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MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Art Cop

Ausgabe 02/2009

„Kibara san a Menschen“, sang der Liedermacher Sigi Maron schon in den 70ern. Und das war eher ironisch-unfreundlich gemeint. Aber er kannte wohl Chefinspektor Alois Stöckl nicht. Denn der ist mittlerweile umtriebiger St. Pöltner Kulturvermittler und Brückenbauer zwischen unterschiedlichen Lebensentwürfen. Der Bulle als Menschenfreund – das ist wie Vin Diesel als Fahrlehrer? Stimmt nicht, wie folgendes Gespräch beweist.

„Vorher – Nachher“ hieß eine 2005 von Alois Stöckl im pittoresken Innenhof des St. Pöltner EGON organisierte Ausstellung, die Stöckls Intention auf den Punkt brachte: eine künstlerische Auseinandersetzung mit Schicksalen verschiedenster Menschen, denen eins gemeinsam ist: Dass sie nicht in Österreich geboren sind.
Der kurz geschorene, mit einer markanten Brille versehene Stöckl lächelt, wenn er an die gemeinsam mit dem Kulturverein Fuhrmannshof durchgeführte Veranstaltung denkt: „Eigentlich hab‘ ich das Ganze für meinen guten Freund Hüseyin gemacht!“ Einen, der in einem winzigen Dorf Nordkurdistans aufgewachsen ist und der nun als Maler in Österreich lebt. Und während Stöckl den in seinem Haushalt nicht unüblichen Kräutertee einschenkt und dazu Pistazien reicht, die ihm sein St. Pöltner Bekannter persischer Herkunft Houschmand zukommen ließ, setzt er hinzu: „Es geht ja letztendlich ums Zur-Schau-Stellen, sowohl von Kunst als auch von gesellschaftspolitischen Zusammenhängen.“ Zu Vieles stehe in irgendwelchen Ecken und habe nicht das Publikum, das es verdiente.
Und dieses Zur-Schau-Stellen reicht von Ausstellungen im Stockwerk in den Räumlichkeiten der Buchhandlung Thalia über das Open Air-Kunstprojekt Skulptur am See an den Viehofner Seen bis hin zu einer aktuellen Projektarbeit über Erfahrungen muslimischer Migranten mit der österreichischen Polizei im Rahmen der pädagogischen Ausbildung im Exekutivdienst. Denn der 1954 in der 3000 Seelen-Gemeinde Loosdorf aufgewachsene und in der Zwischenzeit in St. Pölten lebende Stöckl ist ja nicht nur Kultur(en)vermittler im wahrsten Sinne, sondern hauptberuflich Polizist. Polizeilehrer in Ybbs, um genau zu sein.
Wie das zusammengehe, frage ich ihn. „Wunderbar!“ antwortet Stöckl, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Die Polizei stelle ja einen Querschnitt durch alle Bevölkerungsschichten dar. „Darum ist‘s auch wichtig, dass Menschen mit Zuwanderungshintergrund da verstärkt reinkommen,“ ergänzt Stöckl. „Und dass wir vorgefertigte Bilder aus unseren Köpfen kriegen!“
Was sich wohl auf das Klischeebild DES Polizisten genauso bezieht wie auf das Klischeebild DES Ausländers. Und Bilder – und der Umgang damit – durchziehen ja das gesamte Leben Stöckls. „Ich bin ja geprägt von den 70ern – und ein typischer HTL-Schulabbrecher!“ Stöckl lacht: „Aber mir – sowie vielen anderen dieser Generation – ging‘s halt eher darum, was mir wichtig ist, und nicht, was ich ‚soll‘!“
Darauf folgten Jahre als technischer Zeichner, Getränkelieferant und Inhaber diverser Bürojobs. Und immer wieder das Nachdenken über die – politischen – Bilder, im Kopf, auf der Straße und in den Lokalen. Stöckl erinnert sich an das rauchgeschwängerte Wiener Café Alt-Wien, das damals ja das verlängerte Wohnzimmer all jener war, die im weitesten Sinne gegen „das Establishment“ eingestellt waren. „Faszinierend für jemanden wie mich, der aus der tiefsten Provinz kommt und in der Bäckerstrasse im 1. Bezirk eine Bleibe gefunden hat!“
Doch Stöckl sah sich nie als Teil einer Szene. Eher als einen am Leben und an den Zuständen Interessierten. Der die neuen Bilder die alten überlappen und ergänzen ließ. Wie auch Ende der 70er als Zeitsoldat bei der UNO: Die sonnendurchfluteten Bilder der Stadt Damaskus und die Begegnungen mit den Menschen dort sollten Stöckl nachhaltig prägen. „Da fanden wunderbare Gespräche statt. Das setzt halt bei beiden Seiten eine gewisse Offenheit voraus.“ Heute würde man vielleicht interkulturelles Lernen dazu sagen: „Das ist es auch, was ich unter Lernen verstehe: die relativ dauerhafte Verhaltensänderung durch Erfahrung.“ Erfahrungen, die Stöckl selbst gerne weitergeben will.
Nach seiner „orientalischen Lebensphase“ trat er dann, nach Österreich zurückgekehrt, der Gendarmerie bei: „Und was ich dort gelernt habe, ist unter anderem strukturiertes Denken und Arbeiten.“ Was ihm sowohl hauptberuflich als auch im Kulturbereich hilft.

