MFG - IN WAS FÜR EINER STADT LEBEN WIR EIGENTLICH ...
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MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

IN WAS FÜR EINER STADT LEBEN WIR EIGENTLICH ...

Ausgabe 03/2022
… in der wenige Stunden bevor Wladimir Putin seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine startete, u. a. SPÖ-Vertreter den Botschafter der Russischen Föderation mit roten Nelken beim Hauptfriedhof begrüßten. Anlässlich des russischen Tags der „Vaterlandsverteidiger“ freute sich der Botschafter über die frisch renovierte Gedenkstätte für jene rund 1.000 Rotarmisten, die 1945 bei der Befreiung der Region St. Pölten gefallen waren. In Friedenszeiten ein würdiger Gedenk-Anlass, doch wenn gleichzeitig russische Panzer in ein Nachbarland einrollen ein heikler, diplomatischer Grenzgang. Der St. Pöltner ÖVP-Bundesrat Florian Krumböck blieb der Veranstaltung deshalb fern und sprach der SPÖ aufgrund ihrer Teilnahme „jede politische Sensibilität“ ab. Diese wiederum warf der ÖVP vor, mit Krieg parteipolitisches Kleingeld wechseln zu wollen. Eine verzwickte Angelegenheit, so oder so. Dabei prangte die wichtigste Botschaft auf der Schleife des niedergelegten Kranzes: „Nie wieder Krieg“. Allein, sie wurde an diesem Tag von Russland nicht gehört, ja geradezu pervertiert, wobei der Bürgermeister einen historischen Hinweis gab: Bei den gefallenen Rotarmisten in St. Pölten handelt es sich v. a. um Soldaten der 3. Ukrainischen Front. Über allen Parteipolitik-Hickhack hinweg raffte sich der Gemeindrat einstimmig dazu auf, humanitäre Hilfe für die Ukraine bereitzustellen.
... in der auch St. Pölten Benjamin Karl feiert. Ein paar Tage des Herumreichens dauerte es, bis das 36-jährige Snowboard-Ass auf seiner Facebook-Site seinen Steckbrief aktualisierte: „Olympic Champion 2022 Beijing, 5-facher Weltmeister, 3-facher Gesamtweltcupsieger“. 
Avancierte Bennis Mama mit ihrem Mitfiebern im Zuge der TV-Live-Übertragung schon zum Social-Media-Hit, so hat Sohnemann Benni am meisten Eindruck abseits der Piste wohl ebenfalls mit seinem ersten, emotionalen Statement, seinem Danke an die Mama, die das alles ermöglichte, und an „meine Familie“ hinterlassen. Sein „Frühstück bei mir“ mit Claudia Stöckl war in Ö3 tagelang der Hit. Unbezahlbare Werbung auch für St. Pölten, denn der Wilhelmsburger fährt nach wie vor für seinen Stammverein Union Trendsport Weichberger St. Pölten, wurde hier geboren und ging hier auch in die Sportmittelschule. Wenig verwunderlich zählten zu den ersten Gratulanten hierzulande die St. Pöltner Snowboard-Legende Gerry Ring sowie Karl-„Entdecker“ Erik Wöll (siehe Bild). 
Nebst zahlreichen Ehrungen hat Benjamin Karl im Übrigen nun in seiner Wahlheimat Lienz seine eigene Gondel, verziert mit den olympischen Ringen. Seinen Steckbrief wird er womöglich noch erweitern, vielleicht auch nochmal in vier Jahren: „Genussprojekt“ nennt Karl das nun.
... in der nach der Präsentation der Domplatz-Neugestaltungspläne die große, mit einem Schuss Enttäuschung unterfütterte Frage im Raum stehen blieb: Und dafür hat man über ein Jahrzehnt gestritten, gerungen, geplant? Der große Aha-, gar Wow-Effekt bleibt jedenfalls aus. Letztlich bekommt die Stadt das, was man immer kolportiert hat: Einen multifunktionalen Platz – also Fläche für Kirche, Markt, Veranstaltungen. Nett gepflastert (so wie der Herrenplatz, also auch da nichts Innovatives, sondern Brav-Solides). Dazu ein paar Bäume und, so sich wer findet, vielleicht ein Schanigarten. Ach ja, die Befeuchtungsanlage als Novum nicht zu vergessen. That’s it. Ob das für ein öffentliches „Wohnzimmer“ ausreicht, man bleibt zumindest skeptisch. Spielgeräte für Kinder? Wasserspiele? Grünflächen zum Chillen? Fehlanzeige. Zuletzt blieb nicht einmal mehr die Idee vom eigenen Bau, in dem die im Zuge der Grabungen zutage geförderten Schätze und Ergebnisse der (auch touristischen) Öffentlichkeit präsentiert werden, über. Auf der Habenseite: In jedem Fall alles viel besser als der graue Asphalt davor. Und Autofreiheit als die eigentliche Innovation – sodenn die Tiefgarage unterm Bischofsgarten realisiert wird. Vielleicht haben wir ja einfach zu viel erwartet nach nur 15 Jahren. Oder schlicht zu lange darauf, so dass wir müde sind und daher nicht in Jubel und Hurra ausbrechen.