MFG - A little too fast, a little too furious
A little too  fast, a little too  furious


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

A little too fast, a little too furious

Text Johannes Mayerhofer
Ausgabe 05/2025

Ein Jahr nach der 34. Novelle der Straßenverkehrsordnung ziehen Polizei und Behörden Fazit. Illegale Autorennen sind im Stadtgebiet kein Problem, illegale Tunings werden weniger. Lärm durch Raser raubt Anrainern am Ratzersdorfer See jedoch den Nerv.


Mit der 34. Novelle der Straßenverkehrsordnung wollte die damals noch schwarz-grüne Bundesregierung Extremrasern mit notorischem „Bleifuß“ einen Riegel vorschieben. Kern der Reform, welcher damals von mancher Seite auch kritisch beäugt wurde, war die Möglichkeit, unbelehrbare Extremraser um ihr Vehikel zu erleichtern, sprich: den Pkw zu beschlagnahmen und dauerhaft abzunehmen, beziehungsweise zu versteigern. Als „Extremraser“ wurde laut Novelle definiert, wer im Ortsgebiet mit über 80 km/h und außerhalb eines Ortsgebietes 90 km/h über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit unterwegs ist. Wie sieht die Straßenverkehrssituation ein gutes Jahr später aus, österreichweit und speziell in und um St. Pölten? Wie viele Autos wurden beschlagnahmt? Gibt es Probleme bezüglich lokaler Tuning-Banden und illegaler Straßenrennen?

Fahrzeugabnahmen blieben hinter Erwartungen zurück
„Im Jahr 2024 gab es österreichweit 164 Fahrzeugabnahmen“, bestätigt Matthias Wolf von den ÖAMTC-Rechtsdiensten auf MFG-Anfrage. „Das ist aber nur ein Bruchteil von dem, was sich das Verkehrsministerium erwartet hat.“ Dort ging man nämlich von 445 Pkw-Beschlagnahmungen pro Jahr aus. Zu tatsächlichen Versteigerungen beschlagnahmter Pkw kam es überhaupt nur in wenigen Fällen. Die Differenz zwischen Erwartung und Realität lässt natürlich Raum für Interpretationen: Ist das Problem extremer Raserei in Österreich doch nicht so groß oder hatten die betreffenden Lenker einfach Glück und wurden nicht erwischt? „Bloß die Strafen zu erhöhen oder zu verschärfen alleine nützt nichts. Das wird Ihnen jeder Kriminologe bestätigen. Stattdessen muss die Gefahr fürs Rasen erwischt zu werden erhöht werden“, erklärt Wolf weiter. Dies gelänge etwa durch Schwerpunktkontrollen oder Einsätze in Zivilfahrzeugen. Die öffentliche Debatte habe „sicherlich den ein oder anderen sensibilisiert“, heißt es. Ob die Maßnahme ihren Zweck erfüllt habe, könne man zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht beurteilen.

Fünf Abnahmen im Bezirk St. Pölten
Überschaubar blieben die Pkw-„Enteignungen“ auch im Bereich St. Pölten Land. Nach Angaben der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten wurden im Bereich St. Pölten-Land  fünf Tempo-Rowdys um ihr Fahrzeug „erleichtert“ – zumindest vorläufig. „Die Beschlagnahme von Fahrzeugen ist in solchen Fällen ab einer Überschreitung von mehr als 60 km/h im Ortsgebiet, außerhalb des Ortsgebietes ab einer Überschreitung von mehr als 70 km/h möglich, wenn dem Lenker innerhalb der letzten vier Jahre bereits einmal die Lenkberechtigung wegen gewisser Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit entzogen wurde“, so die Behörde auf Anfrage des „MFG“-Magazins. Bei „Ersttätern“ liegt die Grenze jeweils 20 km/h höher. Die Hürden, bis jemand seinem Auto wirklich „Goodbye“ sagen muss (und sei es nur vorübergehend), sind also nicht unerheblich.
Die Geldstrafen liegen in Fällen derartiger Überschreitungen der Höchstgeschwindigkeit in einem Strafrahmen von 500 bis 7.500 Euro. „Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe können Ersatzfreiheitsstrafen bis zu sechs Wochen verhängt werden.“ 

