MFG - no future politik
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MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

no future politik

Text Johannes Reichl
Ausgabe 06/2022
Als Bürger ertappt man sich bisweilen bei der ungläubigen Frage „Das gibt es noch nicht?“ So ist es mir zuletzt in einem Gespräch mit Umweltexperten der Stadt ergangen, als diese darauf hinwiesen, dass es im Magistrat keine über den Abteilungen stehende, diese koordinierende Klimaschutz-Stelle gibt. St. Pölten ist dabei übrigens keine Ausnahme, sondern die Regel, dabei wäre ein derartiger Gralshüter des Klimaschutzes eminent wichtig. Und zwar nicht nur für die Belange der Verwaltung selbst, sondern im Hinblick auf alle Bereiche der Stadt. Die Politik sollte also gleich eine eigene vollwertige Klimaschutzabteilung samt dementsprechenden Ressourcen, Manpower, Macht und Expertise einrichten, die nach einem klaren Programm generalstabsmäßig vorgeht. 
Allein – auch ein solches sucht man vergeblich. Es gibt zwar gute Konzepte, Leitbilder, Strategien etc., die jeweils verschiedene Materien behandeln, aber den einen Generalstabsplan, der vorgibt, was wann wie von wem umgesetzt werden muss – Fehlanzeige. Der erst diesen März vorgestellte Masterplan, der in schönstem „Marketingdeutsch“ die Vision einer „Green_Cool City“ zeichnet, könnte – so er vom Vagen ins Konkrete transformiert wird – zu einer solchen Roadmap werden. Dazu bedürfte es freilich, und das ist die eigentliche Krux, endlich einer gesetzlichen Grundlage, auf der ein solcher Plan konkret, zielorientiert und juristisch abgesichert aufbauen könnte. Doch die österreichische Bundesregierung schafft es seit über 500 Tagen nicht, ein neues Klimaschutzgesetz zu verabschieden, das den Klimafahrplan bis 2040 samt konkreten Emissionsreduktionszielen und Verantwortlichkeiten festlegt. Ebenso lassen das Energie-Effizienzgesetz, das den Energiefahrplan definiert sowie das Erneuerbaren Wärmegesetz, das den Ausstieg aus Gas- und Ölheizungen regelt, auf sich warten. Stattdessen werden die schon lange vorliegenden Entwürfe torpediert, zuletzt wieder von der Industriellenvereinigung, die von einer „roten Linie“ sprach, wenn Klimaschutz in Verfassungsrang gehoben würde – aber genau das muss passieren, weil Klimaschutz nur dann auch einklagbar und damit verbindlich wird.
Ohne Druck und Gesetze wird’s nicht gehen – ebensowenig ohne monetäre Belastungen oder Anreize, weshalb auch die CO2-Bepreisung absolut Sinn macht. Wenn es im Börserl weh tut, dann ist man rascher bereit, etwas zu verändern – der gute Wille allein reicht nicht aus. Das sieht man aktuell schön im Privatbereich, wo viele – meinereiner eingeschlossen – erst angesichts steigender Energiepreise nicht schnell genug aus Gas aussteigen können. 
Diese „Schau-ma-moi-donn-seng-ma-eh“-Mentalität“ drängt sich auch bei der Debatte rund um ein etwaiges Öl- und Gasembargo auf, allein schon deshalb, weil sie nur aus diesem Blickwinkel diskutiert wird. Der freiwillige Verzicht auf russisches Gas ist aber nur die eine (unwahrscheinlichere) Variante, das Abdrehen des Gashahns durch Russland selbst hingegen die andere, weit realistischere. Darauf scheint sich die Regierung aber nicht wirklich vorzubereiten, was ungut an das verpfuschte Corona-Management im letzten Herbst erinnert. Keiner weiß, wer wann und in welcher Reihenfolge im worst case vom Gasnetz getrennt wird, und es beschleicht einen die bange Vermutung – nicht einmal die Regierung selbst. 
Das einzige, was diese populistisch trommelt, ist das Sedativum „aber die Privathaushalte bleiben am Netz“, wie überhaupt die Bürger, vulgo Wähler nicht wirklich in die Pflicht genommen werden. Der Appell, in der Heizperiode etwa ein, zwei Grad zurückzudrehen – in Österreich war er nicht zu hören.
Deswegen würden wir noch lange nicht „frieren für die Ukraine“, aber wir trügen jedenfalls etwas zum Klimaschutz bei. Und das wäre nicht einmal ein Akt der Solidarität, wie es manche noch immer missverstehen, sondern reinster Egoismus, denn es geht um unsere eigene Gesundheit, unseren Wohlstand, unsere Zukunft. Kommen wir nicht bald in die Gänge, wird es eine solche nicht geben – zumindest nicht so, wie wir sie uns wünschen.