MFG - Vertrauensfrage
Vertrauensfrage


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Vertrauensfrage

Text Johannes Reichl
Ausgabe 12/2022
TV Total! Okay, vielleicht ist das ein bisschen dick aufgetragen. Aber immerhin hat St. Pölten mit der Übernahme von N1 TV durch die NÖN (die in absehbarer Zeit auch ein Inhouse-Studio im Pressehaus St. Pölten einrichten möchte), mit dem Branchenprimus ORF Niederösterreich sowie P3TV nunmehr gleich drei TV-Sender in der Stadt. Und das ist eine gute Nachricht, weil sie nämlich – zumal alle in unterschiedlichem Besitz stehen – eines garantiert, das in der Demokratie essenziell ist: Pluralismus! Dieser findet sich nicht minder im Print- bzw. Zeitungssektor, sind doch praktisch alle überregionalen Anbieter in der Hauptstadt mit eigenen Redaktionen vertreten, von den ureigensten St. Pöltner Mediengewächsen, die quasi hier für hier gegründet wurden, ganz zu schweigen. Die Spannbreite ist dabei groß. Es gibt jene, die den Fokus eher aufs rein Wirtschaftliche legen und daher wie ein Bilderbuch der in der Redaktion einflatternden Presseaussendungen anmuten. Qualitätsjournalismus sieht anders aus. Dann sind da jene, die eine klare Agenda der dahinterstehenden Institution verfolgen, auch dies – solange für die Leser ersichtlich – völlig legitim, man muss sich aber im Klaren sein, dass man eben oft nur eine Sichtweise der Dinge geliefert bekommt bzw. manches ganz außen vor bleibt. Schließlich ist da die große Mitte jener Titel, die das Tages- und Wochengeschehen festhalten, bis hin zu jenen, die sich als Magazin tief in die Materie eingraben. Sie alle haben ihre Berechtigung, solange die Vielfalt der Szene insgesamt gewahrt bleibt. Denn nur so ist gewährleistet, dass das Leben, wie es passiert, möglichst realistisch Niederschlag in der Öffentlichkeit findet. Deshalb ist stets auch der Konsum gleich mehrerer Titel empfohlen, um so etwaiger Eindimensionalität und Wirklichkeitsverzerrung entgegenzuwirken. Letzterer kann man leicht beim ausschließlichen, rein auf Algorithmen gestützten Internet-Medien-Konsum auf den Leim gehen. Dabei lautet das Match gar nicht, wie heute gerne inszeniert, etablierte Medien (die ja selbst mittlerweile auch digitale sind) gegen „neue“ im Sinne aller Formen, wo ungefilterte und einseitige Informationen auf einen niederprasseln, sondern wichtig wäre auch hier eine gegenseitige Ergänzung. Ganz auf etablierte Medien sollte man hingegen keinesfalls verzichten, weil sie als Profibetrieb mit klarem Impressum im Idealfall eines bieten: solides Handwerk, das auf Recherche und Unabhängigkeit baut.  
Darauf muss man sich als Leser freilich verlassen können bzw. muss man sich dieses Vertrauen als Medium erst erarbeiten. Dass in diesem Bemühen manche zuletzt zurückgetretene Kollegen mit ihrem unsauberen, offensichtlich auf persönliche Vorteile bedachten Nahverhältnis zur Politik dem Berufsstand insgesamt massiv geschadet haben, steht außer Streit. Für die meisten unserer Zunft in St. Pölten getraue ich mich aber voll Überzeugung das Wort Alexander van der Bellens zu bemühen: „So sind wir nicht!“ Und auch wenn in einer kleinen Stadt aufgrund der persönlichen Nähe die Gefahr einer gewissen Verhaberung vielleicht sogar größer ist, so ist das Verhältnis zwischen den beiden Seiten derselben Medaille (Politik braucht Öffentlichkeit, Medien schaffen diese mit) von Seriosität getragen. Man weiß um die Rolle des jeweils anderen und respektiert sie, auch wenn man – v. a. als Politiker – mit der Berichterstattung nicht immer glücklich sein mag. Als Journalist kann man da am ehesten auf die alte Regel vertrauen: Fühlen sich alle ungerecht behandelt, liegt man meistens richtig, sprich man hat ausgewogen und sauber gearbeitet.
In diesem Sinne: Vertrauen Sie uns. Schauen Sie uns bei unserer Arbeit gerne – ja unbedingt – auf die Finger. Messen Sie uns an unserer Arbeit und seien Sie sich des immens wichtigen Wertes einer freien Presse bewusst. Dort, wo sie fehlt oder unterdrückt wird, schlägt immer die Stunde der Autokraten, der Unfreiheit. Mag sein, dass wir nicht perfekt sind, aber wie formulierte es Albert Camus: „Eine freie Presse mag gut oder schlecht sein. Aber eine Presse ohne Freiheit kann nur schlecht sein!“