Einen Stock höher
Wie zum Beispiel beim St. Pöltner Stockwerk. Gegründet 2005 von Stöckl, der Künstlerin Maria Budweiser, dem damaligen Thalia-Filialleiter Peter Kaiser und einigen anderen, wollte man die Antithese zum herkömmlichen Kunstbetrieb bilden, bei dem das Vernissagen-Buffet wichtiger ist als die (immer selben) Ausstellenden. Noch nicht ganz so bekannte Künstler sollten es sein, wenn möglich aus St. Pölten und Umgebung, die hier ein Forum zur Verfügung hätten. Und so gab‘s Ausstellungen wie die des aus Neuseeland stammenden und in Prinzersorf lebenden Skulpteurs Mark Rossell, der Wiener Malerin Nina Maron, des St. Pöltner Videokünstlers Markus Polivka oder von Florian Nährer, dessen Werk für einen mittelgroßen Skandal sorgte, als sich jemand über Nährers bildnerische Annäherung an den sattsam bekannten und derzeit inhaftierten Josef Fritzl aufregte. Die Medien stürzten sich auf das so genannte Skandalbild – doch Stöckl meint abwinkend: „Wir haben das bewusst nicht eskalieren lassen. Das zu melken hätte nicht zum Stockwerk gepasst.“
Ob es das Stockwerk in Zukunft auch noch geben wird, könne man übrigens gar nicht sagen. Es sei halt in Summe leider nicht gelungen, neues Publikum anzusprechen, Skandal hin oder her. Stöckl trinkt einen Schluck Tee und setzt nach: „Bei Skulptur am See sollte es aber weiter gehen.“ Trotz des immer wieder aufflackernden Vandalismus, der auch im Sommer 2008 zwei Tage nach der Eröffnung einen der „Kokons“ von Lizzy Mayrl zerstört hat? „Doch, unbedingt. Kunst im öffentlichen Raum ist immer gefährdet.“ Und was kann man da tun? Stöckl denkt kurz nach: „Prävention. Mehr Polizeipräsenz. Aber flächendeckend ist letzteres schwer möglich.“ Den halben Planeten mit Videoüberwachung zukleistern? „Na ganz sicher nicht!“ Und: Es sei ja eigenartig, dass es in erster Linie neue Objekte träfe – die alten Bänke beispielsweise blieben ja über die Jahre unbeschädigt. Dumpfes Reviermarkieren ebenso dumpfer Vollidioten? Stöckl meint etwas gequält: „Da scheint jemand Veränderungen nicht zu mögen.“
Was man von Stöckl selbst nicht behaupten kann: Ein Blick über die vollen Buchregale offenbart neben neuerer österreichischer Literatur, politisch-historischen Standardwerken und einem Sprachbuch übers Jenische auch Lesestoff über das von seiner Lebensgefährtin Katrin und ihm gerne bereiste Kuba sowie ein paar Tim und Struppi-Comicbände. „Mein Sohn hat mich darauf gebracht. Der zeichnet selbst.“ Was auch an den Wänden in Stöckls Wohnung gebührenden Niederschlag findet.
Apropos Veränderung: Ich frage Stöckl rundheraus, wie es ihm bei seinen Migrantenprojekten mit jenen Menschen ginge, die sich in erster Linie über ihre Religion beziehungsweise Herkunft definierten. Eine Frage, die naturgemäß auch mit den Bildern im Kopf zu tun hat. „Es sind grad einmal 20 Prozent, die sich streng über ihren Glauben definieren.“ Aber wo eine prinzipielle Bereitschaft da sei, gebe es auch eine Gesprächsbasis: „Darum gehe ich mit meinen Schülern beispielsweise auch zu Asylwerbern – und die erzählen uns von sich, und umgekehrt.“ Derlei sei im polizeilichen Alltag mindestens genauso wichtig wie die reine Tatort-Arbeit, wie wir sie „von dem ganzen CSI-Zeug im Fernsehen kennen“. Unumgänglich sei halt auch zu sagen, wenn wem was nicht passt. Gleichgültig, ob als Polizist, Kunstinteressierter oder – einfach – Mensch. „Aber das sollte eigentlich selbstverständlich sein.“
Genauso wie sein Vorschlag, zum Abschluss des Gesprächs noch einen guten Wein aus Michael Haydns Geschäft am Herrenplatz zu verkosten.
Muss man hinzufügen, dass Stöckl leicht überzeugen kann?