MFG - Start me up!
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MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Start me up!

Text Johannes Reichl
Ausgabe 02/2018

Nicht einmal im Urlaub hat man seine Ruhe. Während es in St. Pölten dicke Flocken schneit, erreichen wir Hannes Raffaseder telefonisch an seinem Zweitwohnsitz im Kamptal, wohin sich der Medienkünstler eigentlich zum Komponieren zurückgezogen hat. Doch wir stören kurz die Muse und plauderten mit ihm in seiner Hauptfunktion als Prokurist des Hochschulmanagements an der FH St. Pölten über eine neue Initiative zur Förderung von Start-ups.

Unter diesem Claim beschloss der Gemeinderat nämlich in seiner Jännersitzung die Förderung eines unter FH-Ägide segelnden Projektes zur „Förderung von Innovation, Unternehmertum und Start-ups am Standort St. Pölten“. 100.000 Euro pro Jahr macht die Stadt dafür – zunächst auf fünf Jahre ausgelegt – locker. Wobei man das Rad sozusagen nicht komplett neu erfinden muss, sondern sich teils bestehende Strukturen an der FH zu Nutze macht. „Wir bemühen uns im Grunde genommen seit 2011 um eine Strategie des Wissenstransfers, haben diesbezüglich – vielfach auch im Zusammenspiel mit bestehenden Unternehmen – step by step Strukturen aufgebaut“, so Raffaseder. Die Relevanteste auf diesem Weg war bislang die Installierung des „Creative Pre Incubator“ gemeinsam mit dem accent Gründerservice des Landes Niederösterreich ab 2014, „der für Studierende gedacht ist, die schon konkrete Ideen und eine klare Gründungsabsicht haben.“ Rund 100 Studierende, oft in Dreier- und Viererteams, haben sich seit Bestehen des Incubator beworben und pitchten – ähnlich wie bei den aktuell beliebten Start-up TV-Formaten – vor einer Jury. „Drei bis vier Teams werden dann pro Jahr ausgewählt“, verrät Raffaseder, und dürfen sich dann über Support der Marke „allumfassend“ freuen. Das reicht vom Gratisbüro in der FH über Basisinfos zur Unternehmensgründung, Vernetzung mit Förderstellen und etwaigen Investoren bis hin zu gemeinsamer Ideenfindung und Weiterentwicklung des Projekts – stets unter Anleitung bzw. Support absoluter Profis. „Im Idealfall mündet das Ganze am Ende des Tages in einer konkreten Start-up-Gründung.“ Und derer hat man schon einige erfolgreich mit auf den Weg gebracht. Am bekanntesten, weil auch in der TV Show „2 Minuten 2 Millionen“ erfolgreich, war etwa die Terminfindungsapp „Gatherer“, die von den Entwicklern mittlerweile schon wieder erfolgreich weiterverkauft worden ist. Eine Reihe von Preisen heimste die Reise-App „citybirds“ ein, und auch „MotEx“, eine Software für einen Fahrschulsimulator, macht (Fahr)Schule. Next levelVielleicht sind es gerade diese Aushängeschilder, möglicherweise auch der Umstand, dass der Creative Pre Incubator als best practice Modell mittlerweile auch in anderen Städten wie Krems oder Wiener Neustadt vom Land hochgezogen wird, welche die Stadt auf den Plan gerufen haben. „Bürgermeister Stadler ist mit dem Wunsch an uns herangetreten, auf Basis unserer Erfahrungen ein Konzept zu entwickeln, das Innovation, Unternehmertum und Start-ups auf möglichst breiter Basis unterstützt.“ Soll heißen, in Hinkunft wird die FH nicht nur die eigenen Studierenden in diesem Segment fördern, sondern alle kreativen und unternehmerfreudigen Köpfe der Stadt mit Unternehmer- und Pioniergeist sollen das Know-how von St. Pöltens Bildungsflaggschiff fruchtbringend anzapfen können. „Die Förderung ist daher auch keine für die Fachhochschule, sondern eine, welche die Kommune in eine neue Struktur der Unternehmensförderung investiert“, so Raffaseder. Und diese schlägt sich auf verschiedenen Ebenen nieder. Während das Büro in der FH angesiedelt bleibt, „um Kräfte zu bündeln und weil es keinen Sinn macht, künstlich teure Doppelstrukturen zu schaffen“, ist die Implementierung einer eigenen Start-up Koordinatorin als organisatorischer Mastermind neu. Gefunden hat man für den Posten Melanie Ruff, „eine Kollegin, die schon seit über einem Jahr für uns in diesem Bereich tätig ist. Sie hat selbst ehemals ein erfolgreiches Start-up, ‚Ruff Boards‘, auf die Beine gestellt, kennt also die positiven, aber auch die negativen Seiten dieses Weges und bringt doch unglaublich viel Know-how und Expertise mit ein.“ Dies trifft nicht minder auf die zwei neu bestellten sogenannten Start-up Botschafter zu, die bereits an der Konzeptionierung des Projektes mitgearbeitet haben und es v. a. nach außen – und damit meint man im Fall der Fälle auch ganz außen, also international – vernetzen sollen. „Beide haben St. Pölten-Bande. Hannes Baumgartner hat sein Start-up aber ehemals in Wien hochgezogen, weil er damals in St. Pölten keine passenden Möglichkeiten vorfand – genau da wollen wir ansetzen, um in Hinkunft ein Start-up freundliches Umfeld bereitstellen zu können und damit auch kreative Köpfe in der Stadt zu halten.“ Baumgartner ist bestens vernetzt und u. a. im Netztwerk Austrianstart-ups vertreten. Den internationalen Touch wiederum bringt Daniel Ratziger ein, der jahrelang in England studierte und sich dort sein Studium u. a. mit seinen Start-ups finanzierte. „Auch er weiß genau, was es bedarf, um ein gutes Ökosys­tem für das Gedeihen von Start-ups zu schaffen.