MFG - US-Made & STP-Sold
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MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

US-Made & STP-Sold

Text Thomas Winkelmüller
Ausgabe 09/2020

Zwischen Harland und Stattersdorf liegt ein kleines Stück Amerika. Die Geschwister Anja, 28, und Hans-Peter Zwetti, 34, verkaufen hier seit zehn Jahren US-Autos – und haben gerade erst expandiert.



Motorsport-Flaggen als Gürtelschnalle, Stiefeletten im Westernlook und eine Corvette tätowiert am linken Oberarm. Hans-Peter Zwetti lebt ein gutes Stück weit vor, was er verkauft. Schnelle Autos aus den Vereinigten Staaten. Was als Jugendtraum begonnen hat, ist heute Realität. Zwei Autos, ein 1976er Cadillac und eine 1970er Corvette Stingray, stehen in der Garage. Er besitzt seine eigene Werkstatt und schraubt an amerikanischen Oldtimern – wobei das Schrauben übernimmt bei 30 Mitarbeitern meistens schon jemand anders.
Gemeinsam mit seiner Schwester Anja sind die beiden Geschäftsführer von Classics Reloaded, dem größten Händler für fahrtüchtige, amerikanische Oldtimer und Neuwagen in ganz Österreich. „Wir haben da ein eher außergewöhnliches Konzept, indem wir oft reparaturbedürftige Oldtimer ankaufen, herrichten und dann einen schlüsselfertigen, voll gewarteten Wagen mit Händlergewährleistung anbieten können“, sagt Anja Zwetti, „nicht nur das Bastlermodell.“ Letztere würden auch anderswo verkauft werden, die Qualität sei dann nur eine andere. Die Oldtimer zu bekommen alleine sei schon viel Arbeit. „Wir haben uns ein Netzwerk aufbauen müssen, um an verschiedene Wägen zu kommen, Leute in den Staaten zu kennen für Besichtigungen und so weiter“, sagt Hans-Peter Zwetti. Dazu kommt noch die Bike-Factory im Anbau, mit BMW-Motorrädern und Vespas. Am selben Grundstück verpachten sie an den Motorradersatzteilhändler Louis und OX, ein Restaurant für amerikanisches Essen, das erwartungsgemäß vorwiegend Fleisch am Teller serviert.



Hit the Road
Der Weg zu all dem beginnt schon vor guten 30 Jahren. „Der Hans-Peter hat vom Papa schon schrauben gelernt, bevor er wirklich gehen konnte“, sagt Anja Zwetti. Der Vater, Hanspeter Zwetti – nein, kein Schreibfehler, nur selber Name ohne Bindestrich – ist zwar kein gelernter Mechaniker, hat aber seit jeher nur amerikanische Autos gefahren und seine Begeisterung an Hans-Peter weitergegeben. Nachdem der Sohn an der HTL in St. Pölten in Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Maschinenbau maturiert hat, arbeitet er in einem Ingenieurbüro. Dort plant und zeichnet er in erster Linie. „Trockene Arbeit“, erinnert er sich, „die KFZ-Meister-Prüfung und all diese Geschichten habe ich erst nachher gemacht.“ Nebenbei bastelt er an Autos herum. Hobbymäßig, so meint er, aber trotzdem konsequent.
„Mein persönlicher Traum war es immer eine kleine Werkstatt mit zwei, drei Hebebühnen zu besitzen, wo ich alte amerikanische Autos repariere und herrichte“, sagt Hans-Peter. 2010 konkretisieren er und sein Vater die Idee und planen das, was heute Classics Reloaded ist. Sie benennen eine bereits im Familienbesitz stehende GmbH um und schaffen eine rechtliche Grundlage für das Unternehmen. „Durch die Hilfe meines Vaters haben wir dann beschlossen, das anzugehen“, sagt Hans-Peter, „seine Erfahrung als Selbstständiger hat uns natürlich sehr geholfen.“ Der Immobilientreuhänder Zwetti Senior bürgt mit seinem Vermögen für den Sohn und der wiederum gründet 2010 das Autohaus. Damals pachten sie den Grund noch von der Stadt St. Pölten, ab 2013 gehört er ihnen. „Zu dem Zeitpunkt haben wir dann auch gleich erweitert und ab 2016 war dann Anja Teil von Classics Reloaded“
Seitdem teilen sich die Geschwister die Arbeit. Hans-Peter kümmert sich um den Verkauf und die Werkstätte, Anja in erster Linie um Organisatorisches. Die Grenzen würden dazwischen immer wieder verschwimmen und ineinander übergehen. Bevor sie in den Autohandel einsteigt, arbeitet Anja fünf Jahre lang als professionelle Balletttänzerin in New York, studiert dann Politikwissenschaften in Wien und jetzt Wirtschaftswissenschaften an der FH Krems – neben einer Vollzeitstelle im Autohaus. „Schon stressig“, sagt sie und schmunzelt.



