MFG - St. Pölten wählt – Matthias Adl (ÖVP)
St. Pölten wählt – Matthias Adl (ÖVP)


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St. Pöltens gute Seite

St. Pölten wählt – Matthias Adl (ÖVP)

Text Johannes Reichl
Ausgabe 11/2020
Die ÖVP hat zuletzt in Wien dazugewonnen. Auf Bundesebene läufts ebenso – erhofft man sich davon einen Schub für die Gemeinderatswahl?
Auf Makroebene ist zumindest kein Gegenwind zu spüren, wie wir es bei Wahlen in der Vergangenheit mitunter erlebt haben – das ist schon einmal gut. Wobei Gemeinderat Gemeinderat ist – da spielen aktuelle Themen auf der Kommunalebene eine Rolle. Die Stimmung ist jedenfalls äußerst positiv, wir erleben einen extremen Zulauf: Für die Kandidatur haben sich über 130 Interessierte gemeldet!
Die Listenplätze werden ja parteiintern heuer nicht mehr über die Vorzugsstimmen ausgeschnapst, sondern schon vorab fixiert. Wer wird auf den wählbaren Plätzen zu finden sein, gibt’s Überraschungen?
Wir haben eine bunte Liste, die Anfang Dezember präsentiert wird. Neben bewährten Mandataren werden wir auch einige interessante neue Gesichter präsentieren: Platz 2 hat mit Romy Windl etwa eine Neueinsteigerin. Auf der Liste finden sich auch andere Persönlichkeiten wie Unternehmer Werner Bachler, der bei den Landtagswahlen 2018 noch für die NEOS kandidierte. Zudem finden sich auf den ersten zwölf Listenplätzen mehr Damen. Insgesamt wollen wir einen Frauenanteil von rund 40% – das heißt unser Gemeinderatsteam wird weiblicher, was das alte Vorzugsstimmenmodell verhindert hatte.
Die letzten Wahlen haben gezeigt, dass die FPÖ in Nachfolge von Ibiza auch auf Kommunalebene vom Wähler bestraft wird – wird die ÖVP in diesem Teich fischen?
Man weiß mittlerweile, wofür die ÖVP sicherheitspolitisch steht und dass sie diesbezüglich mitte-rechts klare Kante zeigt. Die FPÖ korreliert mit Bundestrends stärker als andere Parteien – wir werden daher jenen Bürgern, welche die FPÖ aus Protest oder aufgrund eines erhöhten Sicherheitsbedürfnisses gewählt haben, jedenfalls ein Angebot machen. Noch wichtiger wird aber sein, jene ÖVP-Wähler, die beim letzten Mal zuhause geblieben sind, zur Urne bzw. zur Briefwahl zu bringen.
Sicherheit ist aktuell nicht zuletzt aufgrund des Terroranschlages in Wien ein großes Thema, wobei zusätzlich der Umstand schockierte, dass auch zwei mutmaßliche Komplizen in St. Pölten verhaftet wurden. Was heißt das für die Stadt?
Zunächst sieht man, dass Terrorismus wie etwa islamistischer – und es gibt ja mehrere – kein Großstadtphänom ist, sondern auch vor der vermeintlichen Idylle einer kleineren Stadt nicht Halt macht. Heute erfolgt die Vernetzung großteils online – überall kann eine Zelle entstehen. Es ist daher Gebot der Stunde, dass man schleunigst den laxen Umgang mit Informationen, wie er offensichtlich passiert ist, ausräumt. Und wir müssen aufpassen, dass es zu keiner Verlagerung von Gefährdern kommt, die vielleicht in kleineren Städten, wo weniger Ermittlungsdruck herrscht, aktiv werden. Man müsste daher im Wohnbereich, zumindest dem öffentlichen, die Mieter stärker durchleuchten können. Diesbezüglich spielt durchaus auch das von uns immer wieder kritisierte überbordende Wachstum eine Rolle. St. Pölten hat es jedenfalls nicht verdient, in solche Terrornetzwerke hineingezogen zu werden.
Sie meinen tatsächlich, dass Terrorismus mit Wachstum und Wohnbau zu tun hat? Inwiefern?