“Insbesondere bedarf es dafür zuerst einmal einer guten  Vernetzung, die schnelle Wege des Wissenstransfers ermöglicht. Deshalb versteht sich die Initiative auch als eine Art Drehscheibe, die nach einem one stop shop-Prinzip verfährt: Hier sollen alle relevanten Fäden von Gründern, Wirtschaft, Behörden, Bildungseinrichtungen, Förderstellen etc. zusammenlaufen. „Wir vergeben ja keine direkten Förderungen, aber wir wissen sozusagen, wo es welche wofür gibt. Und allein der Experten-Pool an der FH oder auch der NDU ist ein riesiges Know-how Biotop, von dem man profitieren kann – wenn ich einen kompetenten Ansprechpartner für eine bestimmte Materie suche, stehen die Chancen nicht schlecht, dass ich auch einen finde.“ Dann baut man natürlich auf bereits bestehende Kooperationen mit diversen Bundes- und Landeseinrichtungen, wie etwa accent, tecnet, RIZ etc. „im Zuge dessen wir bestehende Synergien nutzen  möchten.“ Ebenso möchte man andere Kreativschmieden anzapfen „etwa die höheren und mittleren Schulen, wo ja enormviel passiert, oder auch die in den letzten Jahren entstandenen Co-Working Spaces der Stadt.“ Diese sollen über einen Beirat eingebunden werden, wo es zu einem regelmäßigen Informations- und Erfahrungsaustausch der Protagonisten kommt. Das gilt selbstverständlich auch für die ansässigen Betriebe – sowohl Leitbetriebe als auch Klein- und Mittelbetriebe – die man ebenso aktiv unterstützen und „beackern“ möchte. „Denn wir haben nicht nur die klassischen Start-up Gründer im Visier, sondern wollen ebenso ein Partner für bereits etablierte Betriebe sein, wo oft unglaublich viele Talente und Potenziale schlummern. Diese wollen wir heben und erkennen helfen!“
 "Die Kommune investiert damit in eine neue Struktur der Unternehmensförderung!" HANNES RAFFASEDER
Über den TellerrandUm näher an all diese potenziellen Zielgruppen heranzukommen, wird man – ebenfalls ein Novum – verschiedene öffentlichkeitswirksame Schienen hochziehen. So sind mit größeren Unternehmen sogenannte Hackertones geplant, kreative junge Menschen ab 15 Jahren will man zu einer Innovationswoche bzw. Summerschool einladen, und eine coole Start-up Night ist ebenso geplant wie die Vergabe eines Start-up Preises bzw. eines Start-up Stipendiums für die spannendsten Ideen.Inhaltliche Einschränkungen wird es dabei nicht geben, „wenngleich sich gewisse Themenkreise zum einen aus dem Masterplan 2020 der Stadt ergeben, zum anderen durch das Bildungsangebot der vorort ansässigen Hochschulen.“ Als Beispiele nennt Raffaseder etwa bereits erfolgreich am Weg befindliche Bereiche wie Cybersecurity, Digital Healthcare oder „gerade auch im Hinblick auf die Bewerbung St. Pöltens als Europäische Kulturhauptstadt 2024 relevant, Creative & Cultural Industries. Das sind Themen, die auch national noch nicht so stark verankert sind“, was im Hinblick auf das Finden einer Nische Sinn macht, wolle man doch in Sachen Start-ups nicht mit großen Städten wie Wien, Linz oder Graz in Konkurrenz treten. „Sehr wohl wollen wir uns aber mit einem spezifischen Angebot als zusätzlicher Knoten auf der Achse Wien-Linz etablieren.“ Die Chancen dafür stünden jedenfalls gut, wie Raffaseder überzeugt ist, „nicht nur, weil ich ein ewiger Optimist bin, sondern weil St. Pölten durch seine Verkehrslage, seine positivenStandortfaktoren und das hier vorhandene Know-how gute Voraussetzungen einbringt!“ Zwar musste manch Traditionsbetrieb schließen, „dafür ist in den Segmenten Bildung, Forschung, Innovation, Gesundheit, Kultur etc. viel Neues entstanden!“Die jetzt hochgezogene Start-up Schiene sei jedenfalls das ideale Vehikel, um die möglichen Potenziale zu heben und einen raschen Wissenstransfer, eine Art coditio sine qua non, überhaupt erst zu gewährleisten. „Klassische Forschungsstätten und Universitäten können das nämlich über ihre konventionellen Strukturen heute oft nur bedingt erfüllen. Da dauert die Förderzusage für ein Forschungsprojekt vielleicht ein Jahr – da ist das Start-up aber schon wieder längst Geschichte“ … oder anderswo realisiert. Das Potenzial ist verloren, gar vernichtet, damit aber auch die Zukunfts­chancen für den ursprünglichen Standort und der daraus resultierende Benefit. Gerade deshalb sei es in Raffaseders Augen absolut richtig, dass sich die Stadt in diesem Sektor aktiv miteinbringt. „Nicht weil es in Mode ist, ein paar klingende Start-ups – die ja oft auch aufgeblasen sind – plakativ präsentieren zu können, sondern weil Start-ups schlichtweg gewährleisten, dass man direkt an den jungen Talenten und ihren Ideen dran ist, damit aber auch an den Zukunftsthemen. Das heißt, man gestaltet die Zukunft aktiv mit – und genau das machen Start-ups!“
 "Start-ups gewährleisten, dass man direkt an den jungen Talenten und ihren Ideen dran ist, damit aber auch an den Zukunftsthemen. Das heißt, man gestaltet die Zukunft aktiv mit!" HANNES RAFFASEDER