wir möglichst viele unterschiedliche Personen dafür begeistern können. Wichtig ist für uns eine vielfältige Diversität in der Gesellschaft anzustreben. Wir gehen auf die Menschen zu, wollen sie treffen, auch mit lokalen Themen, die wir erspüren und partizipativ bearbeiten. Durch Corona sind wir ein bisserl stehen geblieben, auch bei den Formaten, wo wir nach außen gehen, wie etwa Steilwand – der DJ Abend mit Tim Breyvogel, der ja eine unheimlich tolle Premiere im schwarzen Raum des SKW erlebte. Wo wir viele Locations und Orte schon vorbereitet haben, ausfindig gemacht haben, wo wir spielen wollten, Corona hat das verhindert. Da waren wir auf einem richtigen Weg, wo wir Menschen, die Kultur nicht so in ihrem Alltag implementiert haben, erreichen konnten, sie ein bisserl anschubsen.
Wir sehen es auch als unsere Aufgabe für die Stadt und für NÖ, Theater stark auch für ein junges Publikum zu zeigen. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung, mit all ihren Vorteilen aber auch Nachteilen, Kinder für das Theater zu gewinnen. Mit dem Städtchen Drumherum, aber auch mit dem kleinen Gespenst ist es uns sehr gut gelungen. Wahre Begeisterungsstürme hat die Premiere ausgelöst – es ist ja irgendwie ein Generationenstück, wo schon ganz kleine Kinder mit ihren Großeltern gemeinsam einen schönen Theaterabend erlebt haben, Theater verbindet.
Nach dem Diskurs-Format „Zukunftsbüro“ ist jetzt das Erinnerungsbüro des Landestheaters ein Thema. Was steckt dahinter?
Für uns ist auch die Erinnerungskultur wichtig. Es geht in diesen Projekten, dem Stadtspaziergang, der langen Tafel, der lebendigen Bibliothek und Nathan 575, um die Aufarbeitung der Vergangenheit St. Pöltens auf unterschiedlichen performativen und partizipativen Wegen und Orten in der Stadt und außerhalb des Theaters. Nicht wir sind die tollen Künstlerinnen und Künstler und unten sitzt das Publikum, deshalb finde ich in diesem Zusammenhang den Begriff der Partizipation sehr gut. Die Menschen können uns beim Stadtspaziergang begegnen, auch ihre eigenen Geschichten erzählen. Es ist ein gemeinsames Schwingen.
Wird diese Art des Einmischens, Mitmischens weitergeführt?
Auch in der nächsten Spielzeit wird das fortgeführt, wir werden zu brennenden Themen der Stadtgesellschaft wie Ökologie, nachhaltiges Leben, Ausgleich von sozialen Differenzen, Genderfragen, wo wir das Gefühl haben, dass die Menschen unsicher sind, Projekte entwickeln. Da kann das Theater Hilfestellungen geben, über Ängste sprechen – da können wir uns mit vielen unserer Geschichten einmischen.
Wie ist die Verbindung zum St. Pöltner Publikum?
Ich war schon in vielen Städten und Theatern, in Berlin, Hamburg und bin auch nach wie vor viel unterwegs an den Bühnen, aber in St. Pölten haben wir das beste Publikum, das ist auch vom niederösterreichischen zu sagen, es ist ein unglaublich neugieriges Publikum. Speziell nach dem Lockdown habe ich festgestellt, dass die Begeisterung da war, das motiviert unsere Schauspieler. Es macht uns sehr glücklich, wenn die Verbindung zum Publikum wirklich gegeben ist. Wir sehen, dass es richtig ist, Theater für die Stadt zu machen, die Vergangenheit aufzuarbeiten, aber auch Einflüsse von außen mitzunehmen, wie internationale Koproduktionen und Gastspiele und damit St. Pölten und Niederösterreich auch am internationalen Kulturleben teilhaben zu lassen. Aber wir sind auf einem sehr guten Weg, zu meiner Vision eines offenen Hauses, aber noch lange nicht am Ende unserer Theaterarbeit. Was uns in der Theaterarbeit freut, ist das positive Feedback, das sich durch die Nestroy-Preisverleihungen, aber auch das mediale Lob von der New York Times zeigt, aber der größte Erfolg für das Theater ist, wenn man das Publikum bei sich hat.
Wie sieht die unmittelbare Zukunft aus?
Für die unmittelbare Zukunft bleibt zu hoffen, dass wir bald wieder öffnen können, dass das Publikum auch kommt, wenn wir pandemiebedingt verschiedene Maßnahmen ergreifen müssen. Gerade brummt unser Haus so richtig bei den Vorbereitungen für Herr Puntila und sein Knecht Matti von Brecht – das wird ein ganz theatralisches, sinnliches und musikalisches Stück mit Musik und tollen Choreografien. Ganz besonders freuen wir uns auch auf das Faust-Gastspiel mit Philipp Hochmair, das ja auch in Salzburg bei den Festspielen zu sehen war.