Zu viel „Speed“ führte 2024 zu fast 90 Unfällen
Dass es bei Raserei nicht nur um Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Mitmenschen, sondern final auch um tragische Schicksale gehe, betont Bezirkspolizeikommandant Philipp Harold. „Im Jahr 2024 gab es in unserem Bezirk 88 Unfälle, weil mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren wurde. Dabei wurden 82 Menschen leicht und 27 Personen schwer verletzt. Leider haben dabei auch zwei Menschen ihr Leben verloren.“ 20 der 88 Unfälle spielten sich dabei auf der A1 ab. Natürlich dürfe man nicht pauschalisieren, es gebe „vereinzelt Menschen“, die mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs seien. „Eine etablierte Tuning- und Raserszene“ gebe es im Bezirk St. Pölten jedenfalls nicht.
Im Bereich der Stadt St. Pölten sieht die Situation etwas differenzierter aus. So sei es im Stadtkern eher ruhig, in der Peripherie gebe es allerdings schon lange Auffälligkeiten. „Es gibt hier eine Tuning­szene und die ist seit weit über zehn Jahren ein Problem“, schildert Stadtpolizeikommandant Franz Bäuchler. „Gerade in der Coronazeit waren die Zustände am massivsten.“ Räumlich sei vor allem der Bereich beim Ratzersdorfer See von entsprechenden Aktivitäten betroffen. Dabei gehe es eher nicht um tatsächliche Straßenrennen, wo längere Strecken in irrer Geschwindigkeit gefahren werden. „Was es aber schon gibt, sind massive Beschleunigungen bis zur nächsten oder übernächsten Ampel“, erklärt Bäuchler. Derartige Manöver seien aufgrund der kurzen Dauer besonders schwer zu ahnden. „Nach dem kurzfristigen Beschleunigungsschub fahren die Lenker ja meist wieder normal weiter.“ Fahrzeugabnahmen gab es seit der 34. StVO-Novelle keine im Bereich der Stadt. Die 164 vom ÖAMTC ausgewiesenen (meist nur vorübergehenden) Beschlagnahmungen findet Bäuchler „gar nicht mal so wenig“. Wie Matthias Wolf betont auch er rechtlich heikle Punkte der Reform, etwa wenn es sich beim Raser-Fahrzeug um einen Dienst- oder geliehenen Wagen handelt. Hier sieht das Recht jedoch ein lebenslanges Fahrverbot des Tempo-„Sünders“ hinsichtlich des betroffenen Fahrzeuges vor. 

Nicht nur Sicherheitsproblem, sondern auch Lärmbelästigung
Neben der Verkehrssicherheits-Komponente gehe es auch um die Lärmproblematik. „Für die Anrainer ist das natürlich ein Wahnsinn, wenn mitten in der Nacht – da passiert das meistens – auf einmal Motoren aufheulen oder Reifen quietschen.“ Oftmals träfen sich ganze Gruppen von Autobesitzern an Parkplätzen und seien lange Zeit erst mal unauffällig. Dann komme es aber immer wieder dazu, dass sie mit hoher Geschwindigkeit ihre Runden am Parkplatz drehen. „Die machen das mit System und haben oft eine Art Aufpasser. Sie stellen jemanden ab, der darauf achtet, dass keine Polizei in der Nähe ist, oder nach potentiellen Zivilstreifen Ausschau hält.“ Dieses Geschehen zu kontrollieren sei für die Polizei nicht einfach, da man nicht jede Nacht einen Funkwagen nur dafür abstellen könne um Parkplätze zu beobachten, wo die allermeiste Zeit nichts auffälliges passiere.

Tuner bleiben zunehmend auf dem Boden des Gesetzes
Bezüglich der technischen Aspekte des Autotunings seien schon länger Veränderungen zu beobachten. „Die rechtlich gesehen illegale Aufmotzerei tritt eher in den Hintergrund. Autos werden zwar getunt, jedoch bewegt sich das alles im Großen und Ganzen im legalen Bereich“, so Bäuchler. Dies sei teilweise die Folge von Schwerpunktaktionen, welche die städtische Polizei mit dem Prüfzug des Landes Niederösterreich durchführe. „Wenn an einem Fahrzeug technische Veränderungen vorgefunden werden, die nicht erlaubt sind oder als gefährlich eingestuft werden, dann gibt es auch Kennzeichenabnahmen.“
Ein weiterer Aspekt: Sowohl im Bezirk als auch in der Stadt St. Pölten wurde kräftig geblitzt. So wurden von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten von März 2024 bis März 2025 wegen fast 85.000 Geschwindigkeitsüberschreitungen Anzeige erstattet. Von März 2023 bis März 2024 waren es 342.249 Anzeigen. In der Stadt St. Pölten führten Tempoüberschreitungen zwischen März 2024 und März 2025 zu 15.667 Anzeigen. Von März 2023 und März 2024 zählte man hier 19.402. Dabei muss beachtet werden, dass zwischen dem Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitungen und der Anzeige Monate liegen können. Immerhin: Illegale Tunings, Autorennen und Pkw-Beschlagnahmungen dürften in und um St. Pölten kein bis kaum ein Problem sein. Würde man die Raser-Situation St. Pöltens in einen Film packen – er trüge wohl den Titel: „A little too fast, a little too furious.“