Weil größere Strukturen einfach größere Anonymität schaffen, wo derlei Extremismus leichter gedeihen und auch leichter untertauchen kann.
Um beim Wachstum und Wohnbauboom zu bleiben, den ihre Partei zuletzt kritisiert hat. Ist das kein Widerspruch zu Forderungen in der Vergangenheit – da haben Sie genau umgekehrt noch eine Wohnbauoffensive und mehr Dynamik eingefordert?
Wir sind nicht gegen Wachstum, aber unsere Maxime war immer – auch schon vor fünf Jahren – dass dieses behutsam erfolgen muss. Qualität vor Quantität, indem man etwa alte Flächen verdichtet, ohne das Stadtbild zu zerstören. Die aktuell wuchernde Bautätigkeit bereitet den Menschen hingegen Unbehagen, weil sie befürchten, dass das, was unsere Stadt so liebenswert macht, verloren geht. Sie wollen sicher nicht, dass sich ein Betonklotz an den nächsten reiht und wir in Anonymität versinken. Die Stadt muss da steuernd eingreifen.
Etwa über einen Gestaltungsbeirat, den Ihre Partei ja jahrelang vergeblich eingefordert hatte. Mittlerweile wurde er doch aufgesetzt, glücklich hat Sie das aber trotzdem nicht gemacht. Warum?
Weil es einmal mehr diese Chuzpe der SPÖ veranschaulicht, die den Bürgern etwas verspricht, was sie dann aber nicht einhält. Beim Gestaltungsbeirat war etwa die Empfehlung von Experten, auch die Bürger aktiv mit einzubinden. Das sei anfangs zwar mühsam, weil manche Leute glauben, alles mitbestimmen zu können bis hin zu den Fliesen in Gebäuden, auf Sicht führe die Transparenz aber dazu, dass die Projekte breit mitgetragen werden. Was macht die SPÖ: einen Gestaltungsbeirat, der geheim tagt.
Sie beklagen ja generell, dass die Opposition seitens der SPÖ zu wenig eingebunden wird, keine Informationen erhält. Wie würden Sie die Zusammenarbeit beschreiben?
Sagen wir so: Es gibt keine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Keine Ahnung, vielleicht liegt das an der absoluten Macht der SPÖ, dass sie uns nur einbindet, wenn sie uns sozusagen für eine zwei Drittel Mehrheit braucht oder etwas heikel ist. Von einer transparenten, demokratiewürdigen Stadtpolitik kann man in St. Pölten jedenfalls nicht reden. Wir versuchen mittels Abänderungsanträgen, Zusatzanträgen, dringlichen Anfragen so gut es geht dagegenzuhalten, frei nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“, und manchmal gelingt auch etwas. Aber es ist sehr mühsam, und ich denke, die Bevölkerung sollte wissen, wie abgehoben die SPÖ mit ihrer Mehrheit umgeht.
Beim letzten Beschluss zum Domplatz sind sie deshalb – Stichwort zu wenig Information – nicht mitgegangen. Wie ist die aktuelle Linie der ÖVP in der Domplatz-Causa, auch im Hinblick, dass eine Tiefgarage unterm Bischofsgarten kommen soll?
Die hat sich seit dem Uralt-Gemeinderatsbeschluss nicht geändert, wo ganz klar festgehalten wurde, dass es einen „autofreien“ Domplatz nur dann geben kann, wenn in nächster Umgebung dementsprechend Ersatzflächen geschaffen werden. Das ist noch nicht der Fall. Erst wenn mit dem Bau der Garage unter dem Bischofsgarten begonnen wird, können wir über alles Weitere reden. Unser Daueragitieren diesbezüglich ist auch kein Selbstzweck, sondern uns geht es schlicht um die Interessen der Wirtschaftstreibenden in der Innenstadt. Die quält man stattdessen mit seltsamen Parkplatzmarkierungen, das ist ein Schildbürgerstreich allerersten Ranges.

Thema Verkehr – der wird wohl auch eine der Zukunftsherausforderungen für die Stadt. Welche Ansätze verfolgt diesbezüglich die ÖVP?