 

Expansion
In den letzten eineinhalb Jahren hat sich für die Geschwister Zwetti wieder viel verändert. 2018 eröffnet die Bike Factory, 2019 Louis und 2020 das OX – allerdings mit Verspätung. Eigentlich wollten Anja und Hans-Peter den Kremser Gastronom und Wellenspiel-Mitbegründer Johann Reis für das geplante Restaurant vis-à-vis an Bord holen. Im November verschwand der allerdings. Zuerst griff ihn die Polizei am Flughafen Schwechat auf, kurz darauf tauchte er erneut ab. Seitdem sucht die Polizei wieder nach Reis. „Uns erschien er als gute Wahl, weil man ihn hier in der Gegend ja auch gut kennt“, sagt Hans-Peter Zwetti, „sein Verschwinden bleibt uns aber bis heute noch ein Rätsel.“
 Hans-Peter und Anja standen vorerst ohne Ersatz da. „Wir haben einmal eine Zeit lang gewartet, weil wir ihm ein wenig Vertrauen vorgeschossen haben“, sagt Anja, „nachdem er einige Wochen lang nicht erreichbar war, mussten wir uns dann eben jemand anderen suchen.“ Mittlerweile ist Thomas Altendorfer mit seiner Restaurantkette OX eingesprungen. Burger, Steak und Chicken Wings lautet die Agenda. „Der Herr Altendorfer ist in unseren Augen ein Vollprofi und – wie wir heute wissen – sicherlich weit professioneller als der ursprüngliche Kandidat.“ Und ein Restaurant neben dem Arbeitsplatz störe die beiden auch nicht. „Wir gehen sehr oft essen rüber“, sagt Anja und lacht, „das Mittagsmenü ist in der Pause natürlich recht praktisch.“
 
Oldtimer und Neuwägen
Neben Auto-Liebhabern und ein paar schrägen Vögeln, die ihre 68er Stingray in den Farben ihres Lieblings Fußballvereins verlangen, falle noch eine dritte Kundenart immer stärker ins Gewicht. „Oldtimer haben in den letzten Jahren auch als Anlage eine Rolle gespielt“, sagt Anja, „auf den Banken bekommt man fast keine Zinsen mehr und viele Investments sind unsicher. Ein Oldtimer ist eine weit sicherere Wertanlage und Spaß kann man damit auch noch haben.“ Rund 50 Fahrzeuge verkaufen die Geschwister durchschnittlich im Jahr.

 Die Neuwägen würden schlechter gehen als Corvette und Co. – offizieller Vertragshändler für Dodge und RAM Trucks ist Classics Reloaded trotzdem. Das mag an dem Vorurteil gegenüber amerikanischen Autos liegen. Größe, Treibstoffverbrauch oder ein in die Jahre gekommenes Automatikgetriebe samt mäßiger Verarbeitung. Etwa dieses Bild hat der durchschnittliche Autoliebhaber im Land. Hans-Peter Zwetti wehrt sich dagegen.
„Eingefleischte Porschefahrer erzählen mir oft wie super sie auf der Straße liegen und vergleichen das dann mit einer Corvette aus den 60er Jahren“, sagt er, „da muss ich ihn auch fairer Weise fragen, wie liegt denn der Porsche der 60er-Jahre auf der Straße? Meistens schlechter.“ Damals seien die Fahrzeuge „auf jeden Fall konkurrenzfähig“ gewesen. Bei den Neuwagen heute sei das kaum anders. Das Preis-Leistungsverhältnis sei im Verhältnis anschaulich. „Ein guter Dodge ist genauso gut ausgestattet und kann genauso viel“, sagt Anja, „ich glaube ja, dass viele BMW- oder Audi-Fahrer überrascht wären, wenn sie einmal über den Tellerrand schauen würden. Ich fahre selber einen Camaro Oldtimer und bin glücklich.“
Weiter ausbauen wollen die beiden den Betrieb um Classics Reloaded aktuell nicht. „Wir hätten schon Pläne, aber uns sind die Grundstücke ausgegangen.“ Wo keine Häuser stehen, liegt rundherum Brunnenschutzgebiet, auf dem nicht gebaut werden darf. Anfragen von Firmen, die ins Konzept passen würden, bekomme man genug. Ein Fitnessstudio etwa wollte sich schon ansiedeln und auch E-Bikes oder Fahrräder würden das Angebot gut ergänzen – sei da nicht der Platzmangel. „Andere Standorte wären sicher möglich und auch die eine oder andere Motorradmarke“, sagt Hans-Peter, „aber man weiß ja nie, vielleicht ergibt sich da noch was.“