MFG - Im Wortreich – Mario Kern
Im Wortreich – Mario Kern


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St. Pöltens gute Seite

Im Wortreich – Mario Kern

Text Thomas Fröhlich
Ausgabe 09/2023

Der St. Pöltner Autor Mario Kern zählt zu den Ausnahmetalenten unter den Schriftstellern. Fernab jeglicher modischer Strömung entwickelt er ein lyrisches Universum, das im vor Kurzem erschienenen „Sternenklang und Erdenwort“ seinen aktuellen Eintrag fand.

Ein flammender Schnabel kratzt
an der Schale unserer Welt,
es regnet Feuer vom Himmel
ins trockene Feld der Wirklichkeit … 
Aus: Phönix, entfesselt

„Literarisch verorte ich mich am ehesten auf einer kleinen Insel.“ So der Autor Mario Kern in einer kurzen Selbstanalyse. Und: „Ich weiß, dass mein Schreiben nicht jeden Geschmack trifft. Doch ist mir das Schreiben so wichtig, dass es einfach passiert.“ Passieren muss. „Und wenn jemand anderer es auch gut findet, wunderbar!“ Seine Wortwahl, seine thematischen Vorlieben fußen nicht unbedingt auf dem, was heute im Zeitgenössischen gängig ist. Meistens schreibt er Lyrik. „Lyrik lebt vom Rhythmus. Der ergibt sich nicht zuletzt durch scheinbare Gegensätze. Tag und Nacht etwa. Es ist ja verdichtete Sprache, reich an Symbolen.“ Eine Aneinanderreihung an Alltagsbanalitäten, gar Kraftausdrücken interessiere ihn gar nicht. „Vielleicht wirkt das antiquiert – aber ein Gedicht über einen Kühlschrank scheint mir nicht möglich.“ Er sieht sich vielmehr als spirituellen Menschen: „Spiritualität ist das Bestreben, mit etwas Höherem in Berührung zu kommen, im Inneren wie auch über die Außenwelt.“ Das ist meilenweit von amtskirchlichen Regeln, aber mindestens genauso weit von globalen Esoterikformaten entfernt, die in erster Linie der sehr irdischen Bereicherung ihrer Gurus dienen. 

All diese Blätter vor mir 
mit all ihren Namen und Gesichtern 
sind letztlich nur ein Kleid,
das der Wald einst wieder ablegt … 
Aus: Was bleibt

Mario Kern verfasst seit seinem 18. Lebensjahr Gedichte. Mit 21 hatte er sein Lese-Debüt auf einem alten Gehöft in Norwegen mit einer Auswahl lyrischer Erkundigungen der inneren Natur des Menschen im Spiegelbild der ihn umgebenden Natur. Ein Erlebnis, das ihn prägen sollte. „Ich las zu dieser Zeit und auch davor gerne Shakespeare, Blake, Yeats oder Machens ‚Berg der Träume‘. Lyrik habe ich insgesamt stets wenig gelesen.“ Dennoch machte er sich einen hervorragenden Namen als Lyriker, auch wenn er mittlerweile zusätzlich regelmäßig Prosa, von Fiktionalem bis Essayistischem, veröffentlicht. Auch ein Roman ist derzeit im Entstehen. Es folgten Lesungen an den unterschiedlichsten Orten wie Konzerthäusern, Kinos, Kirchen, Burgen, Galerien, meist mit musikalischer Begleitung. Und diese Begleitung war mitunter sehr verschiedenartig, vom St. Pöltner Dom­organisten über den Schlagzeuger Daniel Letschka bis hin zu Multi-Instrumentalist Marcus Hufnagl und Ballycotton-Violinistin Christina Gaismaier, „jedes Mal etwas ganz Besonderes“, wie Kern gern zugibt. 2006 erschien sein Lyrikband „Traumverwoben“, und nun, im April 2023, „Sternenklang und Erdenwort“ in der Edition Syrinx. Mit Letzterem versuchte er, seine eigene Entwicklung seit „Traumverwoben“ nachzuvollziehen. „Mir lag nichts an einer Aneinanderreihung von ‚Highlights‘. Es sollten die besten Gedichte drin sein, aber in einer strukturierenden Unterteilung.“ Kern präzisiert: „Es gibt drei Kapitel: ‚Innenwelt‘, ‚Erdfülle‘ und ‚Gebet‘, die alle meine Ausrichtung widerspiegeln. ‚Gebet‘ etwa zeigt, wie stark Spiritualität bei mir verankert ist.“ Es handle sich um nichts weniger als den Versuch, „den bestmöglichen Ausdruck meiner poetischen Empfindungen der letzten Jahre zu finden.“ Titelbild und Grafiken stammen vom slowenischen Künstler Marko Pogačnik, den der Autor überaus schätzt. Mario Kern geht es ums Essenzielle. Und wird durchaus philosophisch: „Das Leben ist grundsätzlich die Essenz von allem und gleichzeitig alle Nuancen davon. Einheit und Polarität: Beides ist Wahrheit.“ Er scheut sich nicht, „das Göttliche“ zu benennen und in seine Lyrik einfließen zu lassen. „Das ist die Quelle des Lebens. Es ist in jedem Menschen, in jedem Wesen, in allen Dingen. Und ist zugleich etwas sehr Persönliches.“ Ist Mario Kern religiös? „Jede Religion kann nur ein Handlauf sein.“ Und wie jede Religion sei auch jeder Mythos eine Annäherung. Und zugleich eben auch eine persönliche Sache, „so wie jeder anders singt, textet oder sein Leben lebt.“ Und obgleich er in der Kunst allgemein das Reflektierende sehr schätzt, „fange ich schon auch etwas mit populären Dingen an“. Die erste „Star Wars“-Trilogie oder die „Herr der Ringe“-Filme haben es ihm nachhaltig angetan „Und ich bin auch ein großer Basketball-Fan.“

Die Welt ist nicht wie sie scheint
denn sie ist wie sie ist … 
Aus: Die Welt ist mehr

Kern, der in seiner Haltung und in seinen Meinungen oftmals dem Mainstream diametral entgegensteht, ist trotz seiner klassisch anmutenden Herangehensweise an Literatur und Kunst kein Bewohner eines wie auch immer gearteten Elfenbeinturms. Als genauer Beobachter gegenwärtiger Entwicklungen beunruhigt ihn derzeit ein Thema, das die Politik überhaupt nicht angreift: die KI. „Das, was uns mitunter vor vielen anderen Dingen ur-menschlich macht, nämlich unsere Kreativität, geben wir da gerade leichtfertig aus der Hand.“ Doch von Verzweiflung oder Hoffnungslosigkeit ist Kern weit entfernt. Auf die Frage, wo er lieber hingehe, in den Wald oder ins Kaffeehaus, antwortet er nach kurzem Nachdenken: „In den Wald. Und nachher ins Kaffeehaus.“