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St. Pöltens gute Seite

Corona

Text Johannes Reichl
Ausgabe 03/2020
Ich gestehe, ich habe lange überlegt, ob ich über das Corona-Virus schreiben soll – wem hilft schon der 100. Kommentar zu einem Thema, zu dem eh scheinbar schon alles gesagt ist. Und ja, das stimmt wahrscheinlich, nur gesagt heißt ja noch nicht gehört, verarbeitet, in den Gehirnwindungen angekommen. Denn tatsächlich muss man in zunehmendem Maße gegen eine um sich greifende Paranoia anschreiben, vor der man auch selbst nicht gefeit ist.
Wenn etwa alle Veranstaltungen über 100 Personen untersagt werden, wohl alsbald alle Schulen verwaist sind und das Nachbarland Italien die gesamte Bevölkerung unter Quarantäne stellt, dann geht das natürlich mit einem Gefühl von Unbehagen bis Beklemmung einher – dem man sich aber nicht ergeben darf. Vor allem darf man nicht in Hysterie verfallen, auch wenn diese von jeder Menge, vornehmlich im Netz grassierenden Verschwörungstheorien befeuert wird, denn merke: Auch Fakenews breiten sich epidemisch aus! Im Hinblick auf die weltweit rigorosen Maßnahmen ist etwa vielerorts zu hören, dass „da ja sowieso mehr dahinterstecken muss, Ausmaß und Gefahr von Corona sicher viel schlimmer sind als offiziell zugegeben.“ Der kühle (und wenig empathische) Blick auf die Statistik hilft vielleicht weiter.  An der Influenza sind aktuell rund 130.000 Bürger in Österreich erkrankt, knapp 650 sind daran heuer schon verstorben. Die nunmehrigen drastischen Maßnahmen sollen gewährleisten, dass Corona nicht zeitgleich in ähnlich hohe Sphären steigt, weil sonst – wie Experten erläutern – das Gesundheitssystem zu kollabieren droht.
Eine andere, noch im Falle jeder Epidemie aufpoppende Verschwörungstheorie geht davon aus, dass es sich gar nicht um ein „natürliches“, als vielmehr um ein im Labor gezüchtetes Virus handelt, das aus dem Wuhan Institute of Virology  (ja, das gibt‘s tatsächlich) entwichen ist. Hardcore Verschwörungstheoretiker sprechen gar von bewusst freigesetzt, wobei einmal die Juden, ein andermal die Araber, ein drittes Mal die USA als Schurken genannt werden – also die üblichen Verdächtigen, während es sich in den Augen religiöser Fanatiker aller Konfessionen sowieso um eine Strafe Gottes handelt. Amen.
Was freilich weniger nach Zufall, denn bewusstem Kalkül aussieht, ist die Wortwahl von US-Außenminister Mike Pompeo, der hartnäckig vom „Wuhan-Virus“ spricht und damit wohl auf oben genannte Verschwörungstheorie anspielt bzw. bewusst versucht, den Ursprung des Virus politisch gegen China zu instrumentalisieren. Perfide ist das insofern, weil die Mutter aller Pandemie-Schlachten, die „Spanische Grippe“, die 1918-1920 geschätzte 50 Millionen Todesopfer forderte, ihren Ausgang in den USA nahm. Vom US-Virus sprach aber niemand.
Wobei sich die – aus Angst nachvollziehbare, aufgrund ihrer Irrationalität aber strikt abzulehnende – Diskriminierung natürlich nicht nur politisch, sondern auch ganz handfest im Alltag niederschlägt. Die China-Restaurants sind mittlerweile verwaist, Pizzerias dürfte wohl Ähnliches blühen, und manch Hotelier wollte etwa die Shaolin Mönche, die bereits seit sechs Wochen gesund durch Europa tourten, wieder stornieren – wohl nicht nur aus Angst vor Ansteckung, sondern auch aus Angst ums Geschäft.
Ebenso ergeht es einer italienischen Freundin, die nach dem Besuch ihrer Eltern in Italien auch noch nach einem Monat versichern muss, dass man ihre Italienisch-Kurse ohne Gefahr besuchen kann – was viele dennoch lieber sein lassen.  
Natürlich machen noch zahlreiche Geschichten die Runde. So kursierte auf youtube etwa ein Video, in dem Hanf als wahrer Coronaviren-Killer hochgejubelt wurde. Das ist laut Ärzten zwar völliger Holler, die Anhänger der These dürften die Causa aber zumindest „entspannter“ wahrnehmen.
Letztlich sollte man – die wichtigste Botschaft – den Behörden vertrauen und ihre Instruktionen befolgen. Denn wer sich zu sehr auf Dr. Google einlässt, wird alsbald jede Menge Corona-Symptome verspüren und überall Verschwörungen sowie böse Mächte am Werk wittern. Dabei wusste schon Johann Wolfgang von Goethe 1802: „Man sollte nicht alles glauben, was im Internet steht.“