Den zunehmenden Verkehr könnte man als direkte Wachstumsschmerzen der größer werdenden Stadt bezeichnen. Zunächst wäre es wichtig, dass der LUP ins Umland gezogen wird – da ist der Bürgermeister gefordert, in Gespräche mit den Umlandgemeinden zu treten. Auch ein billiges LUP Jahresticket halten wir nach wie vor für essentiell, weil ich für die Gäste einen Anreiz schaffen muss, damit sie dauerhaft auf den Bus umsteigen – Geld kann so eine Motivation sein. Und hier wäre es sicher nachhaltiger eingesetzt, als für effektheischende 20 Euro Startgeld. Schließlich muss man auch die Bahn auf der Nord-Süd-Achse attraktivieren, mehr Haltestellen, kürzere Takte etc. schaffen. Auch da appelliere ich an den Bürgermeister, sich endlich mit ÖBB und Regierung in Verbindung zu setzen.
Wie ist es eigentlich um die Position der ÖVP hinsichtlich der S34 bestellt, da ist es ja zuletzt ruhiger geworden?
Da läuft die UVP. Wichtig ist, dass wir den von der S34 betroffenen Landwirten landwirtschaftliche Ersatzflächen zu fairen Preisen zur Verfügung stellen. Dazu sollten auch Flächen des von der Stadt erworbenen Truppenübungsplatzes in Völtendorf dienen. Unsere  Betriebe brauchen Ersatz-Grundstücke in der Nähe. Findet man die nicht, kann es für einige kleinere Landwirtschaften rasch existenzbedrohend werden. Da bräuchte es endlich ein Bekenntnis der Stadt, weil diese Unsicherheit zermürbt die Betroffenen!
Und vom verkehrstechnischen Standpunkt aus – macht die S34 Sinn?
Da müsste ich bei Adam und Eva beginnen – das Projekt begleitet uns ja seit 40 Jahren. Sinnvoller wäre die Ostvariante gewesen. Prinzipiell zäumt man das Pferd von hinten auf – meiner Meinung nach hätte man zuerst die Verbindung ins Traisental ausbauen müssen, und dann – wenn nötig – die S34 nachziehen. So hat man umgekehrt ein riesiges Autobahnkreuz mit enormem Flächenverbrauch, das erst recht wieder bei Wilhelmsburg endet – ob uns das die gewünschten Effekte bringt, wage ich zu bezweifeln.
Klingt jetzt nicht gerade nach einer Liebeserklärung – ginge es ohne auch?
Ich denke, wir könnten gut ohne S34 leben, wenn man für die betroffene Bevölkerung in St. Georgen und Spratzern Alternativen fände – denn eines muss uns schon klar sein: Die Mobilität ist in einem enormen Wandel, schon heute nehmen Wasserstoff- und Elektrofahrzeuge zu. Spinnen wir das 30 Jahre weiter – wird da eine S34 noch zeitgemäß und sinnvoll sein? Ich hege meine Zweifel. Vielleicht täten wir gut daran, noch einmal über den Tellerrand hinauszublicken, bevor man wirklich zu bauen beginnt.
Das würden Umweltaktivisten wohl blind unterschreiben. Wie beurteilen Sie diesbezüglich Aktivitäten wie etwa die vor allem von der Jugend getragene „Fridays For Future“-Bewegung? Was wäre für St. Pölten in Sachen Umwelt notwendig?
Zunächst glaube ich nicht, dass dieses jugendliche Engagement so neu ist – ich kann mich gut erinnern, dass auch wir anno dazumal in der JVP Aureinigungsaktionen durchgeführt haben, gegen die rosa Schaumkronen auf der damals verschmutzten Traisen protestiert haben etc. Es ist wichtig, dieses Engagement der Jugendlichen ernst zu nehmen. Als Stadt gäbe es zig Möglichkeiten. Um ein Beispiel zu bringen, das mich maßlos ärgert: Warum bringt es die Stadt bei öffentlichen Gebäuden, wo etwa Flachdächer saniert werden oder gar neu entstehen, nicht zustande, diese mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten? Dies wäre so einfach umzuseten und enorm nachhaltig, zumal dies oft Schulgebäude betrifft, wo den ganzen Tag der Strom auch verbraucht wird. Was hindert die SPÖ daran? Stattdessen brüstet man sich immer noch mit der Windkraft. Da ginge aber so viel mehr – und daran, an Taten, muss man die SPÖ messen, nicht an salbungsvollen Worten.
Wie ist die Position der ÖVP zum Thema KiKuLa bzw. zum Standort Altoona-Park? Die beste Möglichkeit oder teilen Sie die Bedenken einer Bürgerplattform, dass dort Grünraum vernichtet wird?
Wir haben uns immer zum Projekt bekannt. Das Land hat gesagt, wir übernehmen quasi den Inhalt, die Stadt muss einen passenden Standort finden, der die Kriterien erfüllt. Die SPÖ hat letztlich den Altoona-Park ausgewählt. Ob er tatsächlich der ideale ist, kann ich nicht beurteilen – wir waren in die Suche nicht miteingebunden. Faktum ist, dass der Standort-Zug abgefahren ist. Jetzt ist es wichtig, dass die Diskussion darüber nicht das Projekt an sich gefährdet und dass umgekehrt, wie versprochen, das Beste aus dem Projekt und dem Standort herausgeholt wird, bis hin zu einer Aufwertung des Parks!

