MFG - Russischer Winter
Russischer Winter


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St. Pöltens gute Seite

Russischer Winter

Text Sascha Harold
Ausgabe 12/2022

Österreichische Unternehmen haben lange gute Geschäfte in und mit Russland gemacht. Das ist spätestens seit dem 24. Februar vorbei.

Der Krieg in der Ukraine tobt nach wie vor. Auch über die Wintermonate dürfte es aus heutiger Sicht keine Waffenruhe geben, ein Ende des Konflikts zeichnet sich nicht ab. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg am 24. Februar haben zahlreiche Staaten umfassende Wirtschaftssanktionen gegen das Land beschlossen. Das betrifft unter anderem ein Militärgüterembargo, ein Ölembargo, die Einschränkung des Zahlungsverkehrs aber auch ein Exportverbot für zahlreiche Güter, etwa aus dem Technologiebereich. Die Sanktionen sollten Russland dazu bewegen, die Kriegshandlungen einzustellen – bisher ohne Erfolg. 
Auch Unternehmen aus bzw. mit einem Sitz in Niederösterreich sind von den Sanktionen betroffen. Will man sie zu den Auswirkungen der Sanktionen befragen, bekommt man aber meist dünne Antworten. Die Industriellenvereinigung möchte sich zur Thematik erst gar nicht äußern: zu heikel. Auch die Wirtschaftskammer bittet um Verständnis, dass Unternehmen aufgrund der politischen Lage äußerst scheu seien, öffentliche Stellungnahmen abzugeben. Der Leiter der Abteilung Außenwirtschaft, Europa und Verkehrspolitik, Patrick Hartweg gibt aber einen Überblick zur aktuellen Situation: „Grundsätzlich hat sich für jedes Unternehmen der Export nach Russland extrem verteuert. Höherer bürokratischer Aufwand bezüglich Sanktionsbetroffenheit, Einholung von Exportgenehmigungen, Verteuerung der Transportkosten und Unsicherheiten beim Zahlungsverkehr mussten berücksichtigt werden.“ Es gäbe aktuell aber sicher alternative Märkte, bei denen mit geringerem Aufwand gute Geschäfte zu machen sind. 

Es geht bergab
Einige sind dann aber doch bereit, sich zur Causa Prima zu äußern. Wolfgang Stix leitet mit der Styx Naturcosmetics GmbH ein Naturkosmetik-Unternehmen. 1965 wurde das Familienunternehmen aus Ober-Grafendorf gegründet und ist heute in mehreren Ländern aktiv, seit 1992 auch in Russland. Dort war Styx in seinem Segment sogar Marktführer. Derzeit ist die Situation alles andere als einfach. „Wir haben in Russland einen Umsatzeinbruch von 90 Prozent. Wir hatten dort über 2.500 Shop-Systeme und müssen jetzt einmal schauen, wie es weitergeht.“ Die aktuelle Situation bedauert er. „Wir Österreicher hatten zum russischen Markt einen guten Zugang. Das war eine Erfolgsgeschichte, die jetzt einmal komplett unterbrochen ist. Keiner weiß, wie es weitergeht.“ Erstmals in der Unternehmensgeschichte werde er ein Umsatzminus einfahren – damit ist er aber in guter bzw. schlechter Gesellschaft.
Dass der russische Markt in den letzten Jahren deutlich an Attraktivität verloren hat, bestätigt ein Blick in die Außenhandelsbilanz (siehe Grafik). Schon der Beginn des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine 2014 machte sich dort bemerkbar. 2014 wurden aus Niederösterreich noch Waren im Wert von 395,8 Millionen Euro nach Russland exportiert, 2015 waren es nur noch 278,2. Generell nimmt Russland aber für Niederösterreich keinen herausragenden Stellenwert ein. Lediglich 1,15 Prozent aller Warenexporte gingen 2021 dort hin. Heuer dürfte es einen weiteren Dämpfer setzen. „In den ersten sieben Monaten 2022 haben die gesamten österreichischen Warenexporte gegenüber der Vorjahresperiode um 17,9 % zugenommen, während die Warenexporte nach Russland mit einer Steigerung von 1,1 % gegenüber dem Vorjahr in etwa gleich geblieben sind. Diese Entwicklung kann auch für Niederösterreich angenommen werden, da im ersten Halbjahr noch etliche Lieferungen aus Altverträgen abgearbeitet werden mussten. Über das Jahr gesehen, wird mit einem Minus zu rechnen sein“, so Hartweg.  
Ein Blick hin auf die Unternehmerseite bestätigt das. Die Voith ist mit ihrem Tochterunternehmen Voith Hydro Balakovo in Russland aktiv. Aktuell gibt man sich mit Blick auf das Russland-Geschäft zugeknüpft. „Voith Hydro Balakovo, wie die ehemalige VolgaHydro firmiert, verfolgt derzeit kein Neugeschäft in Russland. Wir halten unseren Geschäftsbetrieb noch eingeschränkt aufrecht, um bestehende Aufträge im Rahmen der geltenden Regularien abzuwickeln“, heißt es von einem Konzernsprecher. Offener kommuniziert die Agrana, die sowohl in der Ukraine als auch in Russland aktiv ist. Auf einer eigenen Website schlüsselt der Konzern auf, in welchem Umfang in den beiden Ländern Geschäfte gemacht werden. Man plane derzeit keinen Rückzug aus Russland heißt es auf der Website, stehe aber hinter den Sanktionen und habe entschieden, vorerst keine weiteren Investitionen in Russland zu tätigen. 

Zukunft unsicher
Wie ist die Lage in Russland selbst? Das österreichische AußenwirtschaftsCenter ist dort weiterhin tätig und berät Unternehmen bei allen Angelegenheiten rund um den russischen Markt. Aktuell kein leichtes Unterfangen: „Im Fokus steht die Information über die Auswirkungen der EU-Sanktionen aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sowie russische Gegenmaßnahmen. Wir überprüfen täglich zahlreiche russische Unternehmen auf ihre Sanktionsbetroffenheit und helfen den österreichischen Unternehmen dabei sicherzustellen, dass sie an keine sanktionierten Unternehmen in Russland liefern“, erläutert Lukas Zitz, der österreichische Wirtschaftsdelegierte-Stv. in Moskau. Während vor allem am Beginn noch teilweise unklar war, welche Güter von den Sanktionen betroffen sind, haben sich die Unternehmen inzwischen weitgehend darauf eingestellt bzw. den Markt verlassen. Einen Blick in die Zukunft will man auch im AußenwirtschaftsCenter nicht wagen: „Eine seriöse Einschätzung zur weiteren Entwicklung ist leider nicht möglich.“
So überraschend der Krieg in der Ukraine im Februar für viele begann, klar ist, dass Geschäfte mit Russland nicht erst seit heuer, sondern schon in den letzten Jahren mit einem großen Risiko behaftet waren. Aus aktueller Perspektive scheint eine Besserung der Beziehungen und Wiederaufnahme normaler Wirtschaftsbeziehungen unwahrscheinlich.