Um noch auf das größte Thema, und zugleich die größte Herausforderung für die Stadt in den kommenden Jahre zu kommen: Welche Folgen wird die Corona-Pandemie zeitigen?

Zunächst zeigt uns die Krise – und das betrifft alle Ebenen bis hinunter zur Familie – dass unsere Ressourcen nicht unendlich sind. Das stellt unser bisheriges Konsumverhalten in Frage: Brauche ich wirklich alles, um glücklich zu sein? Und woher kommen unsere Waren? Diesbezüglich orte ich ein klares Bedürfnis und auch die Notwendigkeit, dass wieder mehr regional erzeugt wird. Dafür müssen wir aber faire Bedingungen für Wirtschaft und Landwirtschaft schaffen. Das wird mitunter auch teurer werden, weshalb sich Konsumenten, ebenso wie Kommunen – noch dazu aufgrund der Pandemie sinkender Mittel – mit der Frage beschäftigen müssen: Wofür gebe ich das Geld wirklich aus. Um bei der Stadt zu bleiben: Brauche ich wirklich an jeder Ecke eine teure Pflasterung? Brauchen wir wirklich so viele Mittel für Repräsentation – da könnte der Bürgermeister mit gutem Beispiel vorangehen, dass er sagt, ich spare in meinem Umfeld als erstes ein. Am dringlichsten aktuell ist das Abrufen der Co-Finanzierungsmittel aus dem Investitionszuschuss – St. Pölten stehen da rund 6,9 Millionen Euro zu – zumal die Stadt in Sachen Infrastruktur ohnedies hinterherhinkt.
Inwiefern?
Es fehlt eine langfristige Planung. Nehmen wir Kindergärten und Schulen. Es ist ja schön, wenn man argumentiert „wir haben für alle Kinder einen Platz“, wenn zugleich Eltern, etwa aus Pottenbrunn, ein Kind im Ort in die Volksschule schicken können, das zweite aber vielleicht nach Wagram in den Kindergarten gehen muss, weil in Pottenbrunn kein Platz mehr frei war. Oder denken wir an die leidige Kinderarzt-Diskussion. Da ist es bitte schon Aufgabe einer regierenden Partei, rechtzeitig aktiv zu werden, weil wann ein Arzt – und das betrifft im Übrigen auch die praktischen Ärzte, da droht uns eine ähnliche Situation – in Pension geht, kann man schon zirka voraussagen. Die SPÖ verschläft aber vieles – und da bin ich wieder beim zu schnellen Wachstum: Dieses wird dann problematisch, wenn die Infrastruktur nicht nachkommt. Die SPÖ agiert da oft nach dem Motto „Hauptsache wir fahren, auch wenn wir nicht wissen